Achtzehnter Auftritt

[693] Fiesco. Verrina. Bourgognino. Sacco. Calcagno.


FIESCO unterbricht eine Pause des Erstaunens. Dachtet ihr, der Löwe schliefe, weil er nicht brüllte? Waret ihr eitel genug, euch zu überreden, daß ihr die einzigen wäret, die Genuas Ketten fühlten? Die einzigen, die sie zu zerreißen wünschten? Eh ihr sie nur fern rasseln hörtet, hatte sie schon Fiesco zerbrochen. Er öffnet die Schatulle, nimmt ein Paket Briefe heraus, die er alle über die Tafel spreitet. Hier Soldaten von Parma – hier französisches Geld – – hier vier Galeeren vom Papst. Was fehlte noch, einen Tyrannen in seinem Nest aufzujagen? Was wißt ihr noch zu erinnern? Da sie alle erstarrt schweigen, tritt er von der Tafel, mit Selbstgefühl. Republikaner! Ihr seid geschickter, Tyrannen zu verfluchen, als sie in die Luft zu sprengen.


Alle außer Verrina werfen sich sprachlos dem Fiesco zu Füßen.


VERRINA. Fiesco! – Mein Geist neigt sich vor dem deinigen – Mein Knie kann es nicht – Du bist ein großer Mensch! – aber – Steht auf, Genueser!

FIESCO. Ganz Genua ärgerte sich an dem Weichling Fiesco. Ganz Genua fluchte über den verbuhlten Schurken Fiesco. Genueser! Genueser! Meine Buhlerei hat den arglistigen Despoten betrogen, meine Tollheit hat euerm Fürwitz meine gefährliche Weisheit verhüllt. In den Windeln der Üppigkeit lag das erstaunliche Werk der Verschwörung gewickelt. Genug. Genua kennt mich in euch. Mein ungeheuerster Wunsch ist befriedigt.

BOURGOGNINO wirft sich unmutig in einen Sessel. Bin ich denn gar nichts mehr?[693]

FIESCO. Aber laßt uns schleunig von Gedanken zu Taten gehn. Alle Maschinen sind gerichtet. Ich kann die Stadt von Land und Wasser bestürmen. Rom, Frankreich und Parma bedecken mich. Der Adel ist schwürig. Des Pöbels Herzen sind mein. Die Tyrannen hab ich in Schlummer gesungen. Die Republik ist zu einem Umgusse zeitig. Mit dem Glück sind wir fertig. Nichts fehlt – Aber Verrina ist nachdenkend?

BOURGOGNINO. Geduld. Ich hab ein Wörtchen, das ihn rascher aufschröcken soll als des Jüngsten Tages Posaunenruf. Er tritt zu Verrina, ruft ihm bedeutend zu. Vater, wach auf! Deine Berta verzweifelt!

VERRINA. Wer sprach das? – Zum Werk, Genueser!

FIESCO. Überlegt den Entwurf zur Vollstreckung. Über dem ernsten Gespräch hat uns die Nacht überrascht. Genua liegt schlafen. Der Tyrann fällt erschöpft von den Sünden des Tages nieder. Wachet für beide!

BOURGOGNINO. Eh wir scheiden, laßt uns den heldenmütigen Bund durch eine Umarmung beschwören. Sie schließen mit verschränkten Armen einen Kreis. Hier wachsen Genuas fünf größte Herzen zusammen, Genuas größtes Los zu entscheiden. Drücken sich inniger. Wenn der Welten Bau auseinanderfällt und der Spruch des Gerichts auch die Bande des Bluts, auch der Liebe zerschneidet, bleibt dieses fünffache Heldenblatt ganz! Treten auseinander.

VERRINA. Wann versammeln wir uns wieder?

FIESCO. Morgen mittag will ich eure Meinungen sammeln.

VERRINA. Morgen mittag denn. Gute Nacht, Fiesco! Bourgognino, komm! Du wirst etwas Seltsames hören. Beide ab.

FIESCO zu den andern. Geht ihr zu den Hintertoren hinaus, daß Dorias Spionen nichts merken. Alle entfernen sich.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 693-694.
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