Vierter Auftritt

[701] Mohr keuchend. Fiesco.


FIESCO. Woher so in Atem?

MOHR. Geschwind, gnädiger Herr –

FIESCO. Ist was ins Garn gelaufen?

MOHR. Lest diesen Brief! Bin ich denn wirklich da? Ich glaube, Genua ist um zwölf Gassen kürzer worden, oder meine Beine um soviel länger. Ihr verblaßt? Ja, um Köpfe werden sie karten, und der Eure ist Tarock. Wie gefällts Euch?

FIESCO wirft den Brief erschüttert auf den Tisch. Krauskopf und zehen Teufel! wie kommst du zu diesem Brief?

MOHR. Ohngefähr wie – Euer Gnaden zur Republik. Ein Expresser sollte damit nach Levanto fliegen. Ich wittre den Fraß. Laure dem Burschen in einem Hohlweg auf. Baff! liegt der Marder – wir haben das Huhn.

FIESCO. Sein Blut über dich! Der Brief ist nicht mit Gold zu bezahlen.

MOHR. Doch dank ich für Silber. Ernsthaft und wichtig. Graf von Lavagna. Ich habe neulich einen Gelust nach Euerm Kopf gehabt. Indem er auf den Brief deutet. Hier wär er wieder – jetzt, denk ich, wären gnädiger Herr und Hollunke quitt. Fürs weitere könnt Ihr Euch beim guten Freunde bedanken. Reicht ihm einen zweiten Zettel. Numero zwei.

FIESCO nimmt das Blatt mit Erstaunen. Wirst du toll sein?

MOHR. Numero zwei. Er stellt sich trotzig neben ihn, stemmt den Ellenbogen an. Der Löwe hats doch so dumm nicht gemacht, daß er die Maus pardonnierte? Arglistig. Gelt! er hats schlau gemacht, wer hätt ihn auch sonst aus dem Garne genagt? – Nun? Wie behagt Euch das?

FIESCO. Kerl, wieviel Teufel besoldest du?

MOHR. Zu dienen – nur einen, und der steht in gräflichem Futter.[701]

FIESCO. Dorias eigene Unterschrift! – Wo bringst du das Blatt her?

MOHR. Warm aus den Händen meiner Bononi. Ich machte mich noch die gestrige Nacht dahin, ließ Eure schönen Worte und Eure noch schönern Zechinen klingen. Die letzten drangen durch. Früh sechs sollt ich wieder anfragen. Der Graf war richtig dort, wie Ihr sagtet, und bezahlte mit schwarz und weiß das Weggeld zu einem konterbandenen Himmelreich.

FIESCO aufgebracht. Über die feilen Weiberknechte! – Republiken wollen sie stürzen, können keiner Metze nicht schweigen. Ich sehe aus diesen Papieren, daß Doria und sein Anhang Komplott gemacht haben, mich mit eilf Senatoren zu ermorden und Gianettino zum souveränen Herzog zu machen.

MOHR. Nicht anders, und das schon am Morgen der Dogewahl, dem dritten des Monats.

FIESCO rasch. Unsere flinke Nacht soll diesen Morgen in Mutterleibe erwürgen – Geschwind, Hassan. – Meine Sachen sind reif – Rufe die andern – Wir wollen ihnen einen blutigen Vorsprung machen – Tummle dich, Hassan!

MOHR. Noch muß ich Euch meinen Schubsack von Zeitungen stürzen. Zweitausend Mann sind glücklich hereinpraktiziert. Ich habe sie bei den Kapuzinern untergebracht, wo auch kein vorlauter Sonnenstrahl sie ausspionieren soll. Sie brennen vor Neugier, ihren Herrn zu sehen, und es sind treffliche Kerl.

FIESCO. Aus jedem Kopf blüht ein Skudi für dich – Was murmelt Genua zu meinen Galeeren?

MOHR. Das ist ein Hauptspaß, gnädiger Herr. Über die vierhundert Abenteurer, die der Friede zwischen Frankreich und Spanien auf den Sand gesetzt hat, nisteten sich an meine Leute und bestürmten sie, ein gutes Wort für sie bei Euch einzulegen, daß Ihr sie gegen die Ungläubigen schicken mögt. Ich habe sie auf den Abend zu Euch in den Schloßhof beschieden.

FIESCO froh. Bald sollt ich dir um den Hals fallen, Schurke. Ein Meisterstreich! Vierhundert sagst du? – Genua ist nicht mehr zu retten. Vierhundert Skudi sind dein.

MOHR treuherzig. Gelt, Fiesco? Wir zwei wollen Genua zusammenschmeißen, daß man die Gesetze mit dem Besen aufkehren kann –[702] Das hab ich Euch nie gesagt, daß ich unter der hiesigen Garnison meine Vögel habe, auf die ich zählen kann, wie auf meine Höllenfahrt. Nun hab ich veranstaltet, daß wir auf jedem Tor wenigstens sechs Kreaturen unter der Wache haben, die genug sind, die andern zu beschwätzen, und ihre fünf Sinne unter Wein zu setzen. Wenn Ihr also Lust habt, diese Nacht einen Streich zu wagen, so findet Ihr die Wachen besoffen.

FIESCO. Rede nichts mehr. Bis itzt hab ich den ungeheuren Quader ohne Menschenhülfe gewälzt, hart am Ziel soll mich der schlechteste Kerl in der Rundung beschämen? – Deine Hand, Bursche. Was dir der Graf schuldig bleibt, wird der Herzog hereinholen.

MOHR. Überdies noch ein Billett von der Gräfin Imperiali. Sie winkte mir von der Gasse hinauf, war sehr gnädig, fragte mich spöttelnd, ob die Gräfin von Lavagna keinen Anfall von Gelbsucht gehabt hätte? Euer Gnaden, sagt ich, fragen nur einem Befinden nach, sagt ich –

FIESCO hat das Billett gelesen und wirft es weg. Sehr gut gesagt, sie antwortete?

MOHR. Antwortete, sie bedaure dennoch das Schicksal der armen Witwe, erbiete sich auch, ihre Genugtuung zu geben, und Euer Gnaden Galanterien künftig zu verbitten.

FIESCO hämisch. Welche sich wohl noch vor Weltuntergang aufheben dürften – Das die ganze Erheblichkeit, Hassan?

MOHR boshaft. Gnädiger Herr, Angelegenheiten der Damen sind es zunächst nach den politischen. –

FIESCO. O ja freilich, und diese allerdings. Aber was willst du mit diesem Papierchen?

MOHR. Eine Teufelei mit einer andern auskratzen – diese Pulver gab mir Signora, Eurer Frau täglich eins in die Schokolade zu rühren.

FIESCO tritt blaß zurück. Gab dir?

MOHR. Donna Julia, Gräfin Imperiali.

FIESCO reißt ihm solche weg, heftig. Lügst du, Kanaille, laß ich dich lebendig an den Wetterhahn vom Lorenzoturm schmieden, wo dich der Wind in einem Atemzug neunmal herumtreibt – die Pulver?

MOHR ungeduldig. Soll ich Eurer Frau in der Schokolade zu saufen geben, verordnete Donna Julia Imperiali.[703]

FIESCO außer Fassung. Ungeheuer! Ungeheuer! – dieses holdselige Geschöpf? – Hat so viel Hölle in einer Frauenzimmerseele Platz? – Doch ich vergaß dir zu danken, himmlische Vorsicht, die du es nichtig machst – Nichtig durch einen ärgeren Teufel. Deine Wege sind sonderbar. Zum Mohren. Du versprichst zu gehorchen und schweigst.

MOHR. Sehr wohl. Das letzte kann ich, sie bezahlte mirs bar.

FIESCO. Dieses Billet ladet mich zu ihr – Ich will kommen, Madam! Ich will Sie beschwätzen, bis Sie hieher folgen. Gut. Du eilst nunmehr, was du eilen kannst. Rufst die ganze Verschwörung zusammen.

MOHR. Diesen Befehl hab ich vorausgewittert, und darum jeden auf meine Faust Punkt zehn Uhr hieher bestellt.

FIESCO. Ich höre Tritte. Sie sinds. Kerl, du verdientest deinen eigenen Galgen, wo noch kein Sohn Adams gezappelt hat. Geh ins Vorzimmer, bis ich läute.

MOHR im Abgehen. Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen. Ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 701-704.
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