Sechster Auftritt.

[332] Faust. Rosalinde. in einer sehr verfürerischen, reizenden Kleidung.


ROSALINDE sie bleibt in der Ferne stehen, tritt zu des Doktors Klavier, und singt.

Rosen blühen, Nelken düsten,

Balsamhauch schwimmt in den Lüften,

Wolgeruch steigt auf vom Tal,

Frende winket überall.

Lerchen trillern, Nachtigallen

Lassen süsse Lieder schallen;

Liebe winkt, o Jüngling! dir:

Höre sie, und folge ihr!

FAUST aus seiner Verzweiflung erwachend. Was ist das? welche zauberische Töne! Erblikt Rosalinden und färt zusammen. Ha das ist sie! Mit trunkenem Auge an ihr hangend. Himmel, welche Schönheit! Das Lüchein der Liebe schwimmt in ihren Augen, auf ihren Wangen glüht Morgenrot, und auf ihren Lippen Florens Kinder. Plözlich sich abwendend. O ich darf sie nicht länger ausehn, oder ich bin verloren.

ROSALINDE näher tretend. Sieh mich an, liebenswürdiger Sterblicher; las dich mein Auge zur Liebe laden.[332]

FAUST mit abgewanten Gesicht, mit einer Bewegung des Entfernens. Weg, Weib des Verderbens, weg!

ROSALINDE seine Hand ergreifend. Ich dich verderben? womit sollt ich das? Mit diesem Blik voll Liede? Sich mich doch an!

FAUST wie oben. Weg!

ROSALINDE. Nur einen Blik! Faust hat den Blik zur Erde gesenkt, sie fast ihn an dem Kinn, und hebt ihm das Gesicht in die Höh. Nur einen! sieh mich an.

FAUST mit der Leidenschaft kämpfend, aber noch immer den Blik abgewant. Weh mir! mit dem Berüren ihrer Finger schlagen elektrische Funken in meine Seele. O was wirds erst werden, wenn ihre Augen den meinigen begegnen? Mit beiden Händen ihre Hand fassend, den Blik immer auf die Erde. Weib, las mich! willst du mich nicht ins Elend stürzen?

ROSALINDE. Dich ins Elend stürzen? Ihm abermal das Gesicht in die Höhe hebend. Närrchen, sieh doch her.

FAUST mit einem Blik auf sie, wie versteinert. Himmel und Seligkeit, was für ein Glanz!

ROSALINDE. Nun, war das ein Blik voll Verderben?[333]

FAUST halb in Entzükkung, halb in Verzweiflung. Ja, ja! mit all dem Elisium, das aus ihm stralt – Weib, als der Schöpfer dich bildete, schlug er einen Funken aus der Sonne, und schuf dein Auge. Aber las mich, du bringst mich um Ruh und Glükseligkeit, giessest Verzweiflung in meine Seele.

ROSALINDE. Glaubst du, daß ich das könnte – mag dirs dieser Händedruk sagen.

FAUST. Las mich, las mich! Ich füle durch alle meine Adern verderbendes Feuer.

ROSALINDE. Wart, ich wills löschen. Küst ihn. Widersteh mir nun länger, wenn du kannst! – Seine Hand fassend. Deine Hand bebt – du zitterst – O las gut sein, bald soll dein Zittern schwinden. Höre: Sie tritt ans Klavier, spielt und singt mit der verfürerischsten Melodie.

Hörst du nicht in Rosenbüschen

Nachtigallen Liebe singen?

Hörst du nicht aus Liliennischen

Leise Weste Liehe zischen?

Hörst du nicht auf Rasensizzen

Stille Grillen Liebe schwirren?

Nicht auf grüner Bäume Spizzen

Stille Täubchen Liebe girren?

Warum sollten Rosen glühen,

Warum Nelk und Lilien blühen?[334]

Sollst sie brechen, ihren Dust

Liebeatmend in dich ziehen!

Warum wär auf meinen Wangen

Sonst der Früling aufgegangen?

Sollst sie küssen, sollst in Küssen

Ganz in Seligkeit zerfliessen;

Darum winkt dir Liebe hier,

Und du widerständest ihr!

FAUST vom Zauber ihrer Stimme auser sich, ganz in trunkner Ekstase versunken, stürzt zu ihren Füssen, fast ihre Hände, drükt sie an seine Lippen, und ruft. Nein! ich widersteh nicht länger, Zauberin, ich widersteh nicht länger, vermag nicht! Ich bin dein, auf ewig dein. O las mich nun hangen an deinen Lippen, vergehn im Wonnegenus! las mich!

ROSALINDE auf einen Augenblik von seiner Schwärmerei angestekt, drükt ihm die Hand, neigt sich zu ihm herab, zieht sich aber plözlich zurük, und schlägt ein Gelächter auf. Hab ich dich? Armer Faust – der Teufel und das vermeinte schöne Weib, dem du die Hände drükst, sind eins!

FAUST mit Entsezzen ausspringend. Eins? –

ROSALINDE. Eins! Nun bist du mein, und ich lasse dich nicht, lasse nicht ein Fäserchen von dir. Da ist dein Kontrakt, mit deinem Blut unterzeichnet, du bist mein![335]

FAUST wild, verzweifelnd die Hände ringend. Wehe! Wehe! Elend ohne Ende! Jammer und Qualen ohne Namen! Bitter und heftig. O du hämischer, Schadenfroher Teufel.

ROSALINDE in ihrem wahren Ton. Nein Doktor, kein Schadenfroher, ein rechter Spashafter Teufel, ein rechter guter Teufel. Hören Sie mich nur, Doktor: kennen Sie nicht in ihrer Nachbarschaft eine junge Frau, Namens Rosalinde, eine Oberstenwitwe?

FAUST. Deren Bruder bei mir im Hause wont?

ROSALINDE. Die nemliche! Kennen Sie sie?

FAUST. Dem Namen nach, ja. Man hat mir viel von ihrer Schönheit gesagt, und ihr Bruder viel von ihrem Geiste.

ROSALINDE. Nun, Herr Doktor, der Student, der heut bei Ihnen hören wollte, der Teufel, den Sie zitirten, das schöne Weib, das er Ihnen über den Hals schikte, und diese Rosalinde Mit einem tiefen Kniks. machen Ihnen ihr Kompliment, denn alle sind eins.

FAUST. Was? –

ROSALINDE. Ja, Herr Doktor, ganz richtig. Ich hatte mich in Sie verliebt. Ihre Narrheit mit den Geisterzitazionen ging mir zu Herzen; ich entschlos mich, Sie zu kuriren, und da spielt ich Ihnen denn die Komödie. Wenn Sie sich nun einem Teufel, wie ich, mit Leib und Seel[336] ergeben, und zum Rekompens ein Vermögen von 50000 Thaler dafür nemen wollen, so steh ich zu Befel. Und, daß Sie nur nicht etwa Anstand nemen: da ist Ihr Kontrakt, Sie dürfen nicht zurük!

FAUST voll Entzükken ihre Hand ergreifend. Weib! Engel! o wie schön hast du mich von meiner Torheit geheilt – Und du könntest mich lieben?

ROSALINDE. Ueber die Frage! Wozu denn alle meine Maskeraden, wenn Liebe nicht im Spiel war?

FAUST sie in seine Arme fassend. O so darf ich? gütiges, himmlisches Weib! daß ich nicht sterbe für Freude!

ROSALINDE. Sachte! mit der Freude wäre mir nicht gedient. Ueberlassen Sie das unsern Poeten, lieber Doktor, die sterben so gern für Ihre Damen. Auch bin ich keine grausame Prinzes. – Und nun kommen Sie mit zu meinem Bruder – auch der war einer von den Teufeln. Er mus doch wissen, daß der Teufel den Doktor Faust wirklich geholt hat. Nicht wahr? –

FAUST. Tor, der ich war – und bin nun so glüklich! Verdien ichs? –


Sie gehen ab.
[337]

Quelle:
Schink, Johann Friedrich: Der neue Doktor Faust, eine Plaisanterie mit Gesang in zwei Aufzügen. In: Zum Behuf des Teutschen Teaters, Erster Beitrag, Graz 1782, S. 303–337, S. 332-338.
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