Zehnter Auftritt


[79] Herzog von Alba. Pater Domingo.


DOMINGO.

Was wollten Sie mir sagen?

ALBA.

Eine wichtge

Entdeckung, die ich heut gemacht, worüber

Ich einen Aufschluß haben möchte.

DOMINGO.

Welche

Entdeckung? Wovon reden Sie?

ALBA.

Prinz Carlos

Und ich begegnen diesen Mittag uns

Im Vorgemach der Königin. Ich werde

Beleidigt. Wir erhitzen uns. Der Streit

Wird etwas laut. Wir greifen zu den Schwertern.

Die Königin auf das Getöse öffnet

Das Zimmer, wirft sich zwischen uns und sieht

Mit einem Blick despotischer Vertrautheit

Den Prinzen an. – Es war ein einzger Blick. –

Sein Arm erstarrt – er fliegt an meinen Hals –

Ich fühle einen heißen Kuß – er ist

Verschwunden.

DOMINGO nach einigem Stillschweigen.

Das ist sehr verdächtig. – Herzog,

Sie mahnen mich an etwas. – – Ähnliche[79]

Gedanken, ich gesteh es, keimten längst

In meiner Brust. – Ich flohe diese Träume –

Noch hab ich niemand sie vertraut. Es gibt

Zweischneidge Klingen, ungewisse Freunde –

Ich fürchte diese. Schwer zu unterscheiden,

Noch schwerer zu ergründen sind die Menschen.

Entwischte Worte sind beleidigte

Vertraute – drum begrub ich mein Geheimnis,

Bis es die Zeit ans Licht hervorgewälzt.

Gewisse Dienste Königen zu leisten,

Ist mißlich, Herzog – ein gewagter Wurf,

Der, fehlt er seine Beute, auf den Schützen

Zurücke prallt. – Ich wollte, was ich sage,

Auf eine Hostie beschwören – doch

Ein Augenzeugnis, ein erhaschtes Wort,

Ein Blatt Papier fällt schwerer in die Waage

Als mein lebendigstes Gefühl. – Verwünscht,

Daß wir auf span'schem Boden stehn!

ALBA.

Warum

Auf diesem nicht?

DOMINGO.

An jedem andern Hofe

Kann sich die Leidenschaft vergessen. Hier

Wird sie gewarnt von ängstlichen Gesetzen.

Die span'schen Königinnen haben Müh

Zu sündigen – ich glaub es – doch zum Unglück

Nur da – gerade da nur, wo es uns

Am besten glückte, sie zu überraschen.

ALBA.

Hören Sie weiter – Carlos hatte heut

Gehör beim König. Eine Stunde währte

Die Audienz. Er bat um die Verwaltung

Der Niederlande. Laut und heftig bat er;

Ich hört es in dem Kabinett. Sein Auge

War rot geweint, als ich ihm an der Türe

Begegnete. Den Mittag drauf erscheint er

Mit einer Miene des Triumphs. Er ist

Entzückt, daß mich der König vorgezogen.[80]

Er dankt es ihm. Die Sachen stehen anders,

Sagt er, und besser. Heucheln konnt er nie.

Wie soll ich diese Widersprüche reimen?

Der Prinz frohlockt, hintangesetzt zu sein,

Und mir erteilt der König eine Gnade

Mit allen Zeichen seines Zorns! – Was muß

Ich glauben? Wahrlich, diese neue Würde

Sieht einer Landsverweisung ähnlicher

Als einer Gnade.

DOMINGO.

Dahin also wär es

Gekommen? Dahin? Und ein Augenblick

Zertrümmerte, was wir in Jahren bauten? –

Und Sie so ruhig? so gelassen. – Kennen

Sie diesen Jüngling? Ahnden Sie, was uns

Erwartet, wenn er mächtig wird? – Der Prinz –

– Ich bin sein Feind nicht. Andre Sorgen nagen

An meiner Ruhe, Sorgen für den Thron,

Für Gott und seine Kirche. – Der Infant

(Ich kenn ihn – ich durchdringe seine Seele)

Hegt einen schrecklichen Entwurf – Toledo –

Den rasenden Entwurf, Regent zu sein

Und unsern heilgen Glauben zu entbehren. –

Sein Herz entglüht für eine neue Tugend,

Die, stolz und sicher und sich selbst genug,

Von keinem Glauben betteln will. – Er denkt!

Sein Kopf entbrennt von einer seltsamen

Chimäre – er verehrt den Menschen – Herzog,

Ob er zu unserm König taugt?

ALBA.

Phantomen!

Was sonst? Vielleicht auch jugendlicher Stolz,

Der eine Rolle spielen möchte. – Bleibt

Ihm eine andre Wahl? Das geht vorbei,

Trifft ihn einmal die Reihe zu befehlen.

DOMINGO.

Ich zweifle. – Er ist stolz auf seine Freiheit,

Des Zwanges ungewohnt, womit man Zwang

Zu kaufen sich bequemen muß. – Taugt er[81]

Auf unsern Thron? Der kühne Riesengeist

Wird unsrer Staatskunst Linien durchreißen.

Umsonst versucht ichs, diesen trotzgen Mut

In dieser Zeiten Wollust abzumatten;

Er überstand die Probe- Schrecklich ist

In diesem Körper dieser Geist – und Philipp

Wird sechzig Jahr alt.

ALBA.

Ihre Blicke reichen

Sehr weit.

DOMINGO.

Er und die Königin sind eins.

Schon schleicht, verborgen zwar, in beider Brust

Das Gift der Neuerer; doch bald genug,

Gewinnt es Raum, wird es den Thron ergreifen.

Ich kenne diese Valois. – Fürchten wir

Die ganze Rache dieser stillen Feindin,

Wenn Philipp Schwächen sich erlaubt. Noch ist

Das Glück uns günstig. Kommen wir zuvor.

In eine Schlinge stürzen beide. – Jetzt

Ein solcher Wink dem Könige gegeben,

Bewiesen oder nicht bewiesen – viel

Ist schon gewonnen, wenn er wankt. Wir selbst,

Wir zweifeln beide nicht. Zu überzeugen

Fällt keinem Überzeugten schwer. Es kann

Nicht fehlen, wir entdecken mehr, sind wir

Vorher gewiß, daß wir entdecken müssen.

ALBA.

Doch nun die wichtigste von allen Fragen!

Wer nimmts auf sich, den König zu belehren?

DOMINGO.

Noch Sie, noch ich. Erfahren Sie also,

Was lange schon, des großen Planes voll,

Mein stiller Fleiß dem Ziele zugetrieben.

Noch mangelt, unser Bündnis zu vollenden,

Die dritte, wichtigste Person – Der König

Liebt die Prinzessin Eboli. Ich nähre

Die Leidenschaft, die meinen Wünschen wuchert.

Ich bin sein Abgesandter – unserm Plane

Erzieh ich sie. – In dieser jungen Dame,[82]

Gelingt mein Werk, soll eine Bundsverwandtin,

Soll eine Königin uns blühn. Sie selbst

Hat jetzt in dieses Zimmer mich berufen.

Ich hoffe alles. – Jene Lilien

Von Valois zerknickt ein span'sches Mädchen

Vielleicht in einer Mitternacht.

ALBA.

Was hör ich?

Ists Wahrheit, was ich jetzt gehört? – Beim Himmel!

Das überrascht mich! Ja, der Streich vollendet!

Dominikaner, ich bewundre dich.

Jetzt haben wir gewonnen –

DOMINGO.

Still! Wer kommt? –

Sie ists – sie selbst.

ALBA.

Ich bin im nächsten Zimmer,

Wenn man –

DOMINGO.

Schon recht. Ich rufe Sie.


Der Herzog von Alba geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 79-83.
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