Das 49. Capitel.
Wer über Tisch einen zerbrochenen Teller bekömmt /der verlieret selbigen Tag einen Dreier.

[98] Was hat doch der Dreyer für Verwandschafft mit einem Teller? solte es irgend der runten Figur wegen seyn / so würden noch viel andere runte Sachen dergleichen Eigenschafft haben. Es kan aber diese Meynung auch ohne dem darum nicht statt finden / weil ja ein gantzer Teller so wohl rund ist / als ein zerbrochener. Jedoch wird hier die Schuld der Verliehrung eines Dreyers nur allein auf einen zerbrochenen und nicht auf einen gantzen Teller gelegt; muß also die Ursach vom Bruch des Tellers alleine herrühren. Warum eben der Bruch eines Tellers / und nicht eben so wohl auch eines andern zerbrochenen Dinges / diese Krafft haben soll / ist ein Geheimniß / welches meinem Verstande zu hoch ist. Jedoch vermeine ich / wenn eine Compagnie guter Freunde beysammen über Tisch sässen und spielten / ein ieder hätte einen Teller für sich / das Geld darauf zu legen / so könne dem / der einen[98] zerbrochenen Teller hätte / gar leicht ein Dreyer durch den Bruch hindurch schlupffen / und verlohren werden; ob man aber deßwegen eine universal-Regul draus machen könne / daß allemahl derjenige / der über Tisch einen zerbrochenen Teller bekomme / selbigen Tag einen Dreyer verliere / das lasse ich alle Liebhaber der Wahrheit überlegen. Ich will zwar nicht widersprechen / das dem / der einen zerbrochenen Teller bekömmt / hierdurch ein Schaden zuwachsen könne / denn er kan sich hiermit die Brüh von der Speise auf die Kleider schütten; daß der Schaden aber eben in Verlierung eines Dreyers bestehen müsse / beredet mich noch zur Zeit niemand zu glauben.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 98-99.
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