Erster Auftritt.

[101] Kanonierstrasse, Morgens nach 9 Uhr.


HANSWURST in seiner gewönlichen Tracht, aber schreklich zerlumpt. Schu und Strümpfe zerrissen. Hat sich, müde von seinem Marsch aus der Türkey, auf die Erde gelegt, und schläft. Die Nimfen der Strasse leeren ihre Nachttöpfe aus, Hanswurst wacht dadurch auf.

Da bin ich nun wieder in dem Berlin,

Das mich vor kurzem hies von sich ziehn –

Was hab' ich nicht alles seitdem gelitten,

Wie hat mich Fortuna zusammengeritten.

Geehrt, vergöttert in diesem Land,

Hatt' s liebe Publikum an der Hand,

Lies sich in allen Stükken von mir leiten,

Sah' was ich that und began mit Freuden.

Auf einmal hatt's mich übersatt

Warf mich vom Trone, zerschmis mir das Gat

Da must' ich mit hölzernen Hinterbakken,

Ich armer Lump, zum Teufel mich pakken.[101]

Herr Stoffel Knips zu Salzburg, mit Gunst,

Behagen fand an meiner Kunst,

Und weil er mein Genie verspürte,

Mich alsbald in sein Haus einführte.

Madam, sein wertes Ehgemahl,

Mit ihrer schönen Augenstrahl,

Mich zwang dem Herrn Ehgemahl

Die breite Stirne ein wenig zu zieren.

Doch, leider! zu dem Duodram

Herr Stoffel bald dazwischen kam.

Und da er nie Philosophie thät studiren,

Vermocht' er nicht, sich zu regieren.

Fing an, mich weidlich auszuschmieren,

Und warf mich da, samt seinem Weibe,

Ohne Hosen, mit halbnacktem Leibe,

Ganz Zorn und Glut zum Hause hinaus.


Pathetisch aus der Brust und hol.


O Zorn, wie garstig schaust du aus!

Hat wol recht, der weise Seneka,

Der dich nennt eine Bestia.

Herr Stoffel Knips, durch Dich so klein

Und winzig ward, wie 'n Mäuselein.

Da lob' ich die große Städt mir fein,

Komt da der Mann hinter so was drein

So läst ers gehn, so läst ers sein

Nimt drum Genies zu sich herein

Und schöne Geister aller Art,

Daß sie mit seinem Weibelein

Das neue Duodram exerciren –[102]

Gerät auch niemals drob im Zorn,

Hat ihm sein feines Liebchen zart

Die Stirn geziert mit einem Horn:

Dazu wird ja der Mann gebor'n.

Was hilft's denn da Geschrei verführen.

Ein Weib für sich nur haben allein,

Mag Mod auf Dörfern und Flekken sein

Wo kein Geniegeist sich aufhält.

Doch anders ist's in der grossen Welt.

Da zeigt's von einem noblen Gemüt,

Wenn man auf eines Ehemanns Stirn

Ein Horn hervorgewachsen sieht.

Drum man auch nirgends so viel Rind,

Als in den großen Städten find't.

Und nur ein Mann, der nicht hat Hirn,

Nie mit Genies ist umgegangen,

Der kan für sich ein Weib verlangen.

Ein Weib ein öffentlich Bierhaus ist,

In dem die Menschen von allen Nationen,

Der Türke, der Heide, der Jude und der Christ,

Aus jedem Lande, wie sie da wonen

In Libia, und Pamphilia,

In Asia, und Amerika

Sich aller Rechte können bedienen –

Vivant die grösten Städte all,

Vivat Berlin, 's soll blüh'n und grünen.

Es ist der Sammelplaz der Musen,

Hat schöne Formen, hat schöne Busen,

Hat Venustempel überall[103]

Ist reich an hoher Tugenden Glanz,

An Menschenlieb und Toleranz –

Hätt' Herr Stoffel Knips auch so gedacht,

Hätt's nicht so bunt mit mir gemacht;

So aber zerhaut er mich jämmerlich

Da muste armer Lumpe ich

Mich lassen in die Türkei hinführen,

Da thäten sie mich denn kastriren,

So kam ich denn um alles gar,

Ich armer Schelm, nicht genug es war,

Daß ich mein hölzern Gat verloren.

Zum Glük hab ich noch Nas' und Ohren.

Auch darum wär' ich bald gekommen,

Hätt' ich nicht schier die Flucht genommen.

So bin ich denn nun nach vielem Leid

Zerschlagen, zerkrazt, verstümmelt, verfumfeit,

Berlin, in Deinem Schooße wieder;

Wieder bei Euch, liebwerten Brüder,

Und theure Gevattern! Bin kürzlich zwar

Von Euch verstossen, und gestaubbes't worden –

Seid Feinde geworden von meinem Orden

Der Euch so wert, so lieb sonst war.

Jedoch wer weis, die Zeiten ändern:

Bald puzt sich's Weibsen mit bunten Bändern,

Bald trägt es Federn eine Elle lang:

Drum ist mir eben auch nicht bang',

Daß Ihr vielleicht, seht Ihr mich wieder,

Liebe Gevattern, und theure Brüder,

Vor Freuden ruft: da ist e ja,[104]

Unser bester Kumpe, hopsasa!

Und mich mit Freuden und Klatschen und Schrein,

Wiedernehm't in Euren Zirkel hinein.

Mus nun mein Heil ein wenig probiren,

Denn länger kan hier nicht steh'n und frieren,

Ich hab' kein ganzes Hemde auf'm Leib,


Wird ein Weibsen am Fenster gewahr.


Heda, da kukt ja schon ein Weib.

Das ist gewis 'n französche Komödiantin,

Sie hat so 'nen runden Unterkin,

Ist so gemästet, und so fette

So recht gemacht für Tisch und Bette,

Hat sich die Bakken so rot beklekt,

Sieht über und über, als wär sie gelekt

Und ihre werten lieben Naturgaben

Hat sie gar statlich aufgedekt –

Der Teufel! Die muß viel Gage haben,

Man merkt's, daß ihr's recht herlich schmekt.

Nun weil ich doch ein Kammerad bin,

So will ich doch mal gehen hin.


Geht an das Haus aus dem's Dämchen rauskukt.


Liebwerte Madame, vermutlich seid Ihr

Ein' Königin, oder sonst was hier:

Steht's Abends, mit grossen Reifen und Schleppen,

Mit grossen Federn und langen Kreppen,

In ein'm Stück von Kornelje und Voltaire

Auf'm Theater – Bei meiner Ehre!

Ich freu' mich recht sehr Sie kennen zu lernen.

Bei Ihrer Augen schönen Sternen![105]

Und Ihres breiten Busens Pracht

Bei Ihres Bauches gewaltiger Macht

Beschwör' ich Sie mich anzuhören,

Und mir Ihr Mitleid zuzukehren –

DIE DAME am Fenster.

Sie irren Sich, mein Herr, ich bin

Ganz und gar keine Theaterprinzessin.

HANSWURST.

Und hätt' doch schier drauf geschworen!

Sehen mein Treu vom Fuß bis zu den Ohren,

Natürlich, wie 'ne französ'sche Aktrise aus –

Sie legen die Brüste so weit heraus,

Färben sich mit Zinnoberrot,

Wakkeln wie ein Kutschpferd mit dem Kopfe

Schielen einem nach dem Hosenknopfe.

Sie machen das alles, so lieblich und schön,

Wie ich nur je bei 'ner Französin gesehn.

Drum dacht' ich auch – 's ist ganz gewis:

Madam ist ein französ'sche Aktris!

Doch, wie ich seh hab' ich mich betrogen.

DAME am Fenster.

Französ'sche Aktrise oder nicht,

Bin Ihnen deswegen doch von Herzen gewogen,

Und wenn Sie Sich wollen bemühen herrauf,[106]

So können Sie, mein Herr, mein lieblich Gesicht,

Und meinen Busen gar voll und schön,

Und was ich nur hab', in der Nähe besehn,

Dekke gern alles, mein Herr, Ihnen auf.

Sie haben etwas in Ihrem Gesicht,

Dem kein Weibsbild widerstehn nicht

Kan – es ist Ihre Nase, junger Held.

HANSWURST beiseit.

Ach! arme Hur, da wirst du geprelt,

Was meine Nase Dir prophezeit

Abiit exessit zu dieser Zeit.

Indessen, will ich nauf zu ihr gehen,

Und ihr was abzukapern sehen –

Weil Sie befehl'n Madam, so komm' ich hinauf.


Quelle:
Johann Friedrich Schink: Marionettentheater. Heidelberg 1925, S. 101-107.
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