Neunter Auftritt


[117] Der Marquis allein.


Wohl gesprochen, Herzog. Nützen

Muß man den Augenblick, der einmal nur

Sich bietet. Wahrlich, dieser Höfling gibt

Mir eine gute Lehre – wenn auch nicht

In seinem Sinne gut, doch in dem meinen.


Nach einigem Auf- und Niedergehen.


Wie komm ich aber hieher? – Eigensinn

Des launenhaften Zufalls wär es nur,

Was mir mein Bild in diesen Spiegeln zeigt?

Aus einer Million gerade mich,

Den Unwahrscheinlichsten, ergriff und im

Gedächtnisse des Königs auferweckte?

Ein Zufall nur? Vielleicht auch mehr – Und was

Ist Zufall anders als der rohe Stein,

Der Leben annimmt unter Bildners Hand?

Den Zufall gibt die Vorsehung – zum Zwecke

Muß ihn der Mensch gestalten. – Was der König

Mit mir auch wollen mag, gleichviel! – Ich weiß,

Was ich – ich mit dem König soll – und wärs

Auch eine Feuerflocke Wahrheit nur,

In des Despoten Seele kühn geworfen –[117]

Wie fruchtbar in der Vorsicht Hand! So könnte,

Was erst so grillenhaft mir schien, sehr zweckvoll

Und sehr besonnen sein. Sein oder nicht –

Gleichviel! In diesem Glauben will ich handeln.


Er macht einige Gänge durch das Zimmer und bleibt endlich in ruhiger Betrachtung vor einem Gemälde stehen. Der König erscheint in dem angrenzenden Zimmer, wo er einige Befehle gibt. Alsdann tritt er herein, steht an der Türe still und sieht dem Marquis eine Zeitlang zu, ohne von ihm bemerkt zu werden.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 117-118.
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