Dritter Auftritt.

[68] Der Sultan und Hanswurst.


DER SULTAN.

Erfahr so eben in meinem geheimen Consell:

Was maaßen Du lumpigter Gesell

Dich hast empört wieder's Landes Sitten,[68]

Und drob, daß man Dich hat verschnitten,

Gar schreklich hast die Nase gerümpft,

Getobt, gesprudelt und geschimpft.

Weist wol, Du Hund, daß ich dafür

Dich könnt' rädern lassen nach Gebühr

Die Knie zerquetschen und Hals umdrehen

Und 's würd weder Hund noch Hahn nach krähen.

HANSWURST.

O ja, ich zweifle nicht daran

Denn wenn's drauf ankömmt, werthster Herr Sultan:

Einem Geschöpfe das aus dem Schoos der Natur

Rein und untadelhaft niederfuhr

Grade und hoch, und edel und eben

Einem solchen Geschöpf einen Knix zu geben

Daß es nicht mehr kann grade gehn;

Sein ganzes Urwesen so verdrehn

Daß aus der edlen hohen Natur,

Wird 'ne abscheuliche Karrikatur,

Daß jedem schaudert, sieht er sie,

Das ist was leichtes für ein Genie.

Da les't nur einmal die Kreuz und die Quer

Was so in jeder Messe daher

Auf dem Meere der Schreibsucht kommt geschwommen.

Heida! was werdt Ihr zu schauen bekommen:

Frazengesichter statt Menschengeschöpfe[69]

Zekrazt, zerstümmelt am ganzen Leib

Geschöpfe weder Mann noch Weib.

Das ist Euer Werk, Ihr großen Köpfe,

Um Euer Genie zu beweisen, verkehrt

Ihr Mutter Natur ihr ganz System;

Was oben soll sein, bringt Ihr unten her,

Was grade ist, stellt Ihr die Quer,

Macht's Euch recht leicht, und hübsch bequem.

Euch kümmert's nicht, ob's wehe thut;

Genug wenn's Euch behagt und Eurem Genie,

So ist's schon recht, so ist's schon gut.

Da sezt Ihr ohne Sorgen und Müh

Hin schwarze Farb, wo stehn solte weis,

Und wo der Kopf steht, hin den Steis.

Des freu'n sich die Herren Kritici,

Und schrei'n denn laut: Ha! seht das Genie!

Das ist doch Macht der Phantasie!

Der Kerl geht nicht den graden Weg

Den alle vernünftgen Leute gegangen

Die gehn nur den gebahnten Steg

Und nur wo ihre Nasen hinhangen;

Die aber marschiren den Sonnenweg

Springen über Graben und über Höhen

Sind verwogen genug in die Sonne zu sehen

Fall'n dann freilich aus der Höhen

Ganz gottesjämmerlich in'n Drek.

Doch das thut keinem Genie was.

Ist 's auch von Unrath voll und nas:

So steht's wieder auf: die neuern Genieen[70]

Mus man sehr oft aus dem Sumpfe ziehen.

Auch riechen die neuen Geschöpfe, die sie

Mit ihrer Götterschöpferkraft machen,

Meistens nach Sumpf, und modrichten Lachen:

Ist eben ein Beweis von ihrem Genie.

Aus allem dem nun folget Herr Sultan,

Daß weil Euch die Natur begeniet,

Euch 's Menschenverstümmeln sehr ähnlich sieht.

Zweifl'n keinen Augenblik daran.

DER SULTAN.

Muß viele Geduld Kerl, mit Dir han.

Dein Glük ist's noch, Du saubrer Gast,

Daß Du 'ne Tochter bei Dir hast,

Das Mädel gefällt mir über die Maaßen

Werd mich noch heut herunterlassen,

Sie zu entjungfern, das Jüngferlein.

HANSWURST.

Wird 'ne große Ehre für mich sein.

Es ist nun jezt so Mode auf Erden:

Daß alle Jungfern Huren werden.

Das kömmt von der neuen Erziehung her.

DER SULTAN.

Das Maul gehalten, Er Schwäzer Er!

Geh' Er an Sein Amt. Geh hin bewache

Mir mein Serail, Dein Mädel schik her:

Daß ich Ihr meinen Antrag mache.[71]

HANSWURST.

Ach, armer Hanswurst! was wird aus Dir werden?

Mit Dir ist es nun aus auf Erden,

Vertrieben vom Theater durch ein groß Genie

Verstümmelt, verschnitten von 'nem Genie dazu

O hol sie der schwarze Höllenbubu,

Die großen Genies, die Hunde die!


Ab.


Quelle:
Johann Friedrich Schink: Marionettentheater. Heidelberg 1925, S. 68-72.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Jenny

Jenny

1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon