Fünfter Auftritt

[737] Leonore in Mannskleidern. Arabella hinter ihr her.

Beide schleichen ängstlich hervor.


ARABELLA. Kommen Sie, gnädige Frau, o kommen Sie doch –

LEONORE. Dahinaus wütet der Aufruhr – Horch! war das nicht eines Sterbenden Ächzen? – Weh! sie umzingeln ihn – Auf Fiescos Herz deuten ihre gähnenden Rohre – Auf das meinige, Bella – Sie drücken ab – Haltet! Haltet! Es ist mein Gemahl. Wirft ihre Arme schwärmend in die Luft.

ARABELLA. Aber um Gottes willen –

LEONORE immer wildphantasierend, nach allen Gegenden schreiend. Fiesco! – Fiesco! – Fiesco! – Sie weichen hinter ihm ab, seine Getreuen – Rebellentreue ist wankend. Heftig, erschrocken. Rebellen führt mein Gemahl? Bella? Himmel? Ein Rebell kämpft mein Fiesco?

ARABELLA. Nicht doch, Signora, als Genuas furchtbarer Schiedsmann.

LEONORE aufmerksam. Das wäre etwas – und Leonore hätte gezittert? Den Ersten Republikaner umarmte die feigste Republikanerin? – Geh, Arabella – Wenn die Männer um Länder sich messen, dürfen auch die Weiber sich fühlen. Man fängt wieder an zu tromtrommeln. Ich werfe mich unter die Kämpfer.

ARABELLA schlägt die Hände zusammen. Barmherziger Himmel!

LEONORE. Sachte! Woran stößt sich mein Fuß? Hier ist ein Hut und ein Mantel. Ein Schwert liegt dabei. Sie wägt es. Ein schweres Schwert, meine Bella, doch schleppen kann ichs noch wohl, und das Schwert macht seinem Führer nicht Schande. Man läutet Sturm.

ARABELLA. Hören Sie? Hören Sie? Das wimmert vom Turm der Dominikaner. Gott erbarme! Wie fürchterlich!

LEONORE schwärmend. Sprich, wie entzückend! In dieser Sturmglocke spricht mein Fiesco mit Genua. Man trommelt stärker. Hurra! Hurra! Nie klangen mir Flöten so süß – Auch diese Trommeln belebt mein Fiesco. – Wie mein Herz höher wallt! Ganz Genua wird munter – Mietlinge hüpfen hinter seinem Namen, und[737] sein Weib sollte zaghaft tun? Es stürmt auf drei andern Türmen. Nein! eine Heldin soll mein Held umarmen – Mein Brutus soll eine Römerin umarmen. Sie setzt den Hut auf und wirft den Scharlach um. Ich bin Porcia.

ARABELLA. Gnädige Frau, Sie wissen nicht, wie entsetzlich Sie schwärmen. Nein, das wissen Sie nicht. Sturmläuten und Trommeln.

LEONORE. Elende, die du das alles hörst und nicht schwärmst! Weinen möchten diese Quader, daß sie die Beine nicht haben, meinem Fiesco zuzuspringen – Diese Paläste zürnen über ihren Meister, der sie so fest in die Erde zwang, daß sie meinem Fiesco nicht zuspringen können – Die Ufer, könnten sies, verließen ihre Pflicht, gäben Genua dem Meere preis, und tanzten hinter seiner Trommel – Was den Tod aus seinen Windeln rüttelt, kann deinen Mut nicht wecken? Geh! – Ich finde meinen Weg.

ARABELLA. Großer Gott! Sie werden doch diese Grille nicht wahr machen wollen?

LEONORE stolz und heroisch. Das sollt ich meinen, du Alberne – Feurig. Wo am wildesten das Getümmel wütet, wo in Person mein Fiesco kämpft – Ist das Lavagna? hör ich sie fragen – den niemand bezwingen kann, der um Genua eiserne Würfel schwingt, ist das Lavagna? – Genueser! Er ists, werd ich sagen, und dieser Mann ist mein Gemahl, und ich hab auch eine Wunde. Sacco mit Verschwornen.

SACCO ruft an. Wer da? Doria oder Fiesco?

LEONORE begeistert. Fiesco und Freiheit. Sie wirft sich in eine Gasse. Auflauf. Bella wird weggedrängt.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 737-738.
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