Dreizehnter Auftritt

[744] Vorige. Arabella kommt jammernd.


ARABELLA. Mögen sie mich umbringen, was hab ich auch itzt noch zu verlieren? – Habt Erbarmen, ihr Männer – Hier verließ ich meine gnädige Frau und nirgends find ich sie wieder.

FIESCO tritt ihr näher, mit leiser, bebender Stimme. Leonore heißt deine gnädige Frau?

ARABELLA froh. O, daß Sie da sind, mein liebster, guter gnädiger Herr! – Zürnen Sie nicht über uns, wir konnten sie nicht mehr zurückhalten.

FIESCO zürnt sie dumpfig an. Du Verhaßte! von was nicht?

ARABELLA. Daß sie nicht nachsprang –

FIESCO heftiger. Schweig! wohin sprang?

ARABELLA. Ins Gedränge –

FIESCO wütend. Daß deine Zunge zum Krokodil würde – Ihre Kleider?

ARABELLA. Ein scharlachner Mantel –

FIESCO rasend gegen sie taumelnd. Geh in den neunten Kreis der Hölle! – der Mantel?

ARABELLA. Lag hier am Boden –

EINIGE VERSCHWORENE murmelnd. Gianettino ward hier ermordet –

FIESCO todesmatt zurückwankend, zu Arabellen. Deine Frau ist gefunden. Arabella geht angstvoll. Fiesco sucht mit verdrehten Augen im ganzen Kreis herum, darauf mit leiser, schwebender Stimme, die stufenweis bis zum Toben steigt. Wahr ists – wahr – und ich das Stichblatt des unendlichen Bubenstücks. Viehisch um sich hauend. Tretet zurück, ihr menschlichen Gesichter – Ah, Mit frechem Zähnblöcken gen Himmel. hätt ich nur seinen Weltbau zwischen diesen Zähnen – Ich fühle mich aufgelegt, die ganze Natur in ein grinsendes Scheusal zu zerkratzen, bis sie aussieht wie mein Schmerz – Zu den andern, die bebend herumstehn. Mensch! – wie es itzt dasteht, das erbärmliche Geschlecht, sich segnet und selig preist, daß es nicht ist wie ich – Nicht, wie ich! – In hohles Beben hinabgefallen. Ich allein habe den Streich – Rascher, wilder. Ich? Warum ich? Warum nicht mit[744] mir auch diese? Warum soll ich mein Schmerz am Schmerz eines Mitgeschöpfs nicht stumpf reiben dürfen?

CALCAGNO furchtsam. Mein teurer Herzog –

FIESCO dringt auf ihn ein mit gräßlicher Freude. Ah, willkommen! Hier, Gott sei Dank! ist einer, den auch dieser Donner quetschte! Indem er den Calcagno wütend in seine Arme drückt. Bruder Zerschmetterter! Wohl bekomm die Verdammnis! Sie ist tot! Du hast sie auch geliebt! Er zwingt ihn an den Leichnam und drückt ihm den Kopf dagegen. Verzweifle! Sie ist tot! Den stieren Blick in einen Winkel geheftet. Ah, daß ich stünde am Tor der Verdammnis, hinunterschauern dürfte mein Aug auf die mancherlei Folterschrauben der sinnreichen Hölle, saugen mein Ohr zerknirschter Sünder Gewinsel Könnt ich sie sehen, meine Qual, wer weiß, ich trüge sie vielleicht? Mit Schauern zur Leiche gehend. Mein Weib liegt hier ermordet – Nein, das will wenig sagen. Nachdrücklicher. Ich, der Bube, habe mein Weib ermordet – O pfui, so etwas kann die Hölle kaum kützeln – Erst wirbelt sie mich künstlich auf der Freude letztes, glättestes Schwindeldach, schwätzt mich bis an die Schwelle des Himmels – und dann hinunter – dann – o könnte mein Odem die Pest unter Seelenblasen – dann – dann ermord ich mein Weib – Nein! ihr Witz ist noch feiner – dann übereilen sich Verächtlich. zwei Augen, und Mit schröcklichem Nachdruck. ich – ermorde – mein Weib! Beißend lächelnd. Das ist das Meisterstück.


Alle Verschworene hängen gerührt an ihren Waffen. Einige wischen Tränen aus den Augen. Pause.


FIESCO erschöpft und stiller, indem er im Zirkel herumblickt. Schluchzt hier jemand? – Ja, bei Gott, die einen Fürsten würgten, weinen. In stillen Schmerz geschmolzen. Redet! Weint ihr über diesen Hochverrat des Todes, oder weint ihr über meines Geistes Memmenfall? In ernster, rührender Stellung vor der Toten verweilend. Wo in warme Tränen felsenharte Mörder schmelzen, fluchte Fiescos Verzweiflung! Sinkt weinend an ihr nieder. Leonore, vergib – Reue zürnt man dem Himmel nicht ab. Weich, mit Wehmut. Jahre voraus, Leonore, genoß ich das Fest jener Stunde, wo ich den Genuesern ihre Herzogin brächte – Wie lieblich verschämt sah ich schon deine Wangen erröten, deinen Busen wie fürstlich schön unter dem Silberflor[745] schwellen, wie angenehm deine lispelnde Stimme der Entzückung versagen. Lebhafter. Ha! wie berauschend wallte mir schon der stolze Zuruf zu Ohren, wie spiegelte sich meiner Liebe Triumph im versinkenden Neide! – Leonore – die Stund ist gekommen – Genuas Herzog ist dein Fiesco – und Genuas schlechtester Bettler besinnt sich, seine Verachtung an meine Qual und meinen Scharlach zu tauschen – Rührender. Eine Gattin teilt seinen Gram – mit wem kann ich meine Herrlichkeit teilen? Er weint heftiger und verbirgt sein Gesicht an der Leiche. Rührung auf allen Gesichtern.

CALCAGNO. Es war eine treffliche Dame.

ZIBO. Daß man doch ja den Trauerfall dem Volk noch verschweige. Er nähme den Unsrigen den Mut und gäb ihn den Feinden.

FIESCO steht gefaßt und fest auf. Höret, Genueser – die Vorsehung, versteh ich ihren Wink, schlug mir diese Wunde nur, mein Herz für die nahe Größe zu prüfen? – Es war die gewagteste Probe – itzt fürcht ich weder Qual noch Entzücken mehr. Kommt! Genua erwarte mich, sagtet ihr? – Ich will Genua einen Fürsten schenken, wie ihn noch kein Europäer sah – Kommt! – dieser unglücklichen Fürstin will ich eine Totenfeier halten, daß das Leben seine Anbeter verlieren, und die Verwesung wie eine Braut glänzen soll – Itzt folgt euerm Herzog. Gehen ab unter Fahnenmarsch.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 744-746.
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