Zwölfter Auftritt


[86] Die Prinzessin. Herzog Alba. Domingo.


DOMINGO der den Herzog hereinführt.

Unsre Nachricht, Herzog Alba,

Kommt hier zu spät. Die Fürstin Eboli

Entdeckt uns ein Geheimnis, das sie eben

Von uns erfahren sollte.

ALBA.

Mein Besuch

Wird dann um so viel minder sie befremden.

Ich traue meinen Augen nicht. Dergleichen

Entdeckungen verlangen Weiberblicke.

PRINZESSIN.

Sie sprechen von Entdeckungen? –

DOMINGO.

Wir wünschten

Zu wissen, gnädge Fürstin, welchen Ort

Und welche beßre Stunde Sie –

PRINZESSIN.

Auch das!

So will ich morgen mittag Sie erwarten.

Ich habe Gründe, dieses strafbare

Geheimnis länger nicht zu bergen – es

Nicht länger mehr dem König zu entziehn.

ALBA.

Das war es, was mich hergeführt. Sogleich

Muß der Monarch es wissen. Und durch Sie,

Durch Sie, Prinzessin, muß er das. Wem sonst,

Wem sollt er lieber glauben als der strengen,

Der wachsamen Gespielin seines Weibes?

DOMINGO.

Wem mehr als Ihnen, die, sobald sie will,

Ihn unumschränkt beherrschen kann?

ALBA.

Ich bin

Erklärter Feind des Prinzen.[86]

DOMINGO.

Eben das

Ist man gewohnt, von mir vorauszusetzen.

Die Fürstin Eboli ist frei. Wo wir

Verstummen müssen, zwingen Pflichten Sie

Zu reden, Pflichten Ihres Amts. Der König

Entflieht uns nicht, wenn Ihre Winke wirken,

Und dann vollenden wir das Werk.

ALBA.

Doch bald,

Gleich jetzt muß das geschehn. Die Augenblicke

Sind kostbar. Jede nächste Stunde kann

Mir den Befehl zum Abmarsch bringen. –

DOMINGO sich nach einigem Überlegen zur Fürstin kehrend.

Ob

Sich Briefe finden ließen? Briefe freilich

Von dem Infanten, aufgefangen, müßten

Hier Wirkung tun. – Laß sehen. – Nicht wahr? – Ja.

Sie schlafen doch – so deucht mir – in demselben

Gemache mit der Königin?

PRINZESSIN.

Zunächst

An diesem. – Doch was soll mir das?

DOMINGO.

Wer sich

Auf Schlösser gut verstände! – Haben Sie

Bemerkt, wo sie den Schlüssel zur Schatulle

Gewöhnlich zu bewahren pflegt?

PRINZESSIN nachdenkend.

Das könnte

Zu etwas führen. – Ja – der Schlüssel wäre

Zu finden, denk ich. –

DOMINGO.

Briefe wollen Boten – –

Der Königin Gefolg ist groß. – – Wer hier

Auf eine Spur geraten könnte! – – Gold

Vermag zwar viel –

ALBA.

Hat niemand wahrgenommen,

Ob der Infant Vertraute hat?

DOMINGO.

Nicht einen,

In ganz Madrid nicht einen.

ALBA.

Das ist seltsam.[87]

DOMINGO.

Das dürfen Sie mir glauben. Er verachtet

Den ganzen Hof; ich habe meine Proben.

ALBA.

Doch wie? Hier eben fällt mir ein, als ich

Von dem Gemach der Königin herauskam,

Stand der Infant bei einem ihrer Pagen;

Sie sprachen heimlich –

PRINZESSIN rasch einfallend.

Nicht doch, nein! Das war –

Das war von etwas anderm.

DOMINGO.

Können wir

Das wissen? – Nein, der Umstand ist verdächtig. –


Zum Herzog.


Und kannten Sie den Pagen?

PRINZESSIN.

Kinderpossen!

Was wirds auch sonst gewesen sein? Genug,

Ich kenne das. – Wir sehn uns also wieder,

Eh ich den König spreche. – Unterdessen

Entdeckt sich viel.

DOMINGO sie auf die Seite führend.

Und der Monarch darf hoffen?

Ich darf es ihm verkündigen? Gewiß?

Und welche schöne Stunde seinen Wünschen

Erfüllung endlich bringen wird? Auch dies?

PRINZESSIN.

In eingen Tagen werd ich krank; man trennt mich

Von der Person der Königin – das ist

An unserm Hofe Sitte, wie Sie wissen.

Ich bleibe dann auf meinem Zimmer.

DOMINGO.

Glücklich!

Gewonnen ist das große Spiel. Trotz sei

Geboten allen Königinnen –

PRINZESSIN.

Horch!

Man fragt nach mir – die Königin verlangt mich.

Auf Wiedersehen!


Sie eilt ab.[88]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 86-89.
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