Achter Auftritt

[678] Fiesco. Zwölf Handwerker.


ALLE. Rache an Doria! Rache an Gianettino!

FIESCO. Hübsch gemach, meine Landsleute. Daß ihr mir alle eure Aufwartung so machtet, das zeugt von euerm guten Herzen. Aber meine Ohren sind delikater.[678]

ALLE ungestümer. Zu Boden mit den Doria! zu Boden Oheim und Neffen!

FIESCO der sie lächelnd überzählt. Zwölf sind ein vornehmes Heer –

EINIGE. Diese Doria müssen weg. Der Staat muß eine andere Form haben.

ERSTER HANDWERKER. Unsre Friedensrichter die Treppen hinabzuschmeißen – die Treppen die Friedensrichter.

ZWEITER. Denkt doch, Lavagna, die Treppen hinab! als sie ihm bei der Wahl widersprachen.

ALLE. Soll nicht geduldet werden! Darf nicht geduldet werden!

EIN DRITTER. Ein Schwert in den Rat zu nehmen –

ERSTER. Ein Schwert! Das Zeichen des Kriegs! im Zimmer des Friedens!

ZWEITER. Im Scharlach in den Senat zu kommen! Nicht schwarz wie die übrigen Ratsherrn!

ERSTER. Mit acht Hengsten durch unsere Hauptstadt zu fahren.

ALLE. Ein Tyrann! Ein Verräter des Lands und der Regierung!

ZWEITER. Zweihundert Teutsche zur Leibwach vom Kaiser zu kaufen –

ERSTER. Ausländer wider die Kinder des Vaterlands! Teutsche gegen Italiener! Soldaten neben die Gesetze!

ALLE. Hochverrat! Meuterei! Genuas Untergang!

ERSTER. Das Wappen der Republik an der Kutsche zu führen –

ZWEITER. Die Statue des Andreas mitten im Hof der Signoria! –

ALLE. In Stücken mit dem Andreas! In tausend Stück den steinernen und den lebendigen!

FIESCO. Genueser, warum mir das alles?

ERSTER. Ihr sollt es nicht dulden! Ihr sollt ihm den Daumen aufs Aug halten.

ZWEITER. Ihr seid ein kluger Mann, und sollt es nicht dulden, und sollt den Verstand für uns haben.

ERSTER. Und seid ein besserer Edelmann, und sollt ihm das eintränken, und sollt es nicht dulden.

FIESCO. Euer Zutrauen schmeichelt mir sehr. Kann ich es durch Taten verdienen?

ALLE lärmend. Schlage! Stürze! Erlöse![679]

FIESCO. Doch ein gut Wort werdet ihr noch annehmen?

EINIGE. Redet, Lavagna.

FIESCO der sich niedersetzt. Genueser – Das Reich der Tiere kam einst in bürgerliche Gärung, Parteien schlugen mit Parteien, und ein Fleischerhund bemächtigte sich des Throns. Dieser, gewohnt, das Schlachtvieh an das Messer zu hetzen, hauste hündisch im Reich, klaffte, biß und nagte die Knochen seines Volks. Die Nation murrte, die Kühnsten traten zusammen, und erwürgten den fürstlichen Bullen. Itzt ward ein Reichstag gehalten, die große Frage zu entscheiden, welche Regierung die glücklichste sei? Die Stimmen teilten sich dreifach. Genueser, für welche hättet ihr entschieden?

ERSTER BÜRGER. Fürs Volk. Alle fürs Volk.

FIESCO. Das Volk gewanns. Die Regierung ward demokratisch. Jeder Bürger gab seine Stimme. Mehrheit setzte durch. Wenige Wochen vergingen, so kündigte der Mensch dem neugebackenen Freistaat den Krieg an. Das Reich kam zusammen. Roß, Löwe, Tiger, Bär, Elefant und Rhinozeros traten auf und brüllten laut: Zu den Waffen! Itzt kam die Reih an die übrigen. Lamm, Hase, Hirsch, Esel, das ganze Reich der Insekten, der Vögel, der Fische ganzes menschenscheues Heer – alle traten dazwischen und wimmerten: Friede! Seht, Genueser! Der Feigen waren mehr denn der Streitbaren, der Dummen mehr denn der Klugen – Mehrheit setzte durch. Das Tierreich streckte die Waffen, und der Mensch brandschatzte sein Gebiet. Dieses Staatssystem ward also verworfen. Genueser, wozu wäret ihr itzt geneigt gewesen?

ERSTER UND ZWEITER. Zum Ausschuß! Freilich, zum Ausschuß!

FIESCO. Diese Meinung gefiel! Die Staatsgeschäfte teilten sich in mehrere Kammern. Wölfe besorgten die Finanzen, Füchse waren ihre Sekretäre. Tauben führten das Kriminalgericht, Tiger die gütlichen Vergleiche, Böcke schlichteten Heuratsprozesse. Soldaten waren die Hasen, Löwen und Elefant blieben bei der Bagage, der Esel war Gesandter des Reichs, und der Maulwurf Oberaufseher über die Verwaltung der Ämter. Genueser, was hofft ihr von dieser weisen Verteilung? Wen der Wolf nicht zerriß, den prellte der Fuchs. Wer diesem entrann, den tölpelte der Esel nieder. Tiger erwürgten die[680] Unschuld; Diebe und Mörder begnadigte die Taube, und am Ende, wenn die Ämter niedergelegt wurden, fand sie der Maulwurf alle unsträflich verwaltet – Die Tiere empörten sich. Laßt uns einen Monarchen wählen, riefen sie einstimmig, der Klauen und Hirn und nur einen Magen hat – und einem Oberhaupt huldigten alle – einem, Genueser – aber Indem er mit Hoheit unter sie tritt. es war der Löwe.

ALLE klatschen, werfen die Mützen in die Höh. Bravo! Bravo! das haben sie schlau gemacht!

ERSTER. Und Genua solls nachmachen, und Genua hat seinen Mann schon.

FIESCO. Ich will ihn nicht wissen. Gehet heim. Denkt auf den Löwen. Die Bürger tumultuarisch hinaus. Es geht erwünscht. Volk und Senat wider Doria. Volk und Senat für Fiesco – Hassan! Hassan! – Ich muß diesen Wind benutzen – Hassan! Hassan! – Ich muß diesen Haß verstärken! dieses Interesse anfrischen! – Heraus, Hassan! Hurensohn der Hölle! Hassan! Hassan!


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 678-681.
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