Fünfter Auftritt


[56] Don Carlos. Herzog von Alba.


ALBA ihm in den Weg tretend.

Zwei Worte, gnädger Prinz.

CARLOS.

Ganz recht – schon gut – ein andermal.


Er will gehen.


ALBA.

Der Ort[56]

Scheint freilich nicht der schicklichste. Vielleicht

Gefällt es Eurer Königlichen Hoheit,

Auf Ihrem Zimmer mir Gehör zu geben?

CARLOS.

Wozu? Das kann hier auch geschehn. – Nur schnell,

Nur kurz –

ALBA.

Was eigentlich hierher mich führt,

Ist, Eurer Hoheit untertängen Dank

Für das Bewußte abzutragen –

CARLOS.

Dank?

Mir Dank? Wofür? – Und Dank von Herzog Alba?

ALBA.

Denn kaum, daß Sie das Zimmer des Monarchen

Verlassen hatten, ward mir angekündigt,

Nach Brüssel abzugehen.

CARLOS.

Brüssel! So!

ALBA.

Wem sonst, mein Prinz, als Ihrer gnädigen

Verwendung bei des Königs Majestät

Kann ich es zuzuschreiben haben? –

CARLOS.

Mir?

Mir ganz und gar nicht – mir wahrhaftig nicht.

Sie reisen – reisen Sie mit Gott!

ALBA.

Sonst nichts?

Das nimmt mich wunder. – Eure Hoheit hätten

Mir weiter nichts nach Flandern aufzutragen?

CARLOS.

Was sonst? was dort?

ALBA.

Doch schien es noch vor kurzem,

Als forderte das Schicksal dieser Länder

Don Carlos' eigne Gegenwart.

CARLOS.

Wieso?

Doch ja – ja recht – das war vorhin – das ist

Auch so ganz gut, recht gut, um so viel besser –

ALBA.

Ich höre mit Verwunderung –

CARLOS nicht mit Ironie.

Sie sind

Ein großer General – wer weiß das nicht?

Der Neid muß es beschwören. Ich – ich bin

Ein junger Mensch. So hat es auch der König

Gemeint. Der König hat ganz recht, ganz recht.[57]

Ich sehs jetzt ein, ich bin vergnügt, und also

Genug davon. Glück auf den Weg. Ich kann

Jetzt, wie Sie sehen, schlechterdings – ich bin

Soeben etwas überhäuft – das Weitere

Auf morgen, oder wenn Sie wollen, oder

Wenn Sie von Brüssel wiederkommen –

ALBA.

Wie?

CARLOS nach einigem Stillschweigen, wie er sieht, daß der Herzog noch immer bleibt.

Sie nehmen gute Jahrszeit mit. – Die Reise

Geht über Mailand, Lothringen, Burgund

Und Deutschland – Deutschland? – Recht, in Deutschland war es!

Da kennt man Sie! – Wir haben jetzt April;

Mai – Junius – im Julius, ganz recht,

Und spätestens zu Anfang des Augusts

Sind Sie in Brüssel. O, ich zweifle nicht,

Man wird sehr bald von Ihren Siegen hören.

Sie werden unsers gnädigsten Vertrauens

Sich wert zu machen wissen.

ALBA mit Bedeutung.

Werd ich das,

In meines Nichts durchbohrendem Gefühle?

CARLOS nach einigem Stillschweigen mit Würde und Stolz.

Sie sind empfindlich, Herzog – und mit Recht.

Es war, ich muß bekennen, wenig Schonung

Von meiner Seite, Waffen gegen Sie

Zu führen, die Sie nicht imstande sind

Mir zu erwidern.

ALBA.

Nicht imstande? –

CARLOS ihm lächelnd die Hand reichend.

Schade,

Daß mirs gerade jetzt an Zeit gebricht,

Den würdgen Kampf mit Alba auszufechten.

Ein andermal –

ALBA.

Prinz, wir verrechnen uns

Auf ganz verschiedne Weise. Sie zum Beispiel,

Sie sehen sich um zwanzig Jahre später,

Ich Sie um ebensoviel früher.

CARLOS.

Nun?[58]

ALBA.

Und dabei fällt mir ein, wie viele Nächte

Bei seiner schönen portugiesischen

Gemahlin, Ihrer Mutter, der Monarch

Wohl drum gegeben hätte, einen Arm

Wie diesen seiner Krone zu erkaufen?

Ihm mocht es wohl bekannt sein, wieviel leichter

Die Sache sei, Monarchen fortzupflanzen

Als Monarchien – wieviel schneller man

Die Welt mit einem Könige versorge,

Als Könige mit einer Welt.

CARLOS.

Sehr wahr!

Doch, Herzog Alba? doch –

ALBA.

Und wieviel Blut,

Blut Ihres Volkes fließen mußte, bis

Zwei Tropfen Sie zum König machen konnten.

CARLOS.

Sehr wahr, bei Gott – und in zwei Worte alles

Gepreßt, was des Verdienstes Stolz dem Stolze

Des Glücks entgegensetzen kann. – Doch nun

Die Anwendung? doch, Herzog Alba?

ALBA.

Wehe

Dem zarten Wiegenkinde Majestät,

Das seiner Amme spotten kann! Wie sanft

Mags auf dem weichen Kissen unsrer Siege

Sich schlafen lassen! An der Krone funkeln

Die Perlen nur, und freilich nicht die Wunden,

Mit denen sie errungen ward. – Dies Schwert

Schrieb fremden Völkern spanische Gesetze,

Es blitzte dem Gekreuzigten voran

Und zeichnete dem Samenkorn des Glaubens

Auf diesem Weltteil blutge Furchen vor:

Gott richtete im Himmel, ich auf Erden –

CARLOS.

Gott oder Teufel, gilt gleichviel! Sie waren

Sein rechter Arm. Ich weiß das wohl – und jetzt

Nichts mehr davon. Ich bitte. Vor gewissen

Erinnerungen möcht ich gern mich hüten. –

Ich ehre meines Vaters Wahl. Mein Vater[59]

Braucht einen Alba; daß er diesen braucht,

Das ist es nicht, warum ich ihn beneide.

Sie sind ein großer Mann. – Auch das mag sein;

Ich glaub es fast. Nur, fürcht ich, kamen Sie,

Um wenige Jahrtausende zu zeitig.

Ein Alba, sollt ich meinen, war der Mann,

Am Ende aller Tage zu erscheinen!

Dann, wann des Lasters Riesentrotz die Langmut

Des Himmels aufgezehrt, die reiche Ernte

Der Missetat in vollen Halmen steht

Und einen Schnitter sonder Beispiel fordert,

Dann stehen Sie an Ihrem Platz. – O Gott,

Mein Paradies! mein Flandern! – Doch ich soll

Es jetzt nicht denken. Still davon. Man spricht,

Sie führten einen Vorrat Blutsentenzen,

Im voraus unterzeichnet, mit? Die Vorsicht

Ist lobenswert. So braucht man sich vor keiner

Schikane mehr zu fürchten. – O mein Vater,

Wie schlecht verstand ich deine Meinung! Härte

Gab ich dir schuld, weil du mir ein Geschäft

Verweigertest, wo deine Alba glänzen? –

Es war der Anfang deiner Achtung.

ALBA.

Prinz,

Dies Wort verdiente –

CARLOS auffahrend.

Was?

ALBA.

Doch davor schützt Sie

Der Königssohn.

CARLOS nach dem Schwert greifend.

Das fordert Blut! – Das Schwert

Gezogen, Herzog!

ALBA kalt.

Gegen wen?

CARLOS heftig auf ihn eindringend.

Das Schwert

Gezogen, ich durchstoße Sie.

ALBA zieht.

Wenn es

Denn sein muß.


Sie fechten.[60]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 56-61.
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