Die Abschieds-Rede und letzten Willen des Alt-Vaters [242] Alberti Julii I.

Lieben Kinder und werthesten Freunde! Sehet, ich werde in wenig Tagen sterben, doch, GOtt wird mit euch seyn. Meine Seele ist, GOtt sey Lob und Danck gesagt, wohl berathen, denn ich bin versichert, daß sie GOTT gewiß zu Gnaden auf- und annehmen wird. Das Zeitliche hatte ich mir bereits aus dem Sinne geschlagen, jedoch auf Einrathen meines Beicht-Vaters, Herrn Mag. Schmeltzers, habe mir gefallen lassen, vor meinem Abschiede, euch noch mündlich meine Gedancken ein und anderer Dinge wegen zu eröffnen. Ich habe zwar schon vor einigen Jahren meinen letzten Willen zu Pappier gebracht, welcher sich unter meinen Scripturen finden wird, weiln sich aber seit der Zeit auf dieser Insul vieles verändert, vermehret und verbessert hat, so verlange ich nicht, daß man sich eben in allen Puncten darnach einrichten solle, ich will aber auch nicht, daß man dieses Manuscript gantz und gar hinweg werffe, denn die Gesetze, Anweisungen und Vermahnungen, so ich darinnen gegeben, sind zum Theil noch wohl Betrachtens-würdig, obschon einige derselben unnöth- und überflüßig sind.

Das wenige, was ich etwa noch anzuordnen habe, ist dieses:[243]

1.) Soll mein erstgebohrner Sohn Albertus Julius II. nach meinem Tode auf diesem meinem Stuhle sitzen, und an meiner Statt das Ober-Haupt auf dieser Insul seyn. Nach dessen Tode folget ihm sein Sohn Albertus III. weiter aber soll sich das Recht der Erst-Geburth nicht erstrecken, sondern nach dem Ableben Alberti III. soll derjenige, welcher in den Stämmen meiner Söhne, die aus meinen Lenden gekommen sind, nehmlich Alberti, Stephani, Johannis, Cristophori und Christiani, am ältesten an Jahren erfunden wird, das Regiment haben. Jedoch ist meine Meinung im geringsten nicht, daß ein solches Ober-Haupt als ein souverainer Fürst regieren und befehlen solle, sondern seine Macht und Gewalt muß durch das Ansehen und Stimmen noch mehrerer Personen eingeschränckt seyn. Demnach sollen

2.) Neun Senatores oder Vorsteher der Gemeinen, und zwar aus jeglicher Pflantz-Stadt, wie sie itzt sind, bleiben, und nach deren Ableben allezeit andere Aeltesten und Vorsteher erwählet werden. Hiernächst sollen

3.) aus jeder Pflantz-Stadt noch 3. Beysitzer, nehmlich 1. Felsenburger und 2. Europäer, und zwar nicht nach dem Alter, sondern nach ihrem Verstande und Wissenschafft ausgesucht werden.

4.) Mein Vetter Franz Martin Julius, dessen Sohn Eberhard Julius, die Capitains Wolffgang und Wodley, auch Litzberg und van Blac, sollen wegen ihres besondern Verstandes und Geschicklichkeit bey dem gantzen Regimente, welches solchergestalt mit dem Ober-Haupte aus 37. Personen[244] bestehet, als Geheimbde Räthe stehen, und als Befehlshaber mit zu achten seyn.

5.) Was das Kirchen- und Schul-Wesen anbelanget, so sollen die 3. Herren Geistlichen freye und unumschränckte Macht und Gewalt haben, darinnen so zu disponiren, wie sie es vor GOTT und ihrem Gewissen verantworten können, wie ich denn schon versichert bin, daß sie, wie bißhero geschehen, nach Beschaffenheit der Zeit und Gelegenheit fernerhin alles wohl einrichten werden, derowegen sey derjenige verflucht, welcher sich ihren löblichen Unternehmungen widersetzt.

6.) Weiln auch zu befürchten, daß in künfftigen Zeiten etwa der Satan, auf GOttes Zulassung, wie im Paradiese, also auch auf dieser Insul die Menschen zu groben Sünden, Schanden und Lastern zu reitzen und zu verführen trachten werde, als zweiffele zwar nicht, es werden die Herrn Geistlichen alle Kräffte anwenden, demselben zu widerstehen, allein, es wird auch nöthig seyn, daß die Aeltesten mit Zuziehung der Herrn Geistlichen nach und nach, wie es nehmlich die Zeiten mit sich bringen werden, heilsame Gesetze und Ordnungen stifften, wornach sich ein jeder richten könne und solle.

7.) Wegen Bau- und Verbesserung des Zustandes auf dieser Insul, will ich euch, meine liebsten Kinder und Freunde, nichts vorschreiben, sondern alles eurem Fleisse und Klugheit überlassen. Lasset nur den Capitain Horn, welcher so viel Treue und Liebe gegen uns erzeiget hat, nicht unbelohnet, bedencket auch das Volck wohl, das er mit sich[245] führet, denn ihr habt keinen Mangel an zeitlichen Gütern.

8.) Nun will ich von dem reden, was mich allein betrifft: Begrabet meinen Leib an die lincke Seite meiner seel Ehe-Gemahlin, der Concordia, denn ihr erster Mann liegt ihr zur Rechten, und ich habe mir diese Städte schon seit vielen Jahren ausersehen.


Hier fiel Herr Mag. Schmeltzer ins Wort, und sagte, wie er in seinen Gedancken gehabt, daß, wenn der Alt-Vater nach GOttes Willen von dieser Welt abgefodert werden solte, denselben in die Kirche gleich vor den Altar begraben zu lassen. Nein! rieff hierauf der Alt-Vater: in das GOttes-Hauß gehören keine todte, sondern lebendige Cörper, lasset mich auf dem Gottes-Acker an der Seite meiner allerliebsten Concordia ruhen. Wie ihr es sonsten bey Beerdigung meines Cörpers halten wollet, darum bekümmere ich mich nicht, weil ich weiß, daß ihr mich liebet, darüber aber bin ich höchst erfreuet, daß ich mein schönes Todten-Kleid und Ruhe-Cämmerlein noch vor meinen lebendigen Augen habe.


9.) Wenn sich der itzo noch anhaltende Sturm legen und es wieder stille Wetter werden wird, werdet ihr mein Ende heran nahen sehen, lasset derowegen Morgen und Ubermorgen diejenigen zu mir kommen, welche mich noch sehen und den Segen aus meinem Munde empfangen wollen, auf den Sonntag aber werde ich beichten, das Heil. Abendmahl empfangen, hernach mich um das Zeitliche[246] nichts mehr bekümmern, sondern meine Auflösung in stiller Ruhe abwarten.

Hierauf segnete der liebe Alt-Vater einem jeglichen Stamm und alle Anwesenden mit Hertz-brechenden Worten, weßwegen fast jederman weinete, da er aber ins Bette gebracht zu werden begehrete, nahmen alle, biß auf etliche wenige, ihren Abtritt.

Folgende zwey Tage kamen aus allen Pflantz-Städten Alt und Jung herbey gezogen, und nahmen, ein Geschlecht nach dem andern, mit thränenden Augen und Küssung seiner Hände beweglichen Abschied von dem Alt-Vater, er aber ertheilete ihnen den Segen mit frölichen Geberden.

Sonntags Vormittags hielt Hr. Mag. Schmeltzer den GOttes-Dienst in seinem Zimmer, zu Ende desselben beichtete der Alt-Vater, und empfing das Heil. Abendmahl sehr andächtig, wolte aber nachhero nicht das geringste von Speise und Tranck zu sich nehmen, sondern er ließ sich den gantzen Tag über Wechsels-weise geistliche Lieder und Sterbe-Gebeter vorsingen und lesen. Nach verrichteten GOttes-Dienst unten in der Kirche, versammleten sich die Herrn Geistlichen und Alt-Väter zu ihm, allein, er ließ sich nicht in seiner Andacht stöhren, sondern verharrete stets im Beten und Singen.

Eben diesen Sonntag, den 8 Octobr. 1730, Abends gegen Untergang der Sonnen, fing der Sturm an, sich zu legen, welches der Alt-Vater sogleich vermerckte, und mit annoch ziemlich starker Stimme sprach: Meine Seele wird noch vor Mitternacht bey GOtt seyn, inzwischen haltet an im Gebet. Die Herren Geistlichen[247] beteten und sungen also Wechsels-weise, was ihnen der Geist eingab, der Alt-Vater hatte die Augen verschlossen, rührete aber noch immer die Lippen biß gegen 10. Uhr, da wir erstlich, indem er Herrn Mag. Schmeltzern die Hand reichte, vermerckten, daß ihm die Sprache vergangen war, und er immer schwächer zu athemen anfing, jedoch der Verstand war noch vollkommen da, weil er auf etliche Fragen, die Hr. Mag. Schmeltzer noch an ihm that, das Haupt neigete, und die Hände aufhub: Derowegen segnete ihn derselbe ein, und gleich, nachdem der Seiger II. geschlagen, trennete sich die Seele von seinem Cörper, welcher doch nicht das geringste Zeichen einiges Schmertzens, etwa mit Zucken oder sonsten von sich gegeben hätte, sondern es blieb ihm nur der Mund offen stehen.

Nunmehro ging das Lamentiren und Weh-Klagen bey Grossen und Kleinen erstlich recht an, allein, die Herren Geistlichen redeten allen tröstlich zu, so, daß sich die meisten auf die Seite machten, und ihre Klage in Geheim führeten. Wir aber, die wir in etlichen Tagen und Nächten daher sehr wenig geschlaffen hatten, bestelleten andere Wächter bey die Leiche, und legten uns nieder, um etwas auszuruhen.

Gleich mit Aufgang der Sonnen wurde dieser Trauer-Fall allen Insulanern mit 12. Canonen, da immer eine, eine Minute nach der andern, abgefeuert wurde, kund gethan, auch wurden Mittags von 11. biß 12. Uhr alle Glocken auf dem Kirch-Thurme geläutet, und damit 6. Wochen nach einander fortgefahren, da denn Capitain Horns ehemahlige[248] Sclaven sich zu dieser Arbeit sehr fleißig einfanden. Noch dieses Montags musten die Maurer, unter Anweisung Mons. Litzbergs, auf dem Gottes-Acker, und zwar auf der Stätte, die sich der sel. Alt-Vater neben seiner Concordia Grabe erwählt hatte, ein gemaurtes und gewölbtes Grab zu machen anfangen, inzwischen wurde die Leichè angekleidet und in den Sarg gelegt, indem fand sich unser Mahler Hollersdorff ohngeruffen von selbsten herbey, und zeichnete des sel. Alt-Vaters Gesichts-Bildung ab, welches mir und vielen andern um so viel desto angenehmer war, weil sich in diesem Betrübnisse niemand darauf besonnen hatte. Donnerstags ging die Beerdigung vor sich, und der Zug fast auf eben die Art, wie am Jubel Feste, nur daß die Kinder und Jungfrauen alle weiß, die Weiber und übrigen Manns-Personen, sowohl ledige als verheyrathete, alle in schwartzer Kleidung erschienen. Die Leiche wurde nicht getragen, sondern auf einem mit schwartzen Tuche behangenen Wagen gefahren, wie denn auch die 4. Pferde schwartze Decken aufliegen hatten. So bald der Zug von der Albertus-Burg herunter ging, wurden 12. Canonen gelöset, hernach, da wir mitten im grossen Garten waren, abermahls 12. Canonen, und endlich, da der Sarg in das Grab gesetzt wurde, zum dritten mahle 12. Canonen abgefeuert, auch mit Lauten der Glocke nicht eher inne gehalten, biß wir alle wieder zurück auf die Albertus-Burg kamen.

Die Leichen Predigt und übrige Andacht, auch Ehren-Bezeugungen, waren ausgestellt biß künfftigen Sonntag, da Herr Mag. Schmeltzer[249] dem seligen Alt-Vater eine ungemein vortreffliche Leichen-Predigt über dessen selbst erwählten Leichen-Text hielt. Es erschien zwar alles in Trauer-Habit darinnen, allein, es war weder Cantzel, Altar, Tauff-Stein, Orgel noch sonsten etwas mit schwartzen Tuche bekleidet, sondern in der Kirche blieb alles in seiner behörigen Ordnung, wie es war. Vor der Leich-Predigt wurde mit gedämpfften Instrumenten und dem Orgel-Wercke eine bewegliche Cantata, nach derselben aber eine Trauer-Ode musiciret, es hatte auch bey öffentlichen Gottes-Dienste die Kirchen-Music GOtt zu Ehren alle Sonntage ihren Fortgang, sowohl als wie die Orgel zu den Choralen immerfort gespielet wurde, so, daß dieser, obschon grosse Trauer-Fall, bey dem, was GOtt zu Ehren sonst gestifftet worden, dennoch nicht die geringste Aenderung machen solte.

Ausserdem aber war auf der Insul alles Volck sehr niedergeschlagen und betrübt, und kamen die hauptsächlichsten Besorgungen auf die Capitains Wolffgang, Wodley, Horn und Mons. Litzbergen an, als welche alles unumgänglich nöthige veranstalteten.

Am 23 Octobris, nahm unser nunmehriger Aeltester und Regent, Albertus Julius II. auf der Vorsteher und unser aller Einrathen, die so genannte Huldigung von allen Stämmen ein, und es wurden dieselben, weil es sehr schön Wetter war, auf dem grünen Taffel-Platze gespeiset, kehreten aber mit Untergang der Sonnen jeder in seine Behausung, und es ging wegen der tieffen[250] Trauer gantz stille zu. Bey dieser Gelegenheit wurden nicht nur die bißherigen Aeltesten der Stämme in ihrem Amte bestätiget, sondern auch aus jeder Pflantz-Stadt nach des seeligen Alt-Vaters Willen 3. Beysitzer erwählet und dieselben bestellet, wenigstens voritzo eltliche Wochen hintereinander, allezeit Donnerstags nach angehörter Predigt auf der Albertus-Burg zu erscheinen, um das gemeine Beste zu berathschlagen. Ein jeder Stamm gab demnach ein, was in seiner Pflantz-Stadt annoch voritzo vor der Erndte höchstnöthig zu bauen und zu verbessern sey, ingleichen kam in Vorschlag, daß neben der Kirche etliche geraumliche Häuser vor die 3. Herrn Geistlichen, Informatores, insonderheit auch ein besonderes Schul-Hauß vor diejenigen Knaben erbauet werden solte, welche sich nicht auf das Haus-Wesen, sondern auf die Theologie und ander hohe Studia legen wolten. Allein, ehe wir alles dieses Bau-Werck noch anfingen, erfuhren wir zu gröster Verwunderung, daß uns ein unverhofftes Stück Arbeit vorgekommen war; denn es hatte sich der letztere Sturm-Wind in der Bucht, wo Capitain Horns Schiff lag, dergestalt gefangen, daß es von allen Seilen und Anckern loß gerissen, und dergestalt an die Felsen-Ecken geschleudert und zerstossen war, daß diese gantze grosse Machine fast gäntzlich wandelbar und unbrauchbar worden, worbey am meisten zu bedauern, daß 4. Canonen mit der Wand heraus gefallen und versuncken waren. Capitain Horn krauete sich zwar ziemlich im Kopffe dieses Unglücks-Falls wegen,[251] allein, wir redeten ihm zu, daß er sich dieserwegen keinen Kummer machen möchte, indem sein Schiff nicht allein wieder in vollkommenen Stand gestellet werden, sondern auch er, wenn er gleich mit seinen Leuten noch Jahr und Tag allhier verbleiben müste, doch eben so viel Profit haben solte, als wenn er eine 3. jährige Reise nach Ost-Indien gethan hätte. Demnach muste er sich wohl zufrieden geben, das Schiff aber wurde aus der Bucht heraus geführet, und am Fusse unserer Felsen-Insul aufs Trockene gebracht. Sonsten waren die Boote auch ziemlich zerlästert, so, daß die zwey, mit welchen unsere Leute binnen wenig Tagen nach der Insul Klein-Felsenburg fahren und dasigen Gästen frische Lebens-Mittel bringen solten, ebenfalls erstlich ausgebessert werden musten.

Nachdem dieses geschehen, bekamen unsere Leute unter Anführung des Capitain Horns ihre völlige Ladung von Lebens-Mitteln, kamen aber noch selbigen Abends mit der Nachricht zurücke, daß sich 9. Portugiesen, welche im letztern Sturme in dieser Gegend Schiff-Bruch erlitten, mit einem Boot bey den Matrosen auf der Insul Klein-Felsenburg eingefunden, weil sie daselbst Feuer und Rauch aufgehen sehen. Die Capitains Wolffgang und Wodley waren curieux, diese neu angekommenen Gäste zu besehen, zumahlen da sie höreten, daß ihr Capitain auch mit unter den Erretteten sey, derowegen bekam ich, nebst einigen andern, worunter sich auch Mons. van Blac befand, ebenfalls Lust mit hinüber zu fahren, und ihre Unglücks-Fälle anzuhören. Also nahmen wir wenig Tage[252] hernach etwas mehrere Delicatessen nebst etlichen Fäßlein von dem allerbesten Weine zu uns und fuhren hinüber, traffen auch die 9. Fremden mehrentheils vor ihrer Hütte sitzend an, welche, da sie uns vor etwas ansehnlicher als andere, vielleicht auch wohl gar vor strenge Befehlshaber ansahen, so gleich aufstunden und uns entgegen kamen. Mons. van Blac, welcher am besten mit ihnen Portugiesisch sprechen konte, bewillkommete sie in unserer aller Nahmen aufs freundlichste, und verdeutschte uns hingegen, was sie antworteten. Da aber eben dieser, weil er so lange kein Portugiesisch gesprochen, sich fast nicht satt schwatzen konte, sagte ich: Ey! Mons. van Blac! führet doch die ehrlichen Leute an das Ufer, oder lasset ihnen von unsern Boote das mitgebrachte abholen. Mein Herr! sagte er, unsere eigenen Leute sind schon beschäfftiget, alles herbey zu schaffen; es war auch wahr, und bald hernach speiseten wir mit 8. Portugiesen unter freyem Himmel, denn der 9te besorgte, als Koch, die Küche, und trug auch die Speisen, so er zugerichtet hatte, selbst auf. Da er nun fertig war und wir unsere mitgebrachten Confituren und Weine auch herbey brachten, wolte sich dennoch der Koch nicht setzen, sondern blieb dem van Blac gegen über stehen, und sahe ihn beständig in die Augen. Endlich brach ich loß, und sprach: Mons. van Blac, der gegen euch über stehende Koch, ist gewiß mit unserem Tractamenten oder der gantzen Aufführung nicht zufrieden, denn er siehet euch beständig ernsthafft an. Es kan seyn oder auch nicht seyn, antwortete hierauf der[253] Koch, aber, wenn der Herr van Blac sich satt gegessen hat, werde ich mir ausbitten, einige Worte mit ihm allein zu reden. Hiermit drehete er sich herum, und ging nach den Hütten zu. Der Portugiesische Capitain aber fing an zu sagen: Ja, meine Herren, keinen fleißigern, getreuern und Gottesfürchtigern Christen-Menschen habe ich Zeit-Lebens nicht gesehen, als diesen Koch, ohngeacht er nicht meiner Religion, sondern ein Holländer ist. Wie? ein Holländer? fragte Mons. van Blac. Ja, mein Herr, sagte der Portugiese, er ist ein gebohrner Holländer, und hat unsere Sprache binnen wenig Jahren doch dergestalt wohl gelernet, daß ihn jedermann vor einen Portugiesen hielte, wenn er nur nicht immer so tieffsinnig und traurig wäre.

Durch Ankunfft etlicher von Capitain Horns Leuten wurde dieser Discours auf etwas unterbrochen, da aber alles abgehandelt und jedermann vom Tische aufgestanden war, gingen wir alle ein wenig unter den Bäumen herum spatziren, mittlerweile kam offt gemeldter Koch wiederum zum Vorscheine, doch in weit sauberer Figur, denn er hatte nicht allein weisse Kleidung angezogen, einen artigen Türckischen Bund um seinen Kopff gemacht, sondern sein Gesicht, Hände und Arme sehr rein gewaschen, so, daß man an ihm eine ungemeine Zarte Haut betrachten konte.

Mons. van Blac blieb, so bald er den Koch in solcher Gestalt vor sich stehen sahe, als ein steinern Bild stehen; der Koch auch; endlich erholete sich Mons. van Blac und sagte: Mein Freund! wenn ihr ein Holländer seyd, so wird mirs auch[254] nicht fehlen, daß ihr aus dem Geschlecht meiner seligen allerliebsten Ehe-Frauen Charlotte Sophie van Bredal seyd, denn dieser ihre Gesichts-Bildung, die mir immer noch Tag und Nacht vor den Augen schwebt, kömmt mit der eurigen vollkommen überein. Ich schreibe mich van Bredal, antworttete der Koch, und kan vielleicht ein Freund von der Charlotte seyn, habe auch vernommen, daß sie einen unbekandten Menschen geheyrathet hat, aber wo ist die Charlotte hingekommen? Ach! schrye der van Blac, meine allerliebste Charlotte ist mir, nach erlittenem Schiff-Bruche, durch eine ungestüme Welle, da sie sich nebst mir auf einen Balcken gesetzt hatte, in der finstern Nacht von der Seite hinweg geschlagen und in die Tieffe des Meeres begraben worden. Hierbey stiegen dem van Blac die Thränen in die Augen, und er wäre gewiß umgesuncken, wenn wir ihn nicht erfasset und an einen Baum nieder gesetzt hätten. Der Koch sahe ihn starr an, so bald aber van Blac die Augen nur in etwas eröffnete, sagte der Koch: Mein Herr und Freund! ihr habt eines theils recht, andern theils aber seyd ihr irrig; denn eure Charlotte ist nicht in die Tieffe des Meeres begraben, sondern lebt noch, und hat das Vergnügen, euch wieder, ob gleich in Manns-Habit, zu umarmen. Unter diesen Worten umarmete und küssete sie ihn, fiel bey ihm nieder, und ließ nicht nach, biß er vollkommen wieder zu sich selbst kam.

Diese verwunderungs-volle Avanture setzte so wohl uns als den Portugiesischen Capitain in die gröste Erstaunung, und obschon dieser nicht so viel[255] von Mons. van Blacs Lebens-Geschichte wuste, als wir, so wunderte er sich doch über nichts mehr, als daß dieser Koch sein Geschlecht so lange zu verbergen, geschickt gewesen, indem kein Mensch auf dem Schiffe jemahls auf die Gedancken gerathen, daß unter seinen Kleidern ein Frauenzimmer versteckt sey.

Seyd ihr noch ledig, und im Stande, eure Charlotte wieder anzunehmen, sagte eben diese Charlotte zu ihrem van Blac, oder soll ich eure Person missen? Nein, mein Engel! antworttete dieser, nun solst du, und keine andere, mein Vergnügen seyn, weil ich auf dieser Welt lebe. Es wäre zwar fast geschehen, daß ich mich mit einer artigen unschuldigen Seele, in ein neues Ehe-Verlöbniß eingelassen hätte, allein, der Himmel hat solches durch andere betrübte Zufälle zurück gehalten, nunmehro aber hoffe ich ohne jener ihren Verdruß, und ohne fernere Unruhe, biß an mein Ende, mit dir allhier vergnügt zu leben, wenn du nur erstlich gesehen hast, was du dir itzo noch nicht einbilden kanst.

Ich Eberhard Julius hatte mein besonderes Vergnügen über diese gantz unverhoffte Zusammenkunfft dieser beyden Ehe-Leute; und zwar in Erwegung meines ehemahligen Schicksaals, schlich mich aber von der Compagnie hinweg, befahl meinen Felsenburgern, daß sie noch vor Nachts wieder zurück fahren, Morgen früh eiligst wieder kommen, und von der Frau Mag. Schmeltzerin ein, nach der Felsenburgischen Mode gemachtes vollkommenes Frauenzimmer-Kleid, mitbringen[256] solten. Nachhero liessen wir den höchsterfreuten van Blac nebst seiner Liebste, die in Wahrheit, ohngeacht aller ihrer ausgestandenen Kümmernisse, noch ein recht schönes Frauenzimmer vorstellete, im Grünen etwas allein, und höreten zu, was Capitain Horn mit seinen Untergebenen vor hatte. Diesen eröffnete er nun erstlich, was sich mit seinem Schiffe zugetragen, und daß man solches fast gantz von neuen würde bauen müssen; allein, selbige kehreten sich daran nicht, sondern sagten: Lieber Capitain, wir leiden hier keine Noth, und wenn es so fort gehet, so lasset uns so lange hier bleiben, biß es noch einmahl Sommer wird, binnen der Zeit wollen wir schon ein neues Schiff bauen. Diese Leute hatten meines Kopffs viel, derowegen fingen wir alle hertzlich an zu lachen, und ich versprach: daß, wo es ihnen gefiele, noch 2. Jahr und länger hier zu bleiben, sie an guter Speise und Tranck niemahls Mangel leiden solten. Sie waren hierüber sehr erfreuet, und versprachen, sich jederzeit als redliche Schiff-Leute aufzuführen. Indem wir aber einmahl beschlossen hatten, bey der zeitiger angenehmen Witterung selbige Nacht auf der Insul Klein-Felsenburg zuzubringen, lagerten wir uns alle in einer recht lustigen Gegend, und liessen Caffée zubereiten, worbey sich Mons. van Blac nebst seinem schönen Koche endlich auch einstellete. Mein Herr! sprach Mons. van Blac zu dem Portugiesischen Capitain, ich werde euch diesen Koch abspenstig machen, und ihn zu meinem Schlaff-Gesellen behalten, weil ich das allergröste Recht darzu habe; allein, saget mir, worinnen ich euch eine[257] Gegengefälligkeit erweisen kan. Der Portugiesische Capitain war höflich, und sagte: daß er über diese Person nichts zu gebiethen, sondern sich vielmehr zu gratuliren Ursache hätte, daß er dieselbe vor einigen Jahren nach erlittenen grausamen Sturme, an einer wüsten Stein-Klippe gefunden, beym Leben erhalten, und auf seinem Schiffe mit nach Ost-Indien nehmen können. Er bedaure zwar, daß sein Schiff in dem letztern Sturme mir vielem Gute und Volcke untergangen, wäre aber doch noch in etwas froh, daß er nebst diesen 8. Personen sein Leben gerettet, nach langen Herumfahren endlich diese Insul gefunden, und Hoffnung bekommen, daß man ihn wieder in sein Vaterland schaffen wolle. Wir versprachen diesem ehrlichen Manne alle möglichste Hülffe zu leisten, weil ich aber so neugierig war, der Frau van Blac wunderbare Lebens-Erhaltung zu vernehmen, als stillete sie meine und unser aller Couriositée mit folgender Nachricht:

Wie ich vernommen, sprach sie, so hat mein Liebster unser beyder Geschichte, seinen werthesten Freunden allhier schon ausführlich erzählet, derowegen will nur melden, daß, als mich, nach erlittenem Schiffbruche, die ungestümen Wellen auch nicht einmahl auf dem Balcken bey meinem Liebsten wollen sitzen lassen, sondern mich in der allerdunckelsten Nacht herunter geworffen hatten, ich meines Erachtens erstlich fast biß in den Abgrund versenckt, plötzlich aber wieder empor gehoben wurde, da mir nun alle Sinnen und Gedancken vergehen wolten, ich mich auch bereits dem Tode ergeben hatte, stieß ich mit dem Kopffe dergestalt hefftig an ein[258] Stück eines zerbrochenen Schiffs, daß ich, ohngeacht der Erkältung im Wasser, dennoch fühlete, wie mir das heisse Blut im Rücken herunter lieff, jedoch dieser Stoß, welcher mich vollends hinrichten können, dienete mir vielleicht zur Ermunterung, denn als ich meine Arme ausreckte, kriegte ich so gleich von ohngefähr einen eisernen Rincken zu fassen, an welchem ich mich vest anhielt, und also in der wilden See mit diesem Stücke fortgetrieben wurde, biß der helle Tag anbrach, da sahe ich nun, daß dieses ein sehr grosses und breites Schiffs-Stücke war, ersahe auch die Gelegenheit, mich darauf zu schwingen, und auf einer Ecke desselben sitzen zu bleiben, brauchte anbey die Vorsicht, daß ich einen breiten Saum von meinen Unter Kleidern abriß, ein Seil daraus drehete, und selbiges an meinem Arme sowohl als an den eisernen Rincken bevestigte, damit, wenn ich ja allenfalls wieder herunter geworffen würde, ich mir dennoch wieder hinauf helffen könte; allein, die See wurde selbigen Tages völlig stille, und ich wurde von einem sanfften Winde fort- aber weit von den Insuln des grünen Vorgebürges hinweg getrieben, so, daß ich dieselben noch vor Abends aus meinen Augen verlohr. Es brach abermahls eine dunckle Nacht ein, doch war See und alles ungemein stille, so, daß mich endlich mein Fahrzeug in einem sanfften Schlaff wiegte, dessen ich mich auch mit Fleiß nicht erwehren wolte, weiln nur wünschte, in selbigen ohne Marter mein Leben zu endigen, indem mir nicht allein das Wasser den Tod drohete, sondern sich auch in meinen Schubsäcken kaum auf 2. Tage NahrungsMittel[259] befanden. Mit aufgehender Sonne erwachte ich, und spürete, daß mir im Leibe ziemlich wohl war, nur die Wunde am Haupte fing mich an zu schmertzen, ich konte aber nichts daran thun, als dieselbe mit See-Wasser auswaschen. Es war dieses ein sehr heisser Tag, denn die Sonne brannte wegen der stillen Lufft gewaltig, derowegen plagte mich der Durst mehr als der Hunger, und ich meinete nichts anders, als daß ich verschmachten müste, jedoch die Güte des Himmels hatte in der folgenden Nacht mein Fahrzeug dergestalt an eine aus der See hervor ragende Klippe getrieben, daß ich gantz commode absteigen und an dieser Klippe hinauf klettern konte. Was mich am meisten ergötzte, war dieses, daß ich in einer Klufft derselben ein ziemlich Theil süß Wasser antraff, welches von dem neulichen Regen daselbst zusammen gelauffen war. Wenn ich sonsten diese Klippe beschreiben soll, so war sie, meines Erachtens, mit ihrer höchsten Spitze nicht höher als 50. biß 60. Ellen, und bey damahliger See etwa an ihrem Fusse 80. biß höchstens 100. Schritt im Umfange, allein, man konte nicht rings um dieselbe herum gehen, weil es als ein steiler Thurm und an theils Orten das Wasser gar zu nahe anschlug, an zwey Orten aber sahe man unten eine kleine Ebene von 10. biß 12. Schritten lang, aber nicht gar zu breit. Biß auf die halbe Höhe konte man diesen Felsen besteigen, und da fand sich ein Absatz, allwo, wie in einem Bette, 3. biß 4. Personen neben einander liegen konten, sonsten aber fanden sich wenig Stuffen, wo etwa 2. oder 3. neben einander hätten[260] stehen oder sitzen können. Ich erwählete mir dieses gemeldte steinerne Bette zu meinem Grabe, und war gesonnen, so bald ich vom Hunger und Durst ermattet wäre, mich dahinein zu legen, und mein Ende abzuwarten; allein, da ich mich Nachmittags wieder herunter an den Fuß des Felsens begab, fand ich nicht allein verschiedene Kästen und Pack Fässer, sondern auch 4. todte männliche Cörper, welche die See dahin getrieben, zwey von diesen Todten hatten etwas Brod, Böckel-Fleisch und Käse in ihren Schubsäcken, ob es nun gleich ziemlich eckelhafft war, so legte ich doch alles mit Fleiß an die Sonne, suchte weiter, und fand bey den andern ein Horn mit Schieß-Pulver, ingleichen ihr Tobacks- und Feuer-Zeug. Meine erste Bemühung war also, daß ich das Pulver und zum Feuermachen gehörige, an der Sonne trocknete, um nur Feuer und Rauch anmachen zu können, damit, wenn etwa ein Schiff vorbey paßirte, es doch an diesen Zeichen, verunglückte Menschen bemercken und dieselbe retten könte. Demnach schlug ich auch etliche Faß-Böden und andere Splitter mit spitzen Steinen von einander, und war so glücklich, daß ich, noch ehe es Nacht wurde, ein grosses Feuer anmachen konte. Selbige Nacht schlieff ich auf den Kleidern der 4. ertrunckenen Menschen sehr geruhig, und kan in Wahrheit sagen, daß ich damahls weder Eckel noch Furcht bey mir gespüret. Früh Morgens, so bald die Sonne aufgegangen war, ging ich wieder hinunter an den Fuß des Felsens, und befand, daß derselbe viel breiter, indem die See sehr gewichen war, auch sahe ich; daß noch[261] ungemein viel Kisten, Ballen, Fässer und andere Sachen, ingleichen noch 2. todte Cörper an den Felsen geschoben waren, derowegen ließ ich meine erste Arbeit seyn, die Todten biß auf die Hembder auszuziehen, und sie in den Sand zu scharren, weilen, wenn gleich Schauffeln und Hacken da gewesen wären, ich ihnen dennoch in den harten Felß keine Gräber machen können. Ich fand bey den 2. Letztern, welche sehr wohl gekleidet waren, viel goldene und silberne Müntze, schöne Ringe, auch viel Gold und edle Steine in ihren Kleidern vernehet, allein, ich hatte gar keine Freude darüber, vielmehr gereichte mir zu meiner Ergötzlichkeit, daß ich 2. wohl verwahrte Fäßlein Wein und 3. Fässer süsses Wasser, ingleichen 2. Faß voll Zwieback und 1. Faß voll geräuchert Fleisch in die Hände bekam. Um die andern Kisten, Kasten, Fässer und Ballen bekümmerte ich mich wenig, sondern nur um Holtz, Splittern, und Breter aufzufischen, damit ich mir ein Wetter-Dach bauen und auch zum Verbrennen etwas haben könte, denn auf meinem Felsen war weder Laub noch Graß, auch nicht die geringste Staude, sondern nur hie und da etwas Mooß zu sehen, weil es ein purer Stein-Klippe und gar keine Erde darauf war.

Demnach richtete ich mir binnen etlichen Tagen ein Wetter-Dach über mein Felsen-Bette auf, so, daß ich auch im Regen trocken liegen konte. Meine Nahrung war der gefundene Zwieback, Wasser und Wein, und weil ich kein Trinck-Geschirr hatte, so verfertigte ich mir eins aus einem Stück Leder, welches ich auch so ohngefähr am Ufer gefunden hatte. Das Fleisch, so ich hatte, konte in Ermangelung[262] eines Geschirres nicht kochen, derowegen steckte selbiges an ein spitz gemachtes Holtz, begoß es öffters mit Wasser, und ließ es am Feuer so lange braten, biß es kauen und gemessen konte. Mein Feuer ließ ich Tag und Nacht brennen, und meine tägliche Arbeit war Holtz aufzufischen, und selbiges zu spalten, worbey mir ein breites Seiten-Gewehr, das einer von den ertrunckenen an sich hatte, ungemein nützlich war.

Kurtz zu sagen, ich wendete allen Fleiß an, mein Leben, so lange als möglich, zu erhalten, um nicht aus Nachläßigkeit, als eine Selbst-Mörderin, in des Himmels-Straffe zu verfallen, und mich um die ewige Seligkeit zu bringen. Da ich aber den Uberschlag gemacht, daß ich nunmehro binnen 14. Tagen an Holtze und Lebens-Mitteln (ausgenommen das süsse Wasser, welches so lange nicht reichen oder sich halten dürffte,) so viel Vorrath hätte, mich länger als 3. Monat damit zu behelffen, nahm ich mir vor, etliche Tage auszuruhen, doch waren meine Augen beständig nach der See gerichtet, um zu sehen, ob nicht ein Schiff vorbey seegelte, weßwegen ich denn auch bey Tage viel naß Holtz und Mooß auf das Feuer warff, damit ein desto stärckerer Rauch aufsteigen solte, allein, es wolte sich keines erblicken lassen, derowegen hielt ich meinem Verhängnisse stille, beklagte den muthmaßlichen Tod meines lieben Ehe-Mannes van Blac mit bittern Thränen und Seuffzern, so wohl als mein gantzes übriges Schicksal, jedoch kam mir fast alle Nacht im Traume vor, als ob ich disseit eines Flusses, mein Blac aber mit vielen schwartz und weiß gekleideten[263] Leuten, jenseit desselben stünde, und mir immer ein Seil nach dem andern zuwarff, um mich dahin zu bewegen, in den Fluß zu schwimmen, und das Seil zu ergreiffen. Eines Morgens, da ich eben dergleichen Traum gehabt, sprach ich selbst noch halb im Schlaffe diese Worte zu mir: Du wirst auf diesem Felsen nicht sterben, sondern errettet werden, und deinen Liebsten van Blac endlich wieder zu sehen kriegen. Ob ich nun schon diese Worte in der Phantasie selbst zu mir gesprochen, so trösteten sie mich doch dergestalt, daß ich fast völlige Hoffnung zu meiner Errettung schöpffte. Immittelst fiel mir dabey ein, um desto mehrerer Sicherheit meiner Ehre wegen, die Weibs-Kleider aus- und hergegen ein Manns-Kleid von den Ertrunckenen anzuziehen, auch mich vor einen Schiffs-Koch auszugeben, indem ich aus den Briefschafften des einen Ertrunckenen sahe, daß er ein Koch, und auf der Rück-Reise aus Brasilien nach Portugall begriffen gewesen. Meine Kleider warff ich also in die See, und zohe einen völligen Manns-Habit an, schnitt meine Haare vor einem gefundenen Spiegel vollends kurtz ab, weil ich ohnedem wegen der gehabten, jedoch bereits geheilten Haupt-Wunde schon ein ziemlich Theil derselben abgeschnitten hatte. Kurtz von der Sache zu reden, ich sahe meiner Meinung nach einer Manns-Person vollkommen ähnlich, und truge zwischen zweyen Hembdern ein ledern Collett.

Endlich da ich 5. Wochen und 4. Tage auf diesem Felsen zugebracht, erschien die Stunde meiner Erlösung, denn dieser ehrliche Portugiesische Capitain, welcher im Sturme auch viel ausgestanden,[264] und sein Schiff auf den Insuln des grünen Vorgebürges erstlich wieder ausgebessert hatte, ersiehet den Rauch von meinem angemachten Feuer aussteigen, und weil er daraus abnimmt, daß ohnfehlbar daselbst verunglückte Menschen sich aufhalten müsten, schickte er ein Boot zu mir herüber, und ließ mich abholen, da denn die Matrosen auch, auf mein Erinnern, das am Felsen liegende Gut aufluden, und mit auf sein Schiff führeten. Es nahmen mich alle diese Leute mit Freuden auf, und muß ich sagen, daß ich jederzeit sehr höflich und freundlich von ihnen tractirt worden bin, auch hat man mir nachhero die Helffte des Werths von denen an meinem Felsen gefundenen Gütern baar und richtig ausgezahlt.

Gern wäre ich zwar solchergestalt, da ich ein Capital von mehr als 60000. Thlr. bey mir hatte, wieder in Europa gewesen, da ich aber nicht verlangen konte, daß man meinetwegen umkehren solle, ließ ich es mir gefallen, als Schiffs-Koch eine Reise nach Ost-Indien mit zu thun, habe durch Handel und Wandel viel daselbst erworben, in dem vergangenen Sturme aber auch viel eingebüsset, bin, weil ich jederzeit verträglich, nüchtern und mäßig gelebt, doch niemahls in Verdacht kommen, daß ich eine Weibs-Person sey, und bringe meinem lieben Manne, meines erlittenen Schadens ohngeachtet, doch noch einen neuen Braut-Schatz an Gelde und Kleinodien von etlichen 20000. Thlr. werth mit, indem ich, ehe unser letzteres Schiff versuncken, einen Sack, der mit meinen besten Sachen angefüllet war, mit in das Boot geworffen, auch glücklich anhero auf[265] diese Insul gebracht habe. Wie nun hiermit die Frau van Blac die kurtze Nachricht ihrer bißherigen Fatalitäten beschlossen, sagte Mons. van Blac zu ihr: Mein Schatz! Der Himmel hat euch und mich an einen solchen glückseeligen Ort geführt, allwo Gold, Silber, Geld und Edle-Steine vor nichts geachtet werden, jedoch ihr werdet alles besser mit euren Augen sehen, als ich es euch erzählen kan, denn ich hoffe, unsere werthesten Freunde werden uns erlauben, daß wir unsere Lebens-Zeit, jedoch nicht als Müßiggänger, bey ihnen zubringen dürffen. Es würde uns allen wehe thun, gab ich hierauf zur Antwort, wenn ihr als ein Paar, welches der Himmel nach so vielen ausgestandenen Gefährlichkeiten und schmerzlichen Leydwesen wiederum so wunderbarer Weise allhier zusammen geführet hat, uns verlassen woltet; Bleibet derowegen ja bey uns, und nehmet so wohl als wie wir, mit demjenigen vorlieb, was uns die Gütigkeit des Himmels in unsern gelobten Lande schenckt. Wir brachten hierauf den Abend mit allerhand vergnügten Gesprächen zu, legten uns hernach in einer Laub-Hütte schlaffen, und sahen kurtz nach Aufgang der Sonnen das Felsenburgische Boot wieder zu uns kommen. Die Frau Mag. Schmeltzerin hatte mir mit demselben nicht nur einige vollkommene schwartze Frauenzimmer-Kleider, sondern auch allerhand andern Zubehör übersendet. Derowegen ging ich damit zur Frau von Blac, und sagte: Madame, ich nehme mir die Ehre, ihnen wiederum die ersten Frauenzimmer-Kleider zu præsentiren, und bedaure nur dabey, daß es TrauerZeug[266] ist, hoffe aber, daß sie sich keine böse Vorbedeutung daraus machen werden, denn da das Ober-Haupt dieser Insuln vor wenig Tagen gestorben, und wir sämmtlichen Einwohner in der tieffsten Trauer begriffen sind, werden sie sich als eine Anverwandtin von uns allen, ebenfalls nicht weigern, auf die behörige Zeit die Trauer anzulegen. Sie brachte ihre Danckbarkeit und Willfahrung mit wohl gesetzten Worten vor, worauf wir sie in einer Hütten alleine und ihr das Auslesen unter den Kleidern liessen; es verging aber keine Stunde, da sie sich in dem reinlichsten und zierlichsten Putze wiederum bey uns einstellete. Ein jeder bewunderte ihre besonders schöne Gesichts-Bildung, und muste nunmehro gestehen, daß selbige durch den Kochs-Habit ungemein verdunckelt worden. Mons. van Blac war vor Freuden gantz ausser sich selbst, und mir wolte selbsten Zeit und Weile lang werden, ehe wir dieses schöne Bild unter unser Frauenzimmer auf Groß-Felsenburg brächten, derowegen wurde nur eine kurtze Mahlzeit gehalten, und wir versprachen denen, so auf Klein-Felsenburg bleiben musten, ihnen nicht allein alles, was sie nöthig hätten von Zeit zu Zeit zuzusenden, sondern sie auch ehestens wieder zu besuchen, nahmen darauf vor dieses mahl Abschied, ruderten fort, und kamen ein paar Stunden über Mittag in Groß-Felsenburg an. Alles unser Frauenzimmer kam diesem schönen Gaste, welche von Mons. van Blac und mir in der Mitten voran geführet wurde, entgegen, und empfingen dieselbe mit der grösten Zärtlichkeit, allein, die Verwunderung[267] und die Freude war gantz unbeschreiblich, da sie höreten, daß es Mons. van Blacs Liebste, von welcher er geglaubt, daß sie im Meere umkommen wäre. Sie wurde uns, da wir auf der Alberts-Burg angelanget, von dem Frauenzimmer entrissen und hinweg geführet, mit einigen Erfrischungen bedienet, und hernach dem Mons. van Blac nebst seiner Liebste ein etwas weitläufftiger Logis angewiesen, folgendes Morgens aber fand die Frau van Blac dergestalt viel Leinewand, andere Zeuge, Flachs und dergleichen, nebst allerley Hauß- und Küchen-Geräthe auf dem Saale vor Sie zum Geschencke zusammen getragen, daß Sie fast nicht wuste, wo sie alles hinthun solte. Am allerzärtlichsten kam uns dieses vor, daß der Frau Mag. Schmeltzerin Schwester, als Mons. van Blacs neulichst versprochene Braut, sich ohngeacht man vermerckt, daß sie den van Blac sehr liebte, eine von den ersten mit war, welche der Frau van Blac zur vergnügten Wiedervereinigung mit ihrem Liebsten Glück wünschete, und dem Himmel danckte, daß sie noch zu rechter Zeit wiedergekommen wäre, anderer Gestalt, wenn nehmlich ihr Ehestand mit dem van Blac bereits vollzogen gewesen, es auf allen Seiten vielen Kummer würde verursacht haben. Die Frau van Blac sagte hierauf: Mein schönes Kind, wenn es auch geschehen wäre, so schwöre ich euch doch heilig, daß ich euch, meinen Mann, ohne allen Verdruß hätte überlassen wollen, denn er hätte keine bessere Wahl als an euch treffen können, und ihm wäre ja nicht mehr zu verargen gewesen, wenn er sich statt meiner eine[268] andere Liebens-würdige Person ausgelesen, zumahlen da er nicht anders glauben können, als daß ich, die ihn zu dieser gefährlichen Reise fast gezwungen, mein Begräbniß in den Wellen des Meeres gefunden. Derowegen hätte ich, wie gesagt, ihn von euch nicht abwendig machen, jedoch Zeit-Lebens seinen Nahmen führen, auf dieser schönen Insul in Gesellschafft so frommer Leute bleiben, und mein Leben entweder als eine Wittbe, oder als eure getreue Gehülffin, jedoch ohne eurer Liebe Eintrag zu thun, zubringen wollen. Weilen es der Himmel aber nunmehro dergestalt gefügt, hoffe ich, er werde eure schöne und artige Person auch wohl zu versorgen wissen.

Und dieses geschahe auch, denn Herr Diaconus Herrmann, welcher dieses Gespräch mit anhöret, verliebt sich so gleich in das schöne Gesicht und angenehme Wesen der artigen Johanna Maria daß er wenig Tage hernach mich und den van Blac bey einem ausgebetenen Spatzier-Gange ersuchte, seine Frey-Werber bey derselben zu seyn. Mons. van Blac hatte eine besondere Freude über diese Commission, wir versprachen demnach Herrn Hermannen aus redlichen Hertzen, keinen Fleiß zu sparen, ihm zu vergnügen, waren auch so glücklich, daß er in wenig Tagen das Ja-Wort bekam, und Verlöbniß halten konte.

Jetzo fällt mir ein, daß ich schon oben gemeldet, wie nicht nur der Herr Archi-Diaconus Schmeltzer mit meiner Schwester, ich mit meiner Cordula, sondern auch verschiedene Europäer und Felsenburger unsere Hochzeiten angestellet hatten,[269] allein, der dazwischen gekommene Todes Fall des Alt-Vaters hatte unser Concept verrückt, nachhero aber erfuhren wir, daß sich seit der Zeit noch mehr verliebte Hertzen vereinbaret hatten, derowegen fragte ich eines Tages Herrn Mag. Schmeltzern bey Gelegenheit: Wenn er denn wohl meynete, daß es sich schickte, diese Verlobten alle zu copuliren? Worauf er zur Antwort gab: Es wäre keine Sünde, meine Lieben, wenn selbiges morgenden Tag geschehe, allein, es wäre nicht unbillig, wenn wir auch eine feine äuserliche Zucht unter uns beobachten, und wegen der itzigen tieffen Trauer wenigstens 3. Monat vorbey streichen liessen, zumahlen da die Heilige Advents-Zeit und das Christ-Fest heran kömmt. Ich konte nicht anders als ihm hierinnen recht geben, derowegen wurde kund gemacht, daß alle diejenigen, welche sich mit einander verlobt, oder noch binnen der Zeit Verlöbniß halten würden, nicht ehe als den 9ten Januarii des zukünfftigen 1731sten Jahres öffentlich in der Kirche copulirt werden solten, inzwischen könte binnen der Zeit ein jeder desto besser auf Einrichtung seines Hauß-Wesens bedacht seyn. Es murrete hierwieder niemand, sondern ein jeder beflisse sich auszusinnen, wie er sich am bequemsten und der Republic (denn so kan ich unser gantzes Werck wohl nennen) am vortheilhafftesten postiren könne.

Mons. Litzberg und Lademann hatten unter der Zeit besorg, daß die Kirch-Fenster um Martini alle völlig eingesetzt waren. Lademann mit seinen Gehülffen hatten die Rahmen gemacht, und[270] der Glaß-Meister und Schneider, die grossen schönen Spiegel-Taffeln da hinein geschnitten. Demnach waren sie nunmehro beschäfftiget, auch auf der gantzen Albertus-Burg Glaß-Fenster einzusetzen. Der Mahler, Mons. Hollersdorff, war zwar in etwas abgehalten worden, die Mahlerey in der Kirche zu verfertigen, indem er den seligen Alt-Vater 2. mahl recht naturell ausgemahlt hatte, da denn das eine Stück in der Kirchen, das andere aber auf der Albertus-Burg angehefftet wurde, indessen hatten doch seine angenommenen Lehrlinge die Stühle mit Farben angestrichen, auch das meiste, was gemahlet werden solte, bereits gegründet, so, daß es nur noch an ihm fehlete, die entworffenen Biblischen Historien, so hie und dahin kommen solten, vollkommen auszumahlen, auch noch dieses und jenes zu vergulden. Oberwehnte Glas-Hütte befand sich schon im vollkommenen Stande, um die andern Künstler und Hand-Wercker hatten die Aeltesten nicht einmahl Ursach sich zu bekümmern, weil sie vor alles selbst sorgten, und wo ihre Kräffte nicht zureichten, die Nachbarn zu Hülffe rufften.

Plager, Morgenthal, Herbst und Dietrich hatten 12. Werck-Stätten in Jacobs-Raum angelegt, worinnen Ertz, Meßing, Kupffer, Stahl und Eisen grob und klein verarbeitet wurde, also war diese Pflantz-Stadt weit volckreicher worden als bißhero, denn es arbeiteten in jeder Werck-Statt wenigstens 5. biß 6. Personen, und die Felsenburger schienen besondere Lust zum Schmiede-Werck und Metall-Giessen zu haben.[271]

Lademann, Herrlich und Krätzer hatten nicht vielweniger geschickte Gehülffen im Holtz-Arbeiten, nehmlich in der Dreßler-Bildschnitzer-Tischler- und Müller-Profession, der gemeinen Zimmer-Leute aber waren noch weit mehr.

Schreiner, der Töpffer, hatte 5. Werck-Stätten und 4. treffliche Brenn-Oefen, so, daß er mit seinen 4. Gehülffen nicht allein bißhero alle Insulaner wohl versorgt, sondern auch noch einen gewaltigen Vorrath an Töpffer-Zeuge hatte.

Jedoch weil ich schon oben ein und anderes von den Professionen gedacht, so will voritzo nur noch so viel sagen, daß sich schon um diese Zeit ein jeder Meister seiner Kunst oder Handwercks dergestalt wohl eingerichtet hatte, daß mancher mit 3. 4. 6. ja noch weit mehr Gesellen und Lehrlingen arbeiten konte.

Mittlerweile da wir gewahr wurden, daß ausser dem vielen zugehauenen Bau-Holtze, das unten am Fuß der Albertus-Burg annoch vorräthig, auch in allen Pflantz-Städten noch eine grosse Menge dergleichen anzutreffen war, schlug Mons. Litzberg vor, daß man die Geschlechter doch darum ansprechen möchte, noch so viel Zuschuß von dem besten Bau-Holtze zu thun, als genung wäre, ein Schul-Hauß nebst noch einigen andern Gebäuden vor die Herrn Geistlichen und übrigen Personen, welche auf dem Platze bey der Kirche Lust zu wohnen hätten, zu errichten, ja Mons. Litzberg erklärete sich, seine Wohnung in Christians Raum selbst zu quittiren, um nur auch nahe an der Albertus-Burg und an der Kirche zu wohnen, ich fassete ebenfalls[272] die Resolution, meine Wirthschafft hinzukünfftig mit meiner Cordula auf diesem Platze in einem besondern Hause anzufangen, und meinen Vater zu mir zu nehmen, da sich nun hierzu noch andere mehr angaben, so, daß auf einmahl der Bau gar zu starck worden wäre, wurden vor erst die nöthigsten ausgelesen, und Mons. Litzberg machte also den Riß zu den Gebäuden, so, daß sie im Grunde folgender Gestalt zu stehen kamen:


Die Abschieds-Rede und letzten Willen des Alt-Vaters Alberti Julii I.

Es gefiel diese Eintheilung nicht allein uns, sondern auch den Aeltesten und übrigen sehr wohl, denn solchergestalt konten mit der Zeit noch viel dergleichen Häuser um die Kirche herum biß an die Albertus-Burg gebauet werden. Es war demnach dieser Abriß kaum so bald gezeiget, da die Aeltesten aus den Gemeinden gleich Anstalt machten, Holtz, Steine, Kalck, Leimen und dergleichen Bau-Materialien herbey zu schaffen, demnach war in wenig Tagen schon eine ziemliche Menge vorhanden. Mittlerweile hatte Mons. Litzberg den Füllmund[273] auf dem Erd-Boden abgezeichnet, derowegen fing alles, was Hände hatte, zu graben, hacken und schauffeln an, auch die Herren Geistlichen selbst, nebst den zärtlichsten Frauenzimmer kamen, sonderlich früh Morgens und gegen Abend, in den kühlesten Stunden herbey, und machten sich 2. biß 3. Stunden lang eine ziemliche Motion.

Capitain Horns 9. Freygelassene griffen sich bey dieser Arbeit ungemein wacker an, ja dieser Capitain selbst, arbeitete wider unsern Willen und Bitten, als ein Pferd darbey, denn wir hatten Leute überflußig; die Mäurer arbeiteten hurtig hinter drein, und diejenigen, welche mit der Zimmer-Art umzugehen wusten, deren denn eine gar starcke Anzahl war, fackelten auch nicht, sondern hieben dergestalt fleißig, daß zu Ende des Jahrs alles Holtz zum Richten dieser 13. Gebäude fertig lag.

Das heilige Weyhnachts- und Neu-Jahrs-Fest unterbrach demnach vor dieses mahl unsere saure Arbeit. Es ging aber itzo, wegen unserer anhabenden Trauer, ziemlich stille zu, jedoch in der Kirche war Music, es wurden auch an den hohen Fest-Tagen geistliche Melodeyen vom Thurme geblasen, und in der Neu-Jahrs-Nacht 3. mahl die Canonen gelöset, ingleichen ein Neu-Jahrs-Choral abgeblasen. Endlich da alle heilige Fest-Tage christlich celebrirt waren, trat auch der Tag, nehmlich der 9te Jan. ein, da folgende Paar mit einander copulirt wurden:


1. Herr Archidiaconus Schmeltzer mit meiner Schwester.[274]

2. Hr. Diaconus Herrmann mit der Frau Mag. Schmeltzerin jüngsten Schwester.

3. Ich, Eberhard Julius, mit meiner Cordula.

4. Mons. Langrogge, der Musicus, mit einer Jungfrau aus Roberts-Raum.

5. Mons. Hildebrand mit einer Jungfrau aus Si mons-Raum.

6. Mons. Hollersdorff, der Mahler, mit der Frau Kramerin Schwester.

7. 8. Die beyden Buchbinder, Ollwitz und Rädler, der erste mit einer Wittbe aus Christians- und der andere mit einer Jungfrau aus Alberts-Raum.

9. Besterlein, der Sattler, mit einer feinen Wittbe aus Davids-Raum, allwohin er auch mit ihr zohe.

10. Breitschuch, der Seiffensieder, mit einer Jungfrau aus Roberts-Raum.

11. Schubart, der Glaß-Meister, mit einer Jungfrau aus Stephans-Raum. NB. Dessen Mitarbeiter Kindler aber, so wohl als Trotzer der Zinn-Giesser und Engelhardt der Blechschmidt, blieben noch im ledigen Stande, weil diejenigen Jungfrauen, worauf sie ihre Augen geworffen, noch ein wenig zu jung schienen. Hergegen heyrathete

12. ein feiner Junggeselle, der bey Mons. Plagern in Arbeit stund, die Jungfer Krügerin. Und

13. ein anderer Junggeselle aus Alberts-Raum, der bey Mons. Cramern die Artzeney-Kunst und Chirurgie gelernet hatte, die Jungfer[275] Zornin, er hieß Johann Albert Julius. Letztlich

14. ein junger wohlgeschickter Töpffer aus Davids- Raum, die Kuntzin, meiner Schwester bißheriges Aufwarte-Mägdgen.


Es waren die allermeisten Personen dieser Insul in reinlicher Kleidung zugegen, um diesem Trau-Actui zuzusehen, welcher biß in die Mittags-Stunde währete. Unser nunmehriger Alt-Vater Albertus II. war auch selbst zugegen, und führete, nebst meinem Vater, die 3. ersten Paare zum Altare, die übrigen wurden von den andern Aeltesten und Europäischen guten Freunden geführet. Nachdem sich nun der gantze Trau-Actus, den Hr. Mag. Schmeltzer mit einem Sermon angefangen, wie sonst ordentlicher Weise, jedoch ohne Music, beschlossen, und die Mittags-Stunde heran genahet war, begaben wir uns sämmtlich an den Ort, wo der Alt-Vater auf Hrn. Wolffgangs grünen Taffel-Platze, auf allen Tischen, vor alle Stämme, vortreffliche Speisen und Geträncke auftragen und zurichten lassen. Die Copulirten sassen mit dem Alt-Vater, Hrn. Mag. Schmeltzern, denen Capitains Wolffgang, Wodley und Horn auch Mons. Litzberg und Blac an der halb-runden so genannten Braut-Taffel, die übrigen Aeltesten aber præsidirten bey ihren Tischen, und die ledigen Europäer hatten sich bey ihre besten Freunde eingetheilt, wie denn auch Capitain Horns Freygelassene mit an die Tische eingetheilt und zur Aufwartung lauter Felsenburgische Knaben und Mägdlein bestellet waren. Also sassen wir biß 3. Stunden lang unter den vergnügtesten Gesprächen[276] bey Tische, weil es ein angenehmer und nicht allzu heisser Tag war, nach diesen gingen wir sämtlich in den Alléeen ein paar Stunden spatziren, eine gute Stunde vor Untergang der Sonnen aber begab sich ein jeder mit seinen Angehörigen nach seiner Wohnung, und liessen die Lustbarkeiten biß auf eine andere Zeit ausgesetzt bleiben.

Gleich Tags darauf ging die Arbeit an unsern Schul- und Häuser-Bau wieder an, so, daß binnen 4. Wochen alle diese 13. Gebäude vollkommen gerichtet waren, so bald eins fertig stund, waren die Mäurer und Tüncher gleich hinter her, so, daß im May-Monat schon alles fertig gemauert, getüncht und geweisset war, ohngeacht daß uns die Erndte-Zeit und Wein-Lese viel fleißige Arbeiter entzogen hatte. So fleißig nun aber diese Bau-Leute gewesen, desto weniger spareten die Tischler, Schlösser und Glaßmacher ihre Mühe, um diese Wohnungen mit Thüren, Schlössern und Fenstern, auch Tischen und Stühlen zu versehen, wie denn die Zimmer-Leute, auch die Treppen und andere Notwendigkeiten, nach Anweisung Mons. Litzbergs, immer nach gerade fertig machten, so, daß alle diese Gebäude vor Ausgang des 1731sten Jahres vollkommen ausgebauet stunden, und wir nach Belieben einziehen konten, wenn wir wolten. Allein, wir beredeten uns alle, die Wände erstlich vollkommen austrocknen zu lassen, und nicht ehe, als mit Eintrit des Februarii 1732. einzuziehen, welches denn auch geschahe.

Ich muß aber doch vorhero eine kleine Beschreibung von allen diesen Wohn-Stätten machen, auch[277] die Personen anzeigen, welche sich deren zu bedienen hatten, demnach war in der Mitten


Num. I. das Schul-Hauß, 3. Stockwercke hoch, oben mit einem kleinen Thürmlein, worein mit der Zeit eine Schlage-Uhr, nebst einer Schul-Glocke gebracht werden solte. Es befanden sich in diesem Schul-Hause 6. geraumliche Stuben, 8. zum Theil etwas kleinere Cammern, eine grosse und kleine Küche, 2. Speise-Gewölber und ein Keller.

Die andern 12. kleinern Häuser waren nur 2. Stock-Werck hoch, hatten jegliches 3. Stuben und ein Sommer-Stübgen im Dache, nach der Kirche zu, 5 Cammern, 1. Küche, 1. Speise-Gewölbe, einen Keller, und es war acurat eins in Dach, Fach und sonsten gebauet und ausgeziert wie das andere. Es erwählten sich demnach und bezogen die

Num. 2. Herr Mag. Schmeltzer.

Num. 3. Dessen Herr Bruder mit meiner Schwester.

Num. 4. War mir Eberhard Julio wegen der Aussicht an 3. Seiten, nehmlich gegen Morgen, Mittag und Mitternacht am angenehmsten, weßwegen ich selbiges mit meiner Cordula bezohe.

Num. 5. Hr. Diac. Herrmann.

Num. 6. Mons. van Blac.

Num. 7. Mons. Litzberg.


Num. 8. Mons. Langrogge,

Num. 9. Mons. Hildebrand,

die beyden Musici.

Num. 10. Mons. Hollersdorff, der Mahler.

Num. 11. Mons. Johann Albert Julius, der Chirurgus.

[278] Num. 12. Der Buchbinder Ollwitz.

Num. 13. Der Buchbinder Rädler. Diese beyden letztern wurden deßwegen mit anhero genommen, weil sie das Amt eines Kirchners, Wechsels-weise, auch wohl an den Kirch-Tagen beyde zugleich verrichteten.


Sonsten ist noch bey diesen 12. Häusern zu mercken, daß alle Vorder-Thüren nach der Kirche zu gingen, durch die unterste Hinter-Thür kam man in einen geraumlichen Hof, wo nicht allem Holtz zu legen, sondern auch Ställe zu bauen waren, vor diejenigen, welche etwa Lust bekommen möchten, Vieh zu halten. Aus dem Hofe trat man durch eine Thür auf den Garten-Platz, welcher zwar damahls noch nicht umzäunet, jedoch dergestalt ordentlich abgestochen war, daß kein Garten oder Hof um eines Fusses breiter war als der andere; inzwischen war der Garten-Platz groß genug, Bäume, auch Küchen-Speise vor eine starcke Familie hinein zu pflantzen. Hinter allen diesen Häusern in der Höhe, wo die Abtheilung des ersten und andern Stockwercks ist, gehet ein 5. Schu breiter, oben rings herum mit einem Dach versehener Gang, da man von auswendig nicht hinauf kommen kan, von inwendig aber gehet aus jedem Hause eine Hinter-Thür heraus auf diesen Gang, so, daß man einander von einem Ende biß zum andern besuchen kan, ohne über den Platz zu gehen, oder sich vor dem Regen zu fürchten, denn dieser Gang ist auch über die schmalen Gäßlein hergebauet, welche allezeit zwischen 2en Häusern durchgehen. Meines Erachtens solte es nicht übel lassen, wenn man mit der Zeit die Kirche[279] noch mit mehr dergleichen Häusern umringte, und auf jener Seite ein eintziges grosses Thor, dem Schul-Hause gegen über, zum Haupt-Eingange liesse, auch eine Verwahrung daran machte, damit kein Vieh darauf lauffen könte; um deßwillen denn auch bey dem Eingange eines jeden schmalen Gäßleins, so, wie in Europa auf den Kirch-Höfen zu sehen, ein tieffes Loch mit einem darauf liegenden eisernen Gegatter zu machen wäre. Wer weiß, was in Zukunfft geschicht, wenn wir erstlich noch andere wichtige Sachen besorgt haben. Doch muß ich auch nicht vergessen, daß wir, um das Wasser nicht gar zu weit holen zu dürffen, 4 schöne Brunnen aufgraben und wohl einfassen liessen. Diese stunden vor den Gebäuden Num. 3. 6. 9. 12. und im Hofe des Schul-Hauses, war beschlossen, noch einen besondern grossen Brunnen ausgraben zu lassen; wiewohl es kommen auch einige, jedoch gantz kleine Wasser-Bächlein von der Albertus Burg hergerieselt, welche man mit der Zeit wohl zusammen leiten, und wegen Feuers-Gefahr einen grössern Teich oder Wasser-Behalter anlegen könte.

Durch die fleißige Anführung Herrn Mag. Schmeltzers waren seit einigen Jahren daher aus jeglichem Stamme hier oder da, 2. auch wohl 3. gelehrige Köpffe, bereits dahin gebracht worden, daß sie in ihren Pflantz-Städten die zarte Jugend im Christenthume, lesen, schreiben und rechnen unterrichten konten, wie denn dieserwegen Herr Mag. Schmeltzer fleißige Visitation hielt. Nunmehro aber wurden die besten Köpffe, welche die meiste Lust zum Studiren bezeigten, ausgesucht und an der[280] Zahl 33. in das neue Schul-Hauß gebracht. Ein jeder bekam von seinen Eltern ein besonderes Bette, gnugsame Wäsche und was er sonsten nöthig hatte, die ältesten von diesen Knaben waren 16. und die jüngsten 12. Jahr. Sie wurden zwar alle von den drey Herren Geistlichen täglich im Christenthume, ihrer 18. aber Hauptsächlich in der grössern Theologie, wie auch im Hebräischen und Griechischen informiret, Mons. Litzberg und ich hatten Wechsels-weise die Lateinische Sprache mit ihnen zu tractiren, einige blieben nur bey dieser und der Englischen, welche letztere Sprache ihnen van Blac wohl zu lehren wuste, ingleichen auch einigen das Holländische. Schreiben und Rechnen hatten sie von mir und Litzbergen zu lernen, weil es hieß, daß wir die feinesten Hände schrieben, einige legten sich auf die Mathematic und was mit derselben verbunden, andere liebten die Sternseher-Kunst, um Calender schreiben zu können, wieder andere hatten besondere Lust zur Music, etliche auch zum Zeichnen und Reissen, worinnen sie Hollersdorff informirte, ins besondere war Mons. van Blac bestellet, sie in ihrer Aufführung, so wohl bey Tische, als wenn sie ihre Frey-Stunden hatten zu corrigiren, des Nachts aber musten Wechsels-weise entweder einer von den beyden Musicis oder einer von den beyden Kirchnern, der Mahler Hollersdorff, oder der Chirurgus Julius bey diesen Knaben in einem besondern Bette schlaffen, damit sie nicht etwas verwahrloseten, also kam es alle 6. Nacht an einen von diesen sechsen, und man sahe nicht, daß einer verdrüßlich darüber war, ohngeacht[281] sich Litzberg, van Blac und ich, nebst den Priestern von dieser Beschwerlichkeit frey machten. Jedennoch fing mein lieber Vater einsmahls von freyen Stücken an, und sagte: Kinder! ich sehe, daß ich euch wenig hier nütze, als daß ich bete, esse, trincke und wenig arbeite, derowegen gebt mir das Amt, daß ich ausser den Schul-Stunden, und wenn ihr alle was nöthigers verrichten könnet, die Aufsicht über die Knaben habe, und des Nachts im Schul-Hause bey ihnen schlaffe, denn es ist ja gleich viel, mein Sohn Eberhard! ob ich unter deinem Dache oder unter dem Schul Dache schlaffe. Ich habe ohnedem wenig Schlaf, kan also diese Knaben besser bewachen, als junge Leute, welche ohnedem solchergestalt von ihren Weibern wegbleiben müssen. Wir wolten erstlich alle nicht darein willigen, endlich aber, da er sagte: Gönnet mir doch dieses Amt, woraus ich mir eine Freude mache, sonsten werde ich mich grämen, wenn ich sehe, daß ihr alle fleißig seyd, und ich solte gar nichts nutze seyn, denn schwerer Arbeit bin ich niemahls gewohnt gewesen. Demnach musten wir ihm endlich nachgeben, meine Cordula machte ihm ein schönes Bette mit Vorhängen in die mittelste Schlaf-Cammer der Knaben, so, daß er sie alle in 3. Cammern um und neben sich liegen hatte, er brachte aber auch des Tages die meiste Zeit bey den Knaben zu, und aß mehr mit ihnen als an meinem Tische, solchergestalt war Mons. van Blac auch dann und wann einer Bemühung überhoben.

Sonsten war unsere Oeconomie in diesen[282] Häusern dermahlen also eingerichtet: Es wurde uns alle Dienstage, Donnerstage und Sonnabends früh von der Albertus-Burg herunter, frisches Brod, Käse, Butter, allerhand Gemüse, frisch Wildpret und Ziegen-Fleisch auf Wagens zugefahren, eine jede Haußwirthin nahm davon so viel als ihr beliebte, denn es war allezeit mehr da als wir brauchten, und worzu dienete uns das übrige? Fische konten wir alle Morgen von Christians- oder Stephans-Raum holen, und auslesen lassen was wir wolten, denn die dasigen Fisch-Kästen und Behälter wurden niemahls ledig. Von Flügel-Werck, so wohl kleinen als grossen, brachte man uns wöchentlich so viel, daß wir das meiste wieder zurück geben musten. Mit Bier, Wein, Gewürtze und dergleichen waren unsere Keller und Speise-Cammern zur Gnüge versorgt. Was die Knaben anbelangete, so speisete mein Vater oder Mons. van Blac, auch wohl jemand anders, mit den 18. grösten an der einen Taffel, und gleich neben derselben, speiseten an der andern die übrigen 15. so, daß man sie alle übersehen konte. Die Tractamenten bestunden Tag vor Tag 1.) in einer Suppe, 2.) eine Schüssel Fleisch, worbey auch Zugemüse, 3.) eine Schüssel mit Fische, 4.) ein Braten nebst dem Zubehör. Jeder Knabe hatte seinen zinnernen Becher, den er nach Belieben 2. mahl voll Bier, des Sonntags aber auch einmahl voll Wein bekam. Ubrigens wurde die Zurichtung der Speisen nach dem Appetite sehr wohl verändert, und die Küche von 2en betagten Wittben, da die eine aus Roberts- die andere aber aus [283] Alberts-Raum war, ingleichen von 5. Jungfrauen besorgt, die alle entweder Söhne oder Brüder in der Schule hatten. Zu allem Uberfluß musten die 3. Priester-Weiber, die Frau Litzbergin, die Frau van Blac und meine Cordula, eine Woche um die andere die Ober-Aufsicht über die Küche nehmen, welches denn alle 6. Wochen an eine kam. So fehlete es uns auch an Holtze nicht, denn alle Woche 2. mahl, brachten die Simons-Roberts- und Stephans-Raumer, auch andere mehr, gespaltene und gantze Stücke herzu gefahren, welche letztern von den Knaben zur Lust gespaltet wurden.

So bald demnach unser Schul- und Haus-Wesen in ziemliche Ordnung gebracht, fing ein jeder an, mit Hülffe der Knaben und anderer guten Freunde, seinen Garten zu verzäunen, wir setzten Bäume, säeten und pflantzten allerhand nützliche und appetitliche Garten-Gewächse und Blumen-Werck, baueten Ställe vor vierfüßig Vieh, auch Flügelwerck, in Summa, ehe Jahr und Tag verging, befanden wir uns allerseits in recht vergnügten Stande, wünschten auch viele tausend mahl, daß nur unser lieber seeliger Alt-Vater, dieses schöne Stück Arbeit, noch vor seinem Ende hätte mögen mit Augen ansehen. Es erzeigte sich zwar unser itziger Regent nicht weniger liebreich und väterlich gegen uns, ließ sich auch alle unsere Anstalten ungemein wohl gefallen, und brachte die meisten Tags-Stunden bey uns zu, allein, es war uns allen doch noch nicht möglich, Albertum I. zu verschmertzen.[284]

Um nun dessen Gedächtniß zu verehren, wurden wir schlüßig, ihm, so, wie er seiner seeligen Ehe-Frauen der Concordia gethan, eine Pyramide zum Häupten, gleich neben der Concordia ihrer, von ausgehauenen Steinen zu setzen, derowegen legte man so gleich die Hand aus Werck, und ward binnen 2. Monaten gäntzlich damit fertig. Die Figur dieser Pyramide ist dreyeckigt, 6. Ellen hoch, und auf der Spitze ruhet eine im Feuer verguldete proportionirlich grosse küpfferne Kugel. Die Steine sind sehr sauber zusammen gefügt, und mit dauerhafften Farben übermahlt, das daran befindliche Laub-Werck und Zierrathen aber starck verguldet. Ausserdem sind 6. wohl ausgetriebene küpfferne und im Feuer verguldete Schilder, an den 3. Ecken oben und unten bevestiget, und auf selbige folgende Sinnbilder gemahlt:


1.

Ein beschädigtes Schiff auf dem Meere, mit der Beyschrifft:


Post mala mixta bonis portum ratis intrat amoenum.


Nach guten und nach bösen Stünden

Wird der gewünschte Port gefunden.


2.

Ein lächzender Hirsch, mit der Beyschrifft:


Sic sitit astra pius, cervus velut appetit undas.


Ein Hirsch lächtzt nach dem frischen Bache,

Ein Christ nach jenem Sternen-Dache.
[285]

3.

Eine angezogene Glocke, mit der Beyschrifft:


Mortis Christianus reminiscitur ære sonante.


Hört ein Christ den Glocken-Schlag,

Denckt er an den Sterbe-Tag.


4.

Ein verdorreter Baum, mit der Beyschrifft:


Sic homo marcescit, veluti marcesit & arbor.


Es geht dem Menschen auf der Erden

Wie Bäumen, welche dürre werden.


5.

Ein aufsteigender Rauch, mit der Beyschrifft:


Ut fumus transit, sic transit gloria mundi.

Das Leben kan nicht stets bestehen,

Es muß wie Rauch und Dampff vergehen.


6.

Ein Todten-Sarg, mit der Beyschrifft:


Est ita: mors talem loculum dabit omnibus atra.


Der Todt wird allen, die noch leben,

Ein solches Hauß zur Wohnung geben.
[286]

An jeglicher Seite der Pyramide in der Mitte war eine grosse Kupfferne Platte eingefügt, und die Nachricht mit goldenen Buchstaben darein geätzt. Die erste Seite gab demnach folgendes im Latein zu lesen:


* *

*


Heus! Viator,

gradum siste, lege, luge,

nimirum

hoc in saxeo sepulcro

placide requiescit

ALBERTUS JULIUS I.

supremus hujus Insulæ saxosæ dominus,

natione Saxo, ratione Nestor,

faustus infaustorum fatorum victor,

parens clarisimis parentibus clarior,

nauta, naufragio felix,

Crœsus ex Iro factus,

Rex non nomine, sed omine,

concordium familiarum conditor

juvante

CONCORDIA,

maxime

verus veræ pietatis cultor;

O irreparabile damnum!

quot conspicua boni ordinis specimina

ab incolis hujus insulæ conspiciuntur,

tot testes testantur

ALBERTUM

[287] non fuisse Davum, sed Oedipum

non otiosum, sed negotiosum;

Posteri post sera secula ingemiscent,

JULIUM

vitam cum morte commutasse,

qui inermis rupes robustis hostibus robustiores

vicit,

& de naturæ difficultatibus triumphavit

majori cum pompa

quam si in urbem

Quatuor in niveis aureus isset equis;

migravit

e solo in polum

exemplar virtutum sine exemplo

sapientissimus bonorum morum magister,

acerrimus vitiorum osor,

certa vitæ cynosura,

Senex denique ad aram usque devenerandus

qui in adversis nunquam cogitavit,

nisi semper

qui credidit, ut vixit, & vixit, ut credidit,

hoc est,

vere, pie bene ac sincere;

sed tacet & jacet

cujus anima DEO placet,

postquam

d. VIII. Octobr. cIɔ Iɔ CCXXX.

sensim sine sensu

animam exhalavit.

[288] Hoc te volebam,

Viator,

nunc ubi, & quoad vivis, vive

in vita feliciter!


* *

*


An der andern Seite zeigte sich die Deutsche Schrifft eben dieses Inhalts, und gleichfalls mit güldenen Buchstaben eingeätzt in diesen Worten:


* *

*


Höre! mein Wandersmann,

stehe stille, ließ dieses

und traure dabey.

In dieser steinernen Grufft ruhet in

guter Ruhe

Albertus Julius der Erste,

der Ober-Herr dieser Felsen-Insul,

von Geburth ein Sachse, von Verstande

ein Nestor,

ein glücklicher Besieger der unglücklichsten

Schicksale,

ein Vater, der berühmter ist als viele

der berühmtesten Väter,

ein Schiffer, der durch Schiffbruch erst

glücklich

und

aus einem armen Iro ein reicher Crœsus

worden ist.

Ein König, nicht dem Nahmen, sondern

der That nach;[289]

Ein Stiffter vieler einträchtigen Familien,

mit Bey-Hülffe seiner Gemahlin,

CONCORDIA,

sonderlich

in wahrer Liebhaber der wahren Gottes-

Furcht.

O unersetzlicher Schade!

So viel herzliche Proben der guten Ordnung

von den Einwohnern auf dieser Insul

bewundert werden,

so viel unverwerffliche Zeugen sind:

daß

Albertus

nicht albern, sondern klug,

nicht ein Müßiggänger, sondern ein mehr

als zu fleißiger Arbeiter gewesen sey.

Dessen Nachkommen werden nach späten

Zeiten noch klagen, daß

JULIUS

das Leben mir dem Tode verwechselt;

welcher ohnbewaffnet die stärcksten Felsen

bezwungen,

die mehr als starcke Feinde zu schaffen machen,

auch über die Schwierigkeiten der Natur

einen Triumph gehalten;

der prächtiger ist,

als wenn er in die Stadt Rom auf einem mit

weissen Pferden bespanneten güldenen

Wagen triumphirend eingezogen wäre.[290]

Nun

hat das Irrdische mir dem Himmlischen

verwechselt:

ein unvergleichliches Muster der Tugend,

ein weiser Sitten-Lehrer,

ein abgesagter Feind der Laster,

eine gewisse Lebens-Regel,

ein Ehr-würdiger Greiß,

der im Unglück, an das Glück,

und im Glück, an das Unglück,

niemahls

als allezeit gedacht

Der so geglaubt, wie er gelebt,

und so gelebt, wie er geglaubt;

das heist:

wahrhafftig, gottselig, wohl und aufrichtig.

Aber

sein Mund ist nun verschlossen,

er liegt,

dessen Seele sich in GOtt vergnügt,

nachdem er

im Jahr 1730. den 8ten Octobr.

ohne Empfindlichkeit, allmählich Athem

zu holen aufgehöret hat.

Dieses verlangte ich von dir,

Mein Wandersmann!

Nun gehe hin, und lebe, so lange du lebest,

glücklich.


* *

*
[291]

An der dritten Seite der Pyramide war eben diese Gedenck-Schrifft in Englischer Sprache zu lesen, und an den drey Seiten des Fuß-Gestelles der Pyramide noch dieses, ebenfalls in dreyerley Sprachen:


Albertus Julius

ward gebohren Ao. 1628. d. 8. Januar.

entdeckte diese Insul Ao. 1646. d. 8. Septembr.

hat also auf der Welt gelebt: 102. Jahr

9. Monat,

auf dieser Insul zugebracht 84. Jahr

1. Monat.

Leichen-Text:

Der 23ste Psalm.

Der HErr ist mein Hirt, mir wird

nichts mangeln, etc. etc.


Es gab diese Pyramide unsern Gottes-Acker eine nicht geringe Zierde, weßwegen wir manchen Spatzier-Gang dahin thaten, und selbigen niemahls leer von Leuten antraffen, sonderlich lieffen die Kinder fast täglich Hauffen-weise dahin, weiln aber auch die unvernünfftigen und wilden Thiere darauf herum lieffen, so beschlossen wir, den gantzen Gottes-Ackers-Platz in behöriger Weite mit einer Mauer einzufassen, und nicht mehr als 2. Thore zum Ein- und Ausgange zu lassen, nehmlich eins, so auf den grossen Garten, und das andere, so auf den Fluß stossen solte, wo sich derselbe oben in 2. Ströme theilet. Nachdem nun, ausser den vielen Steinen, so in selbiger Gegend[292] zusammen gelesen, auch eine grosse Menge derselben aus dem Johannis-Raumer Gebürge nebst allen andern Zubehör herbey gebracht worden, machten sich die Mäurer an das Werck, und brachten es in wenig Monaten in fertigen Stand.

Solchergestalt lieff unter dieser und anderer Bau-Arbeit auch völliger Einrichtung der neu errichteten Wirthschafften auch das 1732ste Jahr zum Ende, ohne daß man zu des Capitain Horns Schiffs-Bau den Anfang gemacht hätte, weiln aber dermahlen auf unserer Insul nichts höchstwichtiges zu thun war, ausgenommen, daß der Müller Krätzer zwischen Christophs- und Christians-Raum noch eine neue Mühle erbauete, so wurden auf inständiges Anregen des Capitains Horn die geschicktesten Zimmer-Leute ausgelesen, und hinnüber auf Klein-Felsenburg geschafft, um daselbst mit gemeldeten Capitains Leuten ein gantz neues Schiff zu erbauen. Das gute Bau-Holtz auf unserer grossen Insul zu ersparen, war zwar eine Haupt-Ursache mit, allein, wir hatten noch viel andere mehr, warum wir das Schiff nicht an unserm Gestade wolten bauen lassen, denn solchergestalt hatten die Frembden auch nicht nöthig herüber zukommen, das zerscheiterte Schiff aber wurde auch nach Klein-Fel senburg gebracht, um das dienliche noch davon brauchen zu können. Es war am 16 Januar. 1733. da der erste frische Baum auf der Insul Klein-Felsenburg zu Capitain Horns neuen Schiffe gefället und zugehauen wurde, weßwegen eine starcke Gesellschafft von Groß-Felsenburg hinüber gefahren war, indem sich die SeeLeute,[293] mit Permission ihres Capitains, ein kleines Freunden-Fest angestellet hatten, welches sie des Abends mit Tantzen und sonst allerley Kurtzweile begingen, worzu wir ihnen eine zulängliche Portion an Weine mitgebracht hatten, welchen sie sich mit den Portugiesen, die mit ihnen gemeinschafftlich und in der besten Verträglichkeit lebten, hertzlich wohl schmecken liessen, die folgenden Tage aber desto flleißiger arbeiteten. Inzwischen hatte der Capitain Horn angemerckt, daß oben in der Südlichen Gegend der Insul bey der grossen Bucht K. in dem grossen Walde weit schöner und dauerhaffter Holtz als in der Gegend B. anzutreffen wäre, derowegen resolvirte sich alles sein Volck, gleich morgenden Tages dahin aufzubrechen, und ihre Wohnstätten daselbst aufzuschlagen. Wir Groß-Felsenburger liessen ihnen ihren Willen, versprachen aber, sie ehester Tags wieder zu besuchen, oben herum zu fahren und in der Bucht K. anzuländen. Wir würden unser Versprechen zeitig genung erfüllet haben, allein, die Niederkunfft meiner liebsten Cordula, hielt sowohl mich als meine werthen Freunde auf eine Zeitlang davon zurücke. Es brachte mir aber gemeldete meine Liebste am 6. Februar. einen jungen gesunden Sohn zur Welt, welcher am 9. dito die heilige Tauffe und die Nahmen Albertus Franciscus Carolus empfing, indem ich den Regenten Albertum II meinen Vater und die Frau van Blac zu Tauff Zeugen erwählet. Die Freude über diesen kleinen Stammhalter, war bey mir unsäglich groß, denn da alle diejenigen, welche mit mir zugleich copulirt[294] waren, bereits Kindtauffen ausgerichtet hatten, begunte ich fast an der Fruchtbarkeit meiner Cordula zu zweiffeln, jedoch endlich war mein Wunsch erfüllet, und, wie gesagt, die Freude war um so viel desto grösser, woran denn auch alle Insulaner Theil nahmen, welche grösten Theils 3. Tage nach einander auf dem Tafel-Platze tractiret wurden, worbey sich denn nicht allein die beste Music hören ließ, sondern es hatten auch meine werthen Freunde allerhand andere Lustbarkeiten angestellet. Capitain Horn war auch von Klein-Felsenburg darzu herüber geholet worden, als er aber am 4ten Tage wieder zurück fuhr, versprachen wir ihm, längstens in 14. Tagen auf Klein-Felsenburg eine Visite zu geben, und seinen Leuten, um sie desto besser zur Arbeit aufzumuntern, einige Erfrischungen mitzubringen.


Weiln sich nun meine Cordula ungemein wohl befand, trat ich am 2ten Mart. die Fahrt mit Mons. Litzbergen, van Blac, Wolffgang, Wodley und andern mehr, abermahls nach Klein-Felsenburg an, uñ zwar so fuhren wir oben durch die Strasse durch, welche Sudwerts beyde Insuln von einander scheidet, als welchen Weg wir noch niemahls genommen hatten, hätten zwar bey der grossen Felsen-Spitze O. mit einiger Unbequemlichkeit landen und aussteigen können, wolten aber solches nicht thun, sondern fuhren um die gantze Süd-Seite herum, und langeten endlich glücklich in der grossen Bucht K. an, allwo wir unser Fahrzeug befestigten, an dem Flusse, welcher sich aus der grossen See in die[295] Bucht ergießt, hinauf spatzirten, und endlich fanden, daß alles Volck seine Hütten auf der Ebene zwischen diesem Flusse und dem Walde aufgeschlagen, in selbiger Gegend auch schon eine ziemliche Menge neu zugehauenes Schiffs-Holtz liegen hatte. Capitain Horn war selbst mit unter den ersten, die uns entgegen kamen; wir nahmen alle Platz vor seiner Hütte, und er säumete nicht, uns einige Erfrischungen vorzusetzen, indem wir nun selbige genossen, fing er an zu sagen: Meine Herrn! sie kommen accurat, als wenn sie geruffen wären, denn am gestrigen Sonntage, haben einige von meinen Leuten ein besonderes curieuses Stück auf einem Platze, jenseit der grossen See, aus der Erden gehoben, woran zu bemercken, daß sich vielleicht vor vielen 100. ja mehr als 1000. Jahren schon Menschen auf dieser Insul befunden haben. Wir spitzten alle die Ohren ziemlicher massen, er aber ging, nachdem er noch ein paar von seinen Leuten zu sich gerufft hatte, in seine Hütte, und brachte einen grossen Viereckigten Stein heraus, der bey nahe drey Viertel Ellen lang, breit und dicke war. Diesen setzte er bey uns nieder, nahm einen oben sauber eingefügten steinernen Deckel ab, und zohe einen goldenen Becher in die Höhe, welcher über die Helffte voll Asche war, unter derselben sich noch etliche Stücklein gebrannter Knochen befanden. Der Becher an sich selbst war sast einer halben Ellen hoch, oben im Diametro 6. unten aber vier Daumen breit, sonsten aber über und über gantz glatt und ohne einige Figur oder Zierrathen. Auf dem obersten, schon gemeldten steinernen[296] Deckel aber, sahe man, nachdem er reinlich abgewaschen war, in der Mitte diese Figur:


Die Abschieds-Rede und letzten Willen des Alt-Vaters Alberti Julii I.

Nachdem wir insgesammt das gantze Werck in Augenschein genommen, und lange Zeit Verwunderungs-voll betrachtet, konten wir nicht anders urtheilen, als daß es eine Heydnische Urna oder Todten-Krug wäre, worinnen die Asche eines verstorbenen und nach ihrer Weise verbrannten Cörpers, verwahret und der Erden anvertrauet worden. Derowegen konte es dem Capitain Horn niemand abstreiten, daß vor uns und unsern Zeiten Menschen aus dieser Insul gewesen wären, oder dieselbe wohl gar ordentlicher Weise bewohnet hätten.

Uber niemanden unter der gantzen Gesellschafft muste ich mehr lachen, als über Mons. Litzbergen, denn derselbe konte den Deckel nicht genung ansehen, und hätte vor ängstlicher Curiosität verzweiffeln[297] mögen, daß ihm unmöglich war, die Deutung der unbekandten Characters zu erfinden, über dieses verdroß ihn, daß man keine ihm bekandte Jahres-Zahl darauf gezeichnet, derowegen warff er verschiedene Fragen auf, als: In welchem Jahre der Welt mag diese Urna verscharret seyn? Was mögen dieses vor eine Art von Heyden gewesen seyn? Ob sie auch auf dieser Insul eine ordentliche Wirthschafft getrieben haben? Ob sie ausgestorben, von andern hinweg geführet worden, oder die Insul gutwillig verlassen haben? und was dergleichen Zeug mehr war, worüber zwar ein jeder raisonniren konte, allein, es kam nicht heraus, sondern es verblieb uns nichts gewissers, als die Ungewißheit.

Demnach wurde ich des vielen Scrupulirens überdrüßig, und bath den Capitain Horn, uns zu erzählen, wie, und auf was Art seine Leute eigentlich zu dieser Rarität und Antiquität gekommen? selbiger war also so gefällig, uns folgenden Bericht abzustatten: Meine Leute, sagte er, haben sich bißhero in den Feyerabends-Stunden, zur Lust ein bequemes Fahrzeug gemacht, wormit sie am Rande der ohnweit von hier liegenden großen See und derer Flüsse, hin und her, auf-und abfahren und die schönsten Fische fangen können. Vor etlichen Tagen, da sie Abends spät von ihrer Lust-Fahrt zurück kamen, berichteten sie mich, daß sie jenseit der grossen See, in einer ebenen Gegend einen Baum angetroffen hätten, dessen gleichen sie zwar an Geradigkeit, aber an Höhe Zeit ihres Lebens in der Welt nicht gesehen hätten und solte[298] sich derselbe ungemein wohl zum Mast-Baume schicken, allein, es wäre Jammer-Schade darum, weil dieser Baum eine rechte Rarität und Zierde dieser Insul zu nennen, ausser dem 12. andere, jedoch bey weiten nicht so hohe Bäume um denselben herum stünden, worbey man fast schwören solte, daß sie mit allem Fleisse von Menschen nach dem Zirckel und Maaß-Stabe dahin gepflantzt wären. Ich war so neugierig, gleich des andern Nachmittags mit ihnen an denselben Ort zufahren, und die curieusen Bäume zu besichtigen, fand es auch in der That also, wie sie gesagt hatten, bewunderte nicht allein die ausserordentliche Höhe des mittelsten Baumes, sondern auch die Accuratesse der 12. andern, so um ihn herum stunden, bildete mir aber fast gleich ein, daß solche nicht von der Natur, sondern von Menschen-Händen herrühren möge. Doch demselben sey, wie ihm sey, ich geboth meinen Leuten bey Straffe, sich ja nicht an diesen Bäumen zu vergreiffen, sondern sie als eine Rarität dieser Insul stehen zu lassen, fuhr also mit ihnen wieder zurück. Gestern, als Sonntags früh, machten sich die lustigsten von meinen Purschen auf, nahmen Proviant und ein frisch geschossen Stück Wild mit sich auf ihr Fahrzeug, und wolten dasselbe zur Lust unter dem hohen Baume braten und verzehren, indem sie aber ein Feuer-Loch in die Erde graben wollen, finden sie diesen Stein; kamen also bald zurück, und brachten mir denselben, so, wie er da ist, sammt dem Becher, welchen sie zwar heraus gehoben, vor gülden erkannt, jedoch denselben ordentlich wieder hinein[299] gesetzt hatten. Ein rechtes Glück ists, daß der nicht allzu dicke steinerne Deckel im Hacken oder Graben nicht ist entzwey gestossen worden.

Wir bekamen auf diese Nachricht gleich ingesammt Lust, selbiges Revier nebst den curieusen Bäumen ebenfals in Augenschein, auch Grabe-Scheiter, Schauffeln und Hacken mit zu nehmen; um zu sehen, ob wir noch mehr dergleichen Urnen oder Todten-Töpffe daselbst finden könten, wurden derowegen von dem Capitain Horn und einigen seiner Leute dahin gefahren, und ergötzten uns nicht wenig über den angenehmen Platz, wo die 12. Bäume um den grossen herum stunden,


NB. Dieses ist der kleine Platz, welcher, weil er von 2. kleinen Ströhmlein, die aus der grossen See kommen, und unten zusammen lauffen, fast die Gestalt einer Zunge hat, und auf dem Grund-Risse der Insul Klein-Felsenburg, gleich unter dem Platze, der mit P. bezeichnet, im 2ten Theile pag. 452. zu sehen ist.


betrachteten alles sehr genau, und fingen endlich an zu graben, fanden auch diesen und folgenden Tag in einem kleinen Bezirck noch 9. eben solche ausgearbeitete Steine, mit eben solchen Deckeln, worauf eben solche Figuren, wie auf dem ersten eingehauen waren, doch fand sich nur noch in einem Steine ein güldener, in 5. Steinen aber nur silberne Becher, in 3. Steinen aber waren gar keine Becher, sondern die Asche und die Stücklein gebrandter Knochen waren nur so bloß hinein gethan worden. Nachdem wir aber noch einen gewaltigen Fleck um- und ausgegraben, jedoch nicht das[300] allergeringste mehr gefunden hatten, vermerckten wir endlich, daß nichts mehr vorhanden wäre, seegelten derowegen mit diesen unsern gefundenen Raritäten wiederum zurück an den Ort, wo die Hütten stunden, betrachteten alle diese Urnen sehr genau, konten aber, wie gesagt, nichts als unbekandte Characters darane finden. Abends, da die Sonne unterging, und wir, im Grünen sitzende, indem wir Caffée truncken und Toback dabey rauchten, unsere Gesichter gegen den grossen Berg O, kehreten, præsentirte sich dessen hohe Felsen-Spitze gantz Feuer-roth, so, daß sie zuweilen einer würcklichen Feuer-Flamme gantz ähnlich sahe, welches zu verschiedenen curieusen Gesprächen Anlaß gab, endlich, da sich Mons. van Blac wünschte, bey hellem Wetter ein oder ein paar Stunde, auf dieser entsetzlich hohen Felsen-Spitze stehen und sich recht umsehen zu können, sagten wir ihm, daß uns eben dergleichen Neugierigkeit, vor einigen Jahren, bey erstmahliger Besichtigung dieser Insul, dahin getrieben, wir hätten aber kaum die Helffte des Berges erklettern, und weil es gar zu steil, die Spitze nicht erreichen können.

Hierauf ersuchte uns Mons. van Blac, morgenden Tag noch da zu bleiben, und ihm zu Gefallen den Berg noch einmnhl mit zu steigen, Mons. Litzberg und die andern, die zum Theil auch noch nicht auf dem hohen Berge gewesen waren, ließ sich nebst mir leichtlich hierzu bereden, derowegen legten wir uns bey Zeiten schlaffen, um den March dahin desto früher anzutreten.

Früh Morgens, so bald der Tag anbrach, weckten[301] wir einander auf, da sich aber Mons. van Blac ermunterte, sprach er: Ich könte mich nun fast der Mühe überheben, den grossen Berg zu besteigen, denn ich habe ihn heunte Nacht im Traume schon bestiegen, aber wenn ich noch daran gedencke, so stehen mir die Haare zu Berge, denn da wir kaum halb hinauf waren, kamen uns aus einer düstern Höle 12. grosse Vögel, so schwartz, als die Raben, und noch grösser, als die Gänse, entgegen geflogen, und schwungen sich in die Lufft, ich wagte mich in die Felsen-Klufft oder Höle, erblickte aber etliche unbekandte grimmige Thiere, deren Gestalt recht entsetzlich war, so, daß ich, ob sie mir gleich nichts thaten, nur von dem blossen Anblicke doch noch zitterte, als man mich aufweckte.

Wir hatten demnach unsern Spaaß mit Mons. van Blac über dieses Gesichte, und sagten endlich, wenn er denn so furchtsam wäre, wolten wir unsere Lust-Reise nach dem Berge lieber einstellen, und zurück nach Groß-Felsenburg fahren, allein, er protestirte wider das letztere, und sagte: er wolle nun doch mit rechtem Ernste versuchen, wie hoch er an der grossen Felsen-Spitze hinauf klettern könne.

Demnach begaben wir Groß-Felsenburger, als wir ein gutes Früh-Stück ein- auch einen ziemlichen Theil Speise und Geträncke zur Vorsorge mit auf den Weg genommen, uns sämmtlich allein auf die Reise, denn der Capitain Horn gab auf unser Nöthigen, zu verstehen, daß er eben diesen Tag mit seinen Leuten ein solches Stück Arbeit[302] vor hätte, worbey seine Gegenwart unumgänglich erfodert würde, über dieses, so wäre er Zeit seines Hierseyns, schon viermahl den Berg von allen Seiten, in Gesellschafft aller seiner Leute zu besteigen, so curieux gewesen, allein, sie hätten wenig Plaisir darauf gefunden, und nichts darvon getragen, als müde Beine. Also liessen wir ihn da bleiben, bathen uns auf den, morgenden Tag ein gutes Mittags-Brod aus, indem wir uns nicht zu starck strapaziren, sondern des Nachts unterwegs bleiben und ausruhen wolten; marchirten also fort, gelangten auch eben um die Mittags-Zeit am Fusse des Berges an.

Weil wir nun vor einigen Jahren an der Ost-Sud-Seite den Berg hinnan gestiegen waren, so war mein Rath, daß wir denselben voritzo an der Nord-West-Ecke hinauf beklettern wolten. Einige redeten zwar darwider, weil es auf dieser Seite gar zu uneben und steinig wäre, allein, Mons. van Blac fiel meiner Meynung vor allen andern bey, indem er vorstellete, daß, obgleich der Berg allhier unbequemer zu besteigen wäre, so hätten wir hergegen die Last nicht, daß uns die Sonne so starck auf den Leib und ins Gesichte brennete, also folgten alle dem van Blac und mir nach.

Es war aber in Wahrheit ein rechter Mord-Weg, denn ob wir gleich keine steile Klippen zu erklettern hatten, sondern immer Schlangen-weise zwischen grossen Hügeln gerade aufgehen konten, so war doch der Fuß-Boden wegen der grossen und kleinen Schiefer-und Sand-Steine, die vom Regen und Wetter da hinein gebracht waren, dergestalt[303] böse, daß man sich vor dem Fallen sehr wohl in Acht nehmen muste; Mons van Blac aber, der vor mir her ging, sagte öffters lachend zu mir: Diß ist würcklich der Weg, von dem mich in vergangener Nacht geträumet hat. Endlich, nachdem wir fast 2. gute Stunden Berg- auf gestiegen waren, gelangten wir auf einem Hügel an, der oben gantz platt wie ein Tisch, und ziemlich dicke mit Moose und grünem Grase bewachsen war. Dieser angenehme Platz nöthigte uns fast mit Gewalt zum Ausruhen, und etwas Speise und Tranck zu uns zu nehmen, indem wir ein ziemlich breites steinigtes Thal vor uns sahen, welches wir erstlich paßiren musten, wenn wir an den rechten Berg, auf welchem die entsetzlich hohe Felsen-Spitze stund, gelangen wolten.

Allein, eine besondere Begebenheit setzte uns dahier in nicht geringe Verwunderung und Erstaunen: denn, da wir noch im besten Speisen waren, und alle mit einander unsere Gesichter gegen den grossen Berg gewendet hatten, kam immer ein schwartzer grosser Vogel nach dem andern aus einer Klufft des Felsens heraus geflogen, wir zähleten deren accurat zwölffe, warteten aber vergeblich auf mehrere, hergegen schwungen sich diese hoch in die Lufft, machten, nachdem sie alle 12. zusammen gekommen, ein gräßliches Geschrey, und nahmen ihren Flug nach Süden zu, weßwegen wir in unserer Meynung gestärckt wurden, daß sich in selbiger Gegend nach dem Süd-Pol zu, noch mehr Land befinden müsse. Inzwischen konten wir diese Vögel eine lange Zeit fliegen sehen und schreyen[304] hören; nachdem sie sich aber gäntzlich aus unsern Gesicht und Gehör verlohren, sahen wir alle den Mons. van Blac an, und verwunderten uns höchlich, daß sein Traum auch in diesem Stücke so accurat eingetroffen wäre. Er hingegen schien sehr muthig zu seyn, und sagte: Meine Herren und Freunde, ich bin in meinem Hertzen vollkommen versichert, daß wir in diesem Gebürge, nach der alten Art zu reden, ein besonderes Abentheuer antreffen werden, derowegen lasset uns, weil es noch hoch am Tage, auf die Felsen-Klufft zu wandern; gönnet mir die Ehre, daß ich voraus gehe, und sehe, wie es in derselbigen beschaffen, indem ich, als ein Mensch, der viele Gefährlichkeiten ausgestanden, Courage genung darzu habe. Wir weigerten uns nicht, ihm zu folgen, und erreichten nach Verlauff einer guten halben Stunde mit vieler Beschwerlichkeit den Eingang zu der Felsen-Klufft, welchen wir aber gantz anders befanden, als er sich unsern Augen von ferne præsentirete, denn auf beyden Seiten hatte, dem Ansehen nach, die Natur, so zu sagen, hohe Mauern oder Pfeiler gesetzt, zwischen welchen nur eine Person auf dem schmalen Wege hingehen, und sonst nichts, als die hohen Felsen-Mauern neben sich, und den Himmel über sich sehen konte, so war auch dieser schmale Weg, der 3. Krümmen hatte, hundert und etliche 30. Schritte lang. Mons. van Blac, der sehr emsig im Gehen war, blieb endlich stehen, und rieff zurück: Halt! hier ist das Ende, weiter können wir nicht kommen. Demnach versa leten wir uns alle, als wir aus dem schmalen Gange heraus gekommen waren, um ihn herum, auf[305] einem Ufer, welches nur 18. Schritt breit und etliche 40. Schritt lang war. Hier schien es, als ob diese Felsen mit aller Gewalt von dem grossen Klumpen abgerissen wären, und vor uns auf dem Fuß-Boden fanden wir einen Riß oder Schlufft, etwa 10. biß 12. Ellen breit. Es stunden einem, wenn man da hinunter in die Tieffe und dicke Finsterniß sahe, die Haare zu Berge, über dieses machte das, in diesem Abgrunde wallende Wasser, ein recht wunderlich und fürchterliches Getöse, weßwegen niemand grosse Lust bezeigte, sich lange bey diesem terriblen Schlunde aufzuhalten. Auf der andern Seite aber sahen wir ebenfals wieder einen Riß oder Spalte von oben herunter in dem grossen Berge, zu welchem eine ordentliche Treppe von mehr als 30. Stuffen hinauf ging, welche wir schwerlich von Natur also, sondern von Menschen-Händen ausgehauen und gemacht zu seyn, beurtheileten. O! wenn wir doch über den schändlichen Abgrund hinüber wären, sagte Mons. van Blac, denn ich mercke schon, diese Treppe führet an einen Ort, wo sich Curiositäten befinden. Allein, sein und unser aller Wünschen war vergebens, denn, weder zur rechten noch zur lincken Hand, konten wir den Anfang noch das Ende, wegen der steilen Felsen, erforschen, und auf jener Seite war es eben so schlimm, auch nirgends aufzusteigen, als auf der ausgehauenen Treppe.

Dem ohngeacht stunden wir noch fast eine gantze Stunde daselbst, um alles desto genauer zu mercken, kehreten endlich durch den vorigen Weg zurücke, und kamen sehr ermüdet auf dem grünen[306] Platze an, allwo wir etliche Stunden vorhero gespeiset und den Ausflug der Vögel gesehen hatten, beschlossen auch, die Nacht über, welche sehr warm und angenehm war, allda zu verbleiben. Mons. van Blac hatte seine Grillen, daß nehmlich in dem grossen Berge, vielleicht eine ausgehauene Wohnung und andere Spuren von Menschen anzutreffen seyn würden, einem jeden von uns allen dergestalt scharff eingeprägt, daß wir auch alle glaubten, es könte und muste nicht anders seyn, derowegen berathschlagten wir biß in die späte Nacht, was zu thun sey? Beschlossen erstlich, gleich morgen des Tages wieder zurück nach Felsenburg zu fahren, unsern Aeltern und andern guten Freunden alle diese Seltsamkeiten, so wir allhier gefunden, zu zeigen und zu erzählen, nachhero wieder herüber zu rudern, lange Balcken und Bolen herbey zu schaffen, um eine rechte veste Brücke über den Abgrund zu schlagen, und so dann hinüber zu paßiren; doch würde auch nöthig seyn, daß wir Fackeln, Wind-Lichter, Gewehr und andere Bedürffnisse mit uns nähmen, indem wir nicht wüsten, ob man in dunckele Gänge oder Hölen gerathen, und daselbst etwa mit Schlangen oder andern Thieren zu streiten haben würde. Hiernächst wurde auch verabredet, dem Capitain Horn nicht alle unsere Gedancken zu offenbaren, jedoch denselben zu bitten, uns durch seine Leute in dem nächst an dem Berge gelegenen Walde etwa 6. oder 8. Stück, 15. biß 16. Ellen, lange Balcken, und denn auch etliche 30. biß 40. Queer-Stücke aushauen und an den Fuß des Gebürges schaffen zu lassen; zu welchem Ende wir ihm denn einige Zeichen[307] auf dem Wege dahin machen wolten. Hierauf schlieffen wir etliche Stunden biß zu Anbruch des Tages, machten uns so dann auf die Beine, und gelangeten zeitig bey dem Capitain Horn an, statteten ihm Nachricht von unserer Reise ab, so viel er nehmlich davon wissen solte, fanden denselben zu allem, was wir von ihm begehrten, willig, nahmen die Mittags-Mahlzeit mit ihm ein, nachhero Abschied, versprachen, in wenig Tagen wieder zu kommen, liessen die gefundenen Urnen auf unser Schiff tragen, versprachen des Capitain Horns Leuten vor den ersten Fund, einem jeden bey der Abreise besonders ein halb Pfund Gold zum Gratial zu geben, stiegen ein, seegelten auf Groß-Felsenburg zu, und kamen in später Nacht in unsern Wohnungen an.

Mir war es eine besondere Freude, daß ich meine liebste Cordula nebst meinem kleinen Sohne bey vollkommener Gesundheit wieder fand, folgendes Tages liessen wir die 10. Urnen aus dem Fahrzeuge auf die Albertus-Burg schaffen, da sich denn, um diese Antiquitäten zu sehen, eine grosse Menge Volcks etliche Tage nach einander einfand, allein, auch die klügsten, verständigsten und gelehrtesten wusten nichts anders davon zu urtheilen, als was wir schon anfänglich in Klein-Felsenburg davon geurtheilet hatten. Die Characteres wuste auch kein Mensch auszulegen, ohngeacht unsere Herren Geistlichen im Arabischen, Syrischen, Chaldäischen Schrifften und Signaturen nicht unerfahren waren. Doch hielt Herr Mag. Schmeltzer davor, es könten vielleicht eine solche Art von Heyden gewesen[308] seyn, welche die Sonne, als ihren höchsten Gott, angebetet hätten, weil die Sonne nicht undeutlich, als ein alles regierendes Wesen, recht in der Mitte des Deckels der Urnen abgebildet wäre, hiernächst hielt er das oberste Zeichen vor den Mond, und das unterste vor ihren irrdischen Haupt-Götzen, weil dieses Zeichen etwas gröber ausgedruckt wäre als die andern 10. welche vielleicht die übrigen Planeten oder andere Gestirne, oder auch wohl andere selbst erwählte Götzen anzeigen solten. Doch wolte Herr Mag. Schmeltzer diese seine Meynung vor keine untrügliche Wahrheit ausgeben, wir aber hielten dieselbe, allen Umständen nach, vor sehr vernunfftmäßig. Da wir nun nachhero eine Relation von demjenigen abstatteten, was wir bereits weiter erforscht, und noch ferner zu untersuchen willens wären, fanden sich nebst dem Alt-Vater sehr viele, welche uns von diesen verwegenen und gefährlichen Vornehmen abrathen wolten, andere Wagehälse hingegen bothen sich an, uns Gesellschafft zu leisten, allein, wir liessen uns von den erstern nichts einreden und abschrecken, den letztern aber schlugen wir ihr Anerbiethen höflich ab, weil die Compagnie sonsten gar zu starck, mithin verdrüßlich worden wäre, in Klein-Felsenburg aber ohnedem Helffers-Helffer genung anzutreffen waren.

Man machte derowegen alles zu unserer Abfahrt fertig, und wartete nur, mir zu Gefallen, biß meine Cordula am 19. Mart. zur Kirche gegangen war, Montags den 23. dito aber ging die Reise fort, nachdem wir uns mit Flinten, Pistolen,[309] Seiten-Gewehr, Fackeln, Wind-Lichtern, auch allerhand kräfftigen Speisen und Geträncke wohl besorgt hatten, und zwar so waren es eben diejenigen Personen, welche das vorige mahl mit gewesen waren, biß auf Lademannen, der kranck worden war, und an dessen Stelle wir den jungen Chirurgum Julium mit nahmen. Noch Vormittags gelangten wir bey dem Capitain Horn an, erfuhren von ihm, daß er unsern Willen in allen Stücken erfüllen, und die bestellten Holtz Stücken an den bezeichneten Ort, am Grunde der Hügel bringen lassen, weßwegen wir nur in der Geschwindigkeit etwas speiseten, so dann unsern Weg, in Begleitung des Capitain Horns und aller seiner Leute, biß auf ihrer 4. die theils Schäden an sich hatten, theils etwas unpäßlich waren, vor uns nahmen, und den Ort gar bald erreichten, wo das zugehauene Holtz lag. Hier packte nun alles an, was Hände hatte, die grossen und kleinen Stücken, theils Berg auf, mit Seilen zu schleppen, theils hinauf zu tragen, brachten auch noch vor Nachts alle Stücken hinunter in das Thal vor den schmalen Weg, stärckten hernach unsere abgemarteten Leiber mit Speise und Tranck, und legten uns endlich unter freyem Himmel zur Ruhe.

Noch vor Aufgang der Sonnen ermunterten wir uns wieder, verrichteten unser Morgen-Gebeth einstimmig, damit uns GOtt vor allen Schaden und Gefahr bewahren möchte, sungen ein paar geistliche Lieder, nahmen hieraus das Früh-Stück ein, und gingen mit aufgehender Sonne auch wieder[310] an unsere Arbeit. Allein, war uns die gestrige sauer geworden, so war in Wahrheit die heutige noch zehnmahl beschwerlicher, denn wie kühle es auch in dem engen Wege, zwischen den zwey Felsen-Mauern war, so brach uns doch der Schweiß aus, die langen Balcken hindurch zu bringen, weil wir dieselben bey jeder Krümme empor heben und also herum tragen musten, noch weit mühsamer aber war, selbige mit einem Ende auf das jenseitige Ufer des Abgrundes zu bringen, indem wir wenig Raum, auch keine tüchtige Machinen darzu hatten, jedoch es muste endlich alles angehen, wie wir denn noch vor Nachts die 8. langen Balcken in ihr ordentliches Lager brachten, nachhero aber sehr ermüdet unsere Bequemlichkeit auf dem steinigten Boden suchten, und uns sämmtlich auf demselben nieder lagerten. Viele unter unserer Gesellschafft schlieffen, nachdem wir Beth-Stunde gehalten, auf diesem, obschon elenden Lager, bald ein, allein, mir war es unmöglich einzuschlaffen, weil ich, wegen der schmertzlich drückenden Steine, ohngeacht ich meinen Rock darauf gebreitet, mich alle Augenblick einmahl umwenden muste; außerdem machte das Wasser in dem Schlunde, welches vermutlich in selbiger Gegend einen starcken Abfall haben mochte, in der stillen Nacht ein solches gräßliches Getöse, daß meine Ohren mehr als zu verdrüßlich wurden, selbiges anzuhören. Dem Mons. van Blac und dem Chirurgo Julio mochte es eben so gehen wie mir, derowegen stunden sie auf, setzten sich bey das angemachte Feuer, und fingen an, Toback zu rauchen, also[311] stund ich auch auf, und leistete ihnen Gesellschafft. Mons. van Blac erzählete von vielen Wunder-Dingen der Natur, die er auf seinen Reisen angemerckt hatte, und wir beyde höreten ihm fleißig zu, mithin wurde uns die Zeit gar nicht lang, allein, wir erschracken ziemlichermassen, da plötzlich gegen uns über, aus der Felsen-Klufft eine Feuer-Flamme in die Höhe fuhr, eben als wenn Colofonium durch ein starckes Rohr wäre geblasen worden. Wir sahen einander stillschweigend an, und wusten nicht, was wir davon sagen und dencken solten, Mons. van Blac aber sahe nach seiner Uhr, und sagte: Es ist itzo accurat die Mitternachts-Stunde eingetreten, entweder hat der Satan sein Spiel, oder es ist eine entzündete Schwefel- oder Salpeter-Dunst gewesen. Ich gab ihm Beyfall, etwa 4 oder 5. Minuten hernach aber, kam eben dergleichen Flamme zum andern mahle, und wieder nach so langer Zeit, zum dritten mahle heraus gefahren; weiln wir nun solchergestalt glaubten, es würde dieses noch öffter geschehen, so weckten wir die nahe liegenden Mons. Wolffgangen und Litzbergen nebst noch einigen andern auf, und diese hatten sich kaum ermuntert, auch angehöret, was passirt war, als eben dergleichen Blitz zum 4ten mahle geschahe, und alle 4. biß 5. Minuten ordentlich wiederholt wurde. Endlich da er zum 12ten mahle heraus gefahren war, sahe Mons. van Blac abermahls nach seiner Uhr, und sagte: Was guts? wenn es ein Spielfechten des Satans ist, so wird es nun bald ein Ende haben, denn die Mitternachts-Stunde ist bald vorbey.[312]

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als eine gräßliche Stimme, die so starck war, als wenn 10. ja 20. Ochsen auf einmahl brülleten, die abgesetzten Sylben aus der Felsen-Klufft heraus rieff: Ka-to-ma-hoom. Es währete dieser Ruf, so zu sagen, in einem Athem, ohngefähr eine halbe Minute, worauf eine andere viel schwächere und gantz kläglich lautende Stimme, die, unsers Bedünckens, oben, zwischen den Felsen des schmalen Ganges hinter uns, heraus schallete, zur Antwort gab: Ur-mi-di. Hierauf höreten wir augenblicklich ein entsetzliches Geheule aus der Felsen-Klufft erschallen, eben als wenn eine gewaltige Anzahl Wölffe, Katzen, Eulen und dergleichen wohlsingende Thiere in einem Gewölbe eine Vocal-Music machten. Dieses Geheule dauerte ohngefähr 3. Minuten, worauf alles stille wurde. Mons. van Blac sagte: Nunmehro ist die Mitternachts-Stunde vorbey, und wir höreten, und sahen auch würcklich weiter nichts, biß der helle Tag anbrach, da sich denn die andern alle ermunterten, und sehr verwunderten, daß sie, nach erhaltener Nachricht von dem, was passirt war, nicht das geringste gehöret hatten.

Wir hielten hierauf die Morgen-Beth-Stunde, und sungen unter andern das Lied: GOtt der Vater wohn uns bey etc. verzehreten das Früh-Stück, und sahen nachhero zu, wie Capitain Horns Leute wechsels-weise die kleinen Quer-Höltzer mit eisernen Clammern, deren wir eine ziemliche Anzahl mitgebracht hatten, an einander und auch an die langen Balcken bevestigten, so,[313] daß sich nichts schieben solte, und wir also ohne alle Gefahr, nicht nur darüber gehen, sondern auch wohl ziemliche Lasten hätten tragen können.

Etwa 2. Stunden über Mittag war also die gantze Brücke fertig, allein, wir hielten nicht vor rathsam, gegen den Abend oder die Nacht zu, die jenseitige Klufft zu untersuchen, oder den grossen Berg zu beklettern, sondern es lieber zu sparen biß Morgen früh, damit wir den Tag vor uns hätten; was mir aber am besten gefiel, war dieses, daß der Capitain Horn seine Leute befehligte, nach ihren Hütten umzukehren, und zwar unter dem Vorwande, daß sie nicht so viel an ihrer Schiffs-Arbeit verabsäumen möchten, ausserdem so wäre eine so gar starcke Compagnie bey dergleichen Vornehmen, als wir hätten, nur beschwerlich, wenn wir aber ja etwas curieuses finden solten, wolten wir ihnen schon Nachricht davon geben, damit sie es hernachmahls nach Belieben auch in Augenschein nehmen könten, weiln ja der Weg offen bliebe, u.s.w.

Die guten Leute liessen sich so gleich weisen, parirten Commando, gingen frölich zurück, und versprachen, Morgen gegen Abend eine gute Mahlzeit vor uns zuzubereiten. Als sie fort waren, legten ich und diejenigen, welche in vergangener Nacht gar nicht geschlaffen hatten, uns in etwas zur Ruhe, und schlieffen indessen, da die andern, so geschlaffen hatten, Wechsels-weise zu wachen versprochen, sehr wohl, biß ein paar Stunden nach Untergang der Sonnen. Mittlerweile war von den munter gebliebenen ein groß Feuer angemacht[314] worden, um selbiges setzten wir uns herum, und warteten mit Verlangen, ob in der heuntigen Mitternachts-Stunde, abermahls etwas besonderes zu sehen und zu hören seyn würde.

Mons. van Blac sahe dieserwegen fleißig nach seiner Uhr, und als es kaum eine Minute über 11. Uhr war, kam eine gewaltige grosse Feuer-Kugel aus der Felsen-Klufft die Treppe herunter, und auf unsere Brücke gerollet, schwermete fast einer Minuten lang mitten auf derselben herum, und stürtzte sich endlich hinunter in den Abgrund, in welchem ein solches entsetztliches Geprassele und Getöse entstund, daß uns fast allen, sowohl über eins als über das andere, ein Grausen ankommen wolte, der eintzige Mons. van Blac sagte mit Lachen: Nur nicht näher! so geths noch hin. Ich bath ihn stille zu seyn, er aber sprach: man siehet nun doch wohl, daß es nichts natürliches, sondern ein teuffelisches Blendwerck ist, deßwegen muß man dem Teuffel die Liebe nicht thun, und sich vor ihm fürchten, vielmehr seiner spotten; Wir haben uns GOtt besohlen, und sind nicht gesonnen, etwas böses auszuüben, was hat der Teuffel vor Macht an uns? Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als die andere Feuer-Kugel aus der Klufft Himmel zu fuhr, sich gemächlich wieder herunter senckte, eben als wenn sie zwischen uns niederfallen wolle, weßwegen wir indem aufspringen und zurück lauffen wolten, allein, da sie noch wohl 50. Ellen über uns war, verging sie plötzlich als ein Wind. Mons. van Blac hatte in Wahrheit die meiste Courage unter uns[315] allen, denn er blieb ohnbeweglich sitzen, schalt unsere Furcht, die wir wegen des Teuffels-Gauckeley hätten, und ermahnete uns, ein stärcker Vertrauen auf den Göttlichen Schutz zu setzen. Demnach blieben wir gantz hertzhafft sitzen, ob gleich vor Verlauff dieser Stunde noch 10. Feuer-Kugeln aus der Felsen-Klufft heraus geflogen kamen, die theils auf der Brücke herum schwermeten, und sich hernach in den Abgrund stürtzten, theils hoch in die Lufft stiegen, im Heruntersincken aber verschwanden. Nachdem dieses Feuer-Werck vorbey war, ließ die Stimme aus der Felsen-Klufft folgende deutliche Sylben erschallen: On-za-to hoom! und die hinter uns antwortete noch kläglicher als gestern: Mi-di-schriz-schriz-schriz! Hierauf hörete man abermahls ein gräßliches Brüllen, Heulen und Winseln aus dem grossen Berge erschallen, eben als wenn lauter Löwen, Bären, Wölffe, Hunde, Katzen und dergleichen Thiere darinnen befindlich wären, da aber die Mitternachts-Stunde zu Ende, ward alles auf einmahl stille, derowegen schlieffen wir Wechsels-weise, biß der helle Tag wieder da war.

Nachdem wir uns ingesammt in einem andächtigen Morgen-Gebeth GOtt befohlen, auch die Leiber mit kräfftiger Speise und köstlichen Weine gestärckt hatten, steckten wir, jeder die Taschen voll Victualien, hingen die mit Wein gefülleten Flaschen über die Schultern, nahmen in die lincke Hand eine Pech-Fackel oder Wind-Licht, in die rechte aber theils einen Degen oder Pistol, deren jeder ein paar vor sich im Gurt gesteckt mit sich genommen,[316] die Flinten hingen gleichfalls auf den Schultern, und also marchirten wir Paar und Paar über die Brücke hinüber, an welcher nicht das geringste zu sehen war, daß sich in vergangener Nacht Feuer-Kugeln darauf herum getummelt hatten. So bald wir die Stuffen hinauf und in die Felsen-Klufft eingetreten waren, zeigte sich ein ohngefähr 3. Ellen breiter Gang gegen Süden zu, der jedoch von forne zu vollkommen durch das Tages-Licht erleuchtet wurde, welches von oben durch die Felsen-Ritzen hinein fiel, endlich wandte sich der Weg auf einmahl gegen Osten, und als wir denselben etwa 20. Schritt passirt, war kein Tages-Licht mehr, sondern eine dicke Finsterniß vor uns zu sehen; weßwegen wir alle unsere Fackeln und Laternen ansteckten. Mons. van Blac und der Capitain Horn gingen voraus, die Capitains Wolffgang und Wodley folgten ihnen, hernach kam Mons. Litzberg und ich, auch die übrigen Paar und Paar. Bißhero war uns nicht das geringste von Ungeziefer vor die Augen gekommen, doch nunmehro, da wir die Feuchtigkeit spüreten, ging auch die Furcht vor dem Ungeziefer an, allein, wir merckten nichts, sondern kamen, nachdem wir etwa 100. Schritt durch die Finsterniß gegangen waren, auf einem 20. Schritte langen auch so breiten Platze alle zusammen zu stehen. Der Platz war ziemlich viereckig, biß 7. Ellen hoch, und oben als ein Gewölbe, sonsten aber an dessen Seiten nichts von Figuren oder sonsten etwas zu bemercken. Gleichwie wir nun bißhero nur einen kurtzen Strich gegen Osten, hergegen immer[317] nach Süden zu gegangen waren, so fand sich auch auf derselben Seite ein 3. Ellen hohes Loch oder Thür, oben mit einem ordentlich ausgehauenen Schwibbogen, und nach fernerer Untersuchung eine Treppe von breiten Stuffen in die Tieffe. Ehe wir da hinein traten, thaten wir alle erstlich einen guten Schluck Weins, hernach ging die Reise fort, und ich kan nicht läugnen, daß, als ich schon 200. Schritt hinab gezählet hatte, und dennoch kein Ende zu sehen war, mir, ohngeacht der Gesellschafft, doch gantz bange ums Hertze wurde. Endlich, ehe wir es uns versahen, befanden wir uns vor einem ordentlichen Tempel, in welchen das Tags-Licht durch etliche Oeffnungen des Felsens hell und klar hinein fiel, weßwegen ein Theil unserer Fackeln und Wind-Lichter ausgelöscht und nur einige derselben brennend hingesetzt wurden, wir aber gingen sämtlich in den Tempel hinein, um denselben genauer zu betrachten, da wir denn Dinge fanden, welche wir allhier nimmermehr gesucht hätten. Um aber alles genau zu beschreiben, so war der Tempel im Umfange gantz rund, in der weite 68. Ellen, und 26. Ellen hoch, nehmlich da, wo er am höchsten war, denn die Decke war auch rund, als ob sie ordentlich ausgewölbt wäre, da es doch nur durch Menschen also ausgehölet war.

In der Mitte dieses Tempels befand sich ein runder Altar, auf selbigen ein etwa Ellen hohes Gestelle, und auf diesen ruhete eine guldene Kugel, die im Durchschnitte 3. Viertel-Ellen hatte, und deren eingefügte grosse, mittelmäßige und kleine Diamanten und andere edlen Steine einen wunderbaren[318] schönen Glantz gaben, ja rechte Strahlen von sich warffen, zumahlen, da wir nachhero bey Nachts-Zeit Lichter dargegen stelleten. Rings um diesen Altar herum, zähleten wir 12. halb-runde Altäre an den Wänden des Tempels angefügt, auf deren jeden ein 2. Ellen hohes massiv-güldenes Götzen-Bild, und zwar in ordentlicher Weite von einander stunden. Das erste, so der Thür, wo wir hinein getreten, gegen über stund, præsentirte sich in Gestalt eines Frauenzimmers, die einen mit Edelgesteinen besetzten halben Mond auf dem Kopffe, in den Händen aber einen gespanneten Bogen mit darauf gelegten Pfeile hatte, und sich stellete, als ob sie eben loß drücken wolte; zu ihren Füssen waren 2. Hirsch-Köpffe mit Geweyhen, ebenfalls von Golde zu sehen. Das andere von oben her, uns zur Rechten, war ein scheußliches Monstrum, indem es einen Kopff fast wie eine Nacht-Eule, vor der Stirn nur ein grosses Auge, sonsten aber fast über und über die Gestalt eines Bären hatte. Das dritte machte die Stellung eines ergrimmten Menschen, der etwas mit der Keule in Stücken zerschlagen will. Das vierte war zwar auch am Leibe gestaltet als ein Mensch, hatte aber einen Hunds-Kopff mit einem geraden spitzigen Horne. Das fünffte zeigte die Figur eines aufgerichts sitzenden Ochsen, der die beyden Vorder-Pfoten ausstreckte, und den Rachen weit aufsperrete. Das sechste stellete das ordentliche Bildniß des Neptuni oder Meer-Gottes mit seiner dreyzackigten Gabel dar, so, wie es heutiges Tages gemahlt oder ausgehauen wird. Das siebende war unter allen das scheußlichste, indem es[319] einen Löwen-Kopff mit krummen Hörnern und grausame Krallen an den ausgebreiteten Vorder-Pfoten hatte. In die Augen waren ihm 2. grosse Diamanten eingesetzt, welche starcke Strahlen von sich warffen, mithin dieses Bild desto gräßlicher vorstelleten, dessen Unter-Leib die Gestalt eines halben Frosches hatte; am allerschändlichsten aber præsentirte sich dasjenige Glied, welches zu verdecken, selbst die Natur erinnert, allein, hier schien es, als wenn das Modell von einem brünstigen Hirsche genommen wäre. Das achte Götzen-Bild, welches an unserer Eingangs-Thür zur Lincken stunde, fiel gegen das vorige etwas besser in die Augen, indem es ein lächlendes Frauenzimmer vorstellete, die auf dem Haupte eine Crone, von Aehren und allerley Blumen, die reichlich mit Edelgesteinen besetzt, unter dem rechten Arme ein Gefäß mit Obst-Werck, in der lincken Hand aber einen Becher hatte. Unsern Muthmassungen nach, solte dieses Bild vielleicht die Göttin Ceres, so, wie das erste, etwa die Dianam vorstellen. Das neunte hatte die ordentliche Figur eines Affen, der auf dem Hintergestelle saß, die eine Vorder-Pfote in die Höhe, die andere aber niederwerts reckte, und die Zähne fletschte. Das zehende war abermahls ein schändliches Monstrum, indem auf 2. Greiffen-Klauen ein fast Kugel-runder sehr dicker Bauch, woran ein weibliches Geburths-Glied aus ärgerliliche Art bemerckt, zu sehen war. Um den Nabel herum zeigeten sich 6. Zitzen, oben aber lieff der gantze Bauch, ohne eine ordentliche Brust zu formiren, immer schmäler zu, so, daß es das Ansehen eines[320] Halses bekam, aus welchem 2. Hände gewachsen, die ein kleines nackendes Kind bey dem Kopffe hielten, dessen Füsse in dem weit ausgesparreten Maule des auf dem Halse stehenden breiten Kopffes stacken. Sonsten aber befand sich auf diesem Kopffe eine sauber ausgearbeitete Crone von güldnen Blättern, die dem Epheu gleichten, zwischen selbigen auch viele edle Steine. Das eilffte stellete eine junge vigoreuse Manns-Person mit verdeckter Schaam vor, indem selbige auf dem lincken Fusse stund, den rechten aber vor sich aufgehoben hatte. In der Rechten hielte sie einen Griffel, in der Lincken aber eine Tafel, und zwar so, als ob sie darauf schreiben wolte. Weiln auch auf dem Rücken Flügel zu sehen, so bedünckte uns, daß dieses Bild vielleicht den Mercurium vorstellen solte. Das zwölffte endlich, so der, von uns also genannten Diana gleich zur Rechten stund, war eine, auf einer Kugel mit dem Schwantze sitzende ordentliche Schlange, Schlangen-weise in die Höhe gerichtet, mit einem starcken Kopffe und funckelenden Augen, und einem im Maule haltenden güldenen Apffel.

Ausser diesen Götzen-Bildern und mehr gemeldten, war doch in dem gantzen so genannten Tempel nicht das geringste von andern Sachen mehr anzutreffen, auch kan ich mit Wahrheit versichern, daß nichts von Staube oder Beschlag, ohngeachtet es ein unterirrdisches Gewölbe, darinnen zu spüren war, sondern die güldenen Statuen oder Götzen-Bilder, gläntzten alle noch dergestalt, als ob sie erst gestern vom Goldschmiede verfertiget worden.

Anfänglich glaubten wir zwar nicht, daß alle diese[321] Bilder durchgehends von puren Golde wären, allein, da einige der unsern an verschiedenen ein und andere Proben gemacht, fiel fast aller Zweiffel, und derowegen waren wir ingesa t, über diesen gefundenen unschätzbaren Schatz fast ausser uns selbst, konten die ungemein saubere Arbeit nicht genung bewundern, und musten nunmehro vollkommen glauben, was die heilige Schrifft und so mancher Geschicht-Schreiber von den besondern Künstlern der alten Zeiten meldet. Endlich gingen wir davon ab, und fanden noch 3. andere Ausgänge aus diesem Tempel, deren 2. so wohl als der, da wir herein gekommen, offen stunden, von dem 4ten aber, der sich gegen Süden zu, gleich neben der Statua der Diana befand, bemerkten wir eine steinerne mit eisernen Stäben oder Riegeln wohl verwahrte Thür, welches uns einiges Nachdencken verursachte. Nachdem nun in Vorschlag gebracht worden, den Ausgang nach Westen zu, noch zu untersuchen, so bezeigten die wenigsten von unsern Gefährten Lust darzu, indem es weit über Mittag war, und der Abend heran zu nahen begunte, gaben vielmehr zu verstehen, daß wir bey Zeiten wieder zurück kehren möchten, weiln es über Nacht in diesen unterirrdischen Gewölbern zu verbleiben gar zu fürchterlich wäre. Allein, Mons. van Blac trat hervor, und hielt folgende heroische Rede: »Meine Herren! sagte er, wer wolte furchtsam seyn? es ist zwar leicht zu erachten, daß der Teuffel entsetzlich böse seyn wird, weil uns GOTT wunderbarer Weise hieher geführet hat, seine Capelle zu zernichten, in welcher er vielleicht noch[322] mit der Zeit neue Anbeter zu sehen vermeinet hat; allein, was wird er anders thun, als etwa unsern Augen ein Blendwerck und unsern Ohren ein Getöse vormachen können? Ich weiß, daß sich seine Krafft, Macht und Gewalt allenfalls nicht weiter erstrecken wird, und wir können mit Recht unser Gespötte darüber haben, da wir wissen, daß GOTT unser mächtiger Beschützer ist, dem zu Ehren und zu Lobe, wenn es nach meinem Sinne gehet, wir nächster Tags die schändlichen falschen Götter, auf der Insul Groß-Felsenburg, im Triumphe einführen wollen. Meine Herren! seyd derowegen Männer, lasset uns nur erstlich ein wenig erforschen, was es mit diesem Ausgange gegen Westen zu vor eine Bewandniß habe, und hernach bevorstehende Nacht mit Beten, Singen zu GOTT, in diesem Heyden-Tempel zubringen, denn es ist schwer zu glauben, daß, weil die Welt stehet, ein andächtig Vater Unser etc. an diesem Orte gebetet worden. Saget mir, ob GOTT hieran nicht einen besondern Gefallen haben wird, wenn man ihn an einen solchen Orte im Geist und in der Wahrheit anbetet, wo vielleicht vor diesen der Teuffel auf mancherley Art angebetet worden? Oder meinet ihr etwa, daß GOTT dieses Gewölbe, welches seine Langmuth so viele hundert oder tausend Jahre veste stehen, eben diese Nacht auf unsere Häupter wird einfallen lassen? Ich gläube es nicht, sondern hoffe, der GOtt, der uns hierher geführet hat, wird uns auch erhalten, dem Teuffel zum Trotz. Hiernächst legen wir, wenn wir diese Begebenheiten[323] nach Europa berichten wollen, vor aller Welt Ehre ein, und die gantze Welt wird sich wundern, daß wir solche Glücks-Kinder sind, die je mehr Schätze finden, je mehr sie anderen Bedürfftigen damit zu helffen geneigt sind. Ich vor meine Person gehe nicht von dannen; will niemand bey mir bleiben, so bleibe ich alleine hier, damit ich Morgen nicht den Herweg vor den Hinweg rechnen muß.«

Indem nun Mons. van Blac diese kleine Oration mit recht ernsthafften Gebärden hielt, schiene es, als ob die andern alle neuen Muth bekämen, derowegen versprachen wir, ihm, als dem glückseligen Vorgänger bey dieser Sache, in allen Stücken zu folgen, wo er hin wolte. Demnach steckten wir unsere Fackeln und Wind-Lichter an, und spatzirten in den dunckeln Gang nach Westen zu, welcher ohngefähr 80. Schritt lang war, und so dann ein Ende hatte, auf jeder Seite aber bemerckten wir 6. schmale Eingänge, weßwege wir im Rückwege selbige durchkrochen, mithin 12. geraumliche Cammern angetroffen wurden, in welchen wir einen starcken Vorrath von Eisen, Kupffer, Bley, allerhand wunderlich, jedoch zur Arbeit und Haußhaltung dienlichen Instrumenten, nebst dem, sehr viel verfault und vermodert Zeug fanden. Schauffeln, Picken, Hacken und dergleichen, lagen genung da, allein, die höltzernen Stiele an denselben, waren entweder schon verweset, oder sie zerfielen uns in den Händen, wie anderes faules Holtz. Mit Besichtigung anderer Instrumenten aber, die wir weder zu nennen noch ihren eigentlichen Nutzen wusten, brachten wir[324] endlich die Nacht heran, gingen deßwegen auch mit dieser Curiosität wohl vergnügt wieder zurück, lagerten uns in dem geraumlichen Vorhofe des Tempels, der so gleich vor der Thür nach Norden zu befindlich, auf den Boden, liessen unsere Wind-Lichter bey uns stehen, hielten die Abend-Mahlzeit, nach derselben aber eine andächtige Bet-Stunde, und warteten mit Verlangen auf die Mitternachts-Stunde. Allein, mit Eintritt derselben geschahe ein grausamer Knall, eben als wenn 100. Canonen auf einmahl gelöset würden, auf diesen folgte ein grausames Geprassele, der Boden bebete unter uns, und es lief sich anhören, als ob der gantze Berg in viel tausend Stücken zerspringen und in einen Klumpen zerfallen wolte. Wie uns hierbey zu Muthe gewesen, wird jederman leicht muthmassen, zumahlen da unsere Lichter nur einen kleinen Schein von sich gaben, als ob sie indem ausgehen wolten, weil ein dicker Staub oder Nebel dieselben verdunckelte. Endlich, da das gräßliche Geprassele und unser erster Schrecken über 3. Minuten lang gewähret, ward alles stille, wir spüreten keine Erschütterung mehr, unsere Lichter fingen an heller zu brennen, der dicke Nebel verzohe sich zum Theil, so, daß wir erstlich mit Verwunderung bemerckten, wie die auf dem Altar befindliche runde Kugel als ein Uhrwerck sehr schnell herum lieff, und Strahlen von allerhand Farben von sich warff. Ferner bemerckten wir, doch als im Nebel, womit der Tempel angefüllet war, daß sich Figuren wie Menschen in demselben regten, so theils gingen, theils stille stunden, theils auf dem Boden herum webelten. Um[325] halb 12. Uhr stund die Kugel auf einmal stille, aus dem Eingange nach Osten zu, erschallete ein gräßlicher Laut, als ob auf einem grossen Horne geblasen würde. Hierauf erhub sich ein wunderlich durch einander her, grob und klar klingendes Schreyen, Heulen und Winseln, welches etwa 4. Minuten währete, und als das Horn zum andern mahle geblasen wurde, so gleich aufhörete. Nach diesem ließ eine dumpffigte Stimme, die unserm Bedüncken nach aus dem grossen Altare kam, etliche unvernehmliche Worte hören, worauf sich ein sanfftes Gemurmele im gantzen Tempel erhub, inzwischen aber liessen sich bald dort bald da laute Stimmen hören, als ob sie etwas fragten, worauf ihnen die dumpffigte Stimme aus dem Altar allezeit ordentlich antwortete, biß endlich das Schreyen, Heulen und Winseln wieder anging, und sich nicht eher als bey Blasung des Horns endigte. Kaum war der Schall des Horns verschwunden, als sich eben ein so starcker Knall, wie vor einer Stunde, auch eben dergleichen Erschütterung, Gepoltere und Geprassele, zutrug, jedoch über alles dieses war der gantze Tempel voll lauter Feuer, und nicht anders anzusehen, als ein im höchsten Grad geheitzter Brenn- oder Schmeltz-Ofen, es schlugen etliche mahl Flammen heraus auf uns zu, weßwegen einige der Unsern furchtsam werden und zurück welchen wolten, allein, wir vordersten sassen wie unbewegliche Steine, liessen uns nichts anfechten, und ich kan versichern, daß die heraus schlagenden Flammen nicht die geringste Hitze mit sich brachten, sondern ein blosses Lufft-Spiel waren, welches[326] Gauckel-Spiel unter einem wiederholten Knall alles auf einmahl verschwand.

Nachdem wir uns von der gehabten Alteration, völlig erholt, vermeyneten einige, das Feuer würde im Tempel alles verzehret haben, allein, da unsere Lichter wiederum vollkommen helle zu brennen anfingen, sahen wir keine Veränderung, ja, Mons. van Blac war so hertzhafft, mit einer Laterne im gantzen Tempel herum zu spatziren, und meldete sodann, daß er alles unversehrt gefunden hätte.

Folgenden Morgens war unsere erste Arbeit, den Ausgang nach Osten durchzusuchen, und daselbst fand sich, nachdem wir nur etwa 10. oder 12. Schritte in die Höle hinein gethan, ein güldenes Horn, etwa so lang, als ein gekrümmter Manns-Arm, jedoch unten sehr weit und dick, an einer güldenen Kette hangen, gleich darneben auf der rechten Seite war eine offene Thür, durch welche wir in eine grosse Cammer, oder so zu sagen, Vorhoff traten, in welchem gerade vor uns, nach der Süd-Seite zu, 2. offen stehende, nach der Ost-Seite aber, eben so viel, jedoch verschlossene Thüren, zu sehen waren. Die erste von den offen stehenden führete uns in eine grosse Cammer, die ziemlich helle war, indem das Tages-Licht durch 2. grosse Felsen-Löcher hinein fiel, sonsten aber kam uns die Cammer als eine Küche, oder gar als ein Laboratorium vor, indem sich einige hohe und niedrige Heerde, so dann verschiedene kleine, auch ziemlich grosse Feuer- und Schmeltz-Oefen, ingleichen 2. eingemauerte küpfferne Pfannen, eine 4. die andere 21/2. Ellen lang, beyde aber 2. Ellen breit und tieff, an welchen allen[327] die Rauch-Fänge gar künstlich und geschickt oben hinaus geführet waren. Hiernächst fanden sich verschiedene in Ordnung gesetzte Instrumenta, als: Feuer-Röhre, Schauffeln, Gabeln, Hacken, eiserne und küpfferne Töpffe, Tiegel, Pfannen, Schaalen, grosse und kleine Platten, und dergleichen Zeug, welches man theils in der Küche, theils beym Schmeltzen und Laboriren brauchen kan; sonsten wurden noch 2. grosse zugedeckte Löcher entdeckt, deren eines gantz mit Kohlen, und das andere über die Helffte mit Asche angefüllet war, ausser diesem allen aber nichts besonderes merckwürdiges, weßwegen wir zurück und in die 2te offen stehende, Cammer gingen, die ebenfalls vom Tages-Licht erleuchtet war. Allhier zeigte sich der Thür gleich gegen über auf einem halb-runden Altare das Bildniß Phœbi, so, wie es noch heutiges Tages von den Mahlern und Bildhauern vorgestellet wird. Es war dasselbe so wohl wie die andern im Tempel 2. Ellen hoch, und von puren Golde. Auf jeder Seite des Altars, als wohin das meiste Tages-Licht fiel, stunde ein aus dem gantzen gehauener steinerner Tisch, vor jedem auch ein steinerner Sessel, in der Mitte eines jedweden Tisches aber war eine viereckigte, grosse, güldene, glatt-gemachte Platte eingefügt, an welchen so gleich zu mercken, daß sie heraus genommen werden konten; als wir demnach die auf dem Tische zur Rechten ausgehoben, fanden sich in dem ausgehölten Tische 253. küpfferne und 118. steinerne Täflein, jedes 8. Zoll lang und 51/2. Zoll breit. Es wurde erstlich von jeder Sorte nur eins, hernach alle zusammen heraus genommen,[328] jedoch numerirte Mons. Litzberg die küpffernen und ich die steinernen mit spitzigen Instrumenten, indem oben und unten an den Täfleins Platz genung darzu war. Auf allen Tafeln durchgehend, befanden sich, auf jeder Seite, nicht mehr und nicht weniger als 13. Zeilen Schrifft, die aber von uns so wenig gelesen, als nur ein eintziger Buchstabe oder Character erkandt werden konte. Mons. Litzberg wurde vor allen andern hierüber dergestalt verdrüßlich und ungedultig, daß er sprach: »Wolte der Himmel! daß alle in diesem Berge befindlichen Kostbarkeiten zu blossen gemeinen Steinen würden, wenn ich nur dagegen das Vergnügen haben solte, diese Schrifft lesen und auslegen zu können.«

Viele, worunter auch ich, waren mit ihm einstimmig, der Wunsch aber vergeblich, derowegen wurde alles wiederum ordentlich nach den Nummern hinein gelegt, und wir begaben uns an der andern Tisch, huben die güldene Platte gleichfalls auf, und fanden unter derselben 402. güldene Tafeln, jede 9. Zoll lang, 7. Zoll breit und 1/8. Zoll dicke. Auf jeglicher Seite waren ebenfals nicht mehr als 13. Zeilen, jedoch die Littern oder Characters etwas gröber ausgestochen, als in den vorherigen küpffernen und steinernen. Sie wurden alle ebenfals numerirt, und biß aus weitern Bescheid indessen wieder an ihren Ort und Stelle gelegt.

Lincker Hand, in der etwas dunckeln Ecke, sahe man eine, gleich einem Back Troge ausgehauene steinerne Lager-Statt, vor derselben eine Absatz,[329] Stuffe oder Banck, und zum Häupten in der Ecke einen Tisch, unter welchem in 3. Fächern allerhand Instrumenta, als Messer, Grabstichel und dergleichen von verschiedener Grösse in behöriger Ordnung lagen. Auf dem Tische und der Banck stunden und lagen verschiedene Sachen, als eine küpfferne Flasche, ein goldener Trinck-Becher, 2. Pfannen oder halbe Töpffe, 2. güldene Schalen, die an statt der Schüsseln, und so viel Platten, die an statt der Teller zu gebrauchen, verschiedenes kleineres Geschirr, ein Messer, ein Löffel, dessen Stiel eine Schlange vorstellete, und was es sonsten mehr war. In obgemeldeter Lager-Statt fand sich, nach genauer Besichtigung, erstlich oben ein würcklicher Todten-Kopff, so dann die stärcksten Menschen-Knochen in ausgestreckten Lager, die dünnen, kleinen und schwachen Knochen aber waren schon gäntzlich, oder doch mehrentheils verweset, und so wohl als die Kleider, die dieser Mensch angehabt haben mochte, zu Mülben und Asche worden. Wir liessen den Rest dieses Cörpers in seiner Ruhe liegen, erblickten zu dessen Füssen nach der Thür hin, noch 2. eben dergleichen Lager-Stätten, die aber rein und ledig waren, und da also in dieser Cammer weiter nichts merckwürdiges anzutreffen, eröffneten wir die Thüren der 3ten und 4ten Cammer, muthmasseten, daß solches die Speise- und Vorraths-Cammern gewesen seyn mochten, indem sich viel vermodertes und zu Staub und Asche gewordenes Zeug darinnen befand, doch kan ich auch nicht läugnen, daß wir einen ziemlichen Vorrath von nutzbaren[330] Sachen allhier antraffen, die, wo nicht eben uns, doch unsern Nachkommen, noch wohl dienlich seyn können.1[331]

Hierauf nahmen wir den Rückweg nach der ersten Thür, bey welcher das grosse güldene Horn hing, erblickten derselben gegen über abermahls eine Thür, welche uns in ein Gewölbe oder Cammer führete, darinnen eine ziemliche Anzahl sowohl küpfferner als steinerner Wasser- oder Wein-Krüge und dergleichen Gefässe, befindlich, woraus zu schliessen, daß dieses der Keller gewesen, wo man das Geträncke verwahrt, wie denn gantz zu hinterst in diesem Gewölbe ein Ströhmlein des kläresten und süssesten Wassers, fast eines Arms dicke, oben aus dem Felsen heraus geschossen kam, und sich auf dem Boden in einen sehr tieffen Riß ergoß, über welchen jedoch ein steinerner Trog von ziemlicher Grösse gesetzt war. Im Zurückgehen, fanden wir auf der rechten Seite im Gange, noch ein schmales Loch, jedoch weil man etliche Stuffen dahinunter, gewahr ward, wagten sich Mons. van Blac und der Capitain Horn allein hinunter, und versprachen, wenn Gefahr vorhanden, so gleich wieder umzukehren, bey guten Fortkommen[332] aber einen Laut von sich zu geben. Da wir nun diesen zum öfftern höreten, folgeten Litzberg und ich ihnen nach, und traffen die beyden Vorgänger in dem ausgehölten Altare an, auf welchem sie zu oberst schon eine güldene Platte aufgehoben und mit dem halben Leibe hinauf gekrochen waren, so, daß sie den gantzen Tempel übersehen konten, worauf sie uns beyden Nachkommenden hierzu auch Platz machten. Sonsten befand sich in diesem Altare ein stählernes Uhrwerck, vermittelst dessen die güldene Kugel zum schnellen Herumlauffen gebracht werden konte, welches Mons. Litzberg zu unserer aller Verwunderung, so offt er nur wolte, werckstellig zu machen geschickt war. Ausserdem bemerckten wir 8. kleine Löcher, in welche man etwa einen Finger stecken, jedoch alles im Tempel dadurch beschauen konte. Ingleichen fand sich ein güldenes unten sehr weites, fast wie ein Sprach-Rohr gemachtes Horn, bey nahe einer Ellen lang, darinnen, welches uns auf die Gedancken brachte, es würden vielleicht die Götzen-Priester den Fragenden dadurch geantworttet haben, und daß dieses gantze Heiligthum etwa gar ein Oraculum gewesen wäre. Vor dieses mahl aber legten wir alles wieder an seinen Ort und Stelle, nahmen den Rückweg, und öffneten die wohl eingefügte steinerne Thür, so gegen Süden zu, bey dem Altare der Diana befindlich war. Ausserhalb dieser fanden wir eine starcke eiserne und dann noch eine dicke steinerne Thür, die alle beyde mit grossen eingelegten eisernen Riegeln verwahrt, und mit schwerer Mühe eröffnet werden musten.[333]

Da aber dieses geschehen, konte man ein geraumes, doch unförmliches sehr finsteres Loch sehen, in welches wir mit allen angezündeten Fackeln und Wind-Lichtern eintraten, jedoch nur etliche 70. biß 80. Schritte fort thaten, als wir oben über uns, durch einen schmalen Felsen-Riß, den klaren Himmel, ja so gar etliche Sterne an demselben erblickten, welches einigen in der Astronomie Unerfahrnen, unter uns sehr wunderbar vorkam, allein, es wurde ihnen dieses Wunders Ursache bald kund gemacht. Je weiter wir fort schritten, je breiter wurde nicht allein der Felsen-Riß über unsern Häuptern, (so, daß wir der Fackeln hätten entbehren können) sondern auch der Weg, in welchem wir sehr übel fort kommen konten, denn es war derselbe dergestalt voll Risse, Klüffte, spitze und scharffe Steine, daß man alle Augenblick befürchten muste, nicht nur die Schue, sondern vielmehr die Füsse zu beschädigen. Dieser schändlich böse Weg war über 130. Schritt lang, biß wir an einen ziemlich starcken Wasser-Fall kamen, welcher erstlich einen mäßigen Teich machte, und aus welchem hernach das Wasser durch krumme Wege weiter Berg- abfloß. Wir glaubten, daß dieses eben das Wasser sey, welches oben aus dem Keller und unter dem Götzen-Tempel hinweg biß hierher käme, passirten an der lincken Seite des Teichs, auf einen etwas bessern Wege, um einen runden Hügel herum, und bekamen, nachdem wir noch etwa eine halbe Viertel-Stunde Wegs zurück gelegt, erstlich einen weitläufftigen angenehmen grünen und ebenen Platz, auf welchem sehr viel[334] fruchtbare Bäume stunden, vor demselben aber die offenbare See ins Gesichte. Wir gingen biß an das Ufer der See, und fanden selbiges sehr bequem zum Anländen, an keinem Ende des Platzes aber, war man vermögend, um das Gebürge herum zu kommen, sondern die steilen Felsen-Spitzen gingen weit in die See hinein, machten also, daß dieser grüne Platz, dessen Länge am Ufer etwa 500. Schritt, die Breite aber von dem Berge biß zum Ufer etwa 400. Schritt war, ein rundes aufgeschnittenes Brod pæsentirte.

Bey unserer Herum-Fahrt um diese kleine Insul, war dieser grüne Platz zwischen und unter den rauhen Felsen bereits angemerckt worden, weßwegen es keine Mühe bedurffte, mit dem Boote daselbst anzufahren, weiln es aber bereits Mittag war, rieth Mons. van Blac, daß wir nunmehro, da unsere Curiosität sattsam vergnügt, den Rückweg suchen, und so viel, als möglich, nach den Hütten eilen möchten, indem sonsten die Zurück geschickten, sich eines uns begegneten Unglücks-Falls besorgen, also ohnfehlbar kommen, und uns aufsuchen würden. Capitain Horn versetzte hierauf: »Meine Herren! ich habe auch etwas zu erinnern; mir scheinet nicht rathsam zu seyn, von allen dem, was wir unter diesem Gebürge gefunden und gesehen haben, meinen Leuten und den Portugiesen einen wahrhafften Bericht abzustatten; die Ursachen sind leicht zu errathen, was wir ihnen aber vorschwatzen wollen, das kan unterwegs unter uns verabredet werden, damit wir alle bey einerley Rede bleiben. Mein getreuer Rath ist demnach dieser,[335] daß sie allerseits, gleich Morgen zurück fahren, bey diesem grünen Platze anländen, durch den Gang, den wir itzo gekommen sind, und wieder zurück gehen wollen, passiren, und von den gefundenen Schätzen, aus dem Tempel und sonst, so viel mit hinüber nehmen, als ihnen auf das ernste mahl beliebig ist, nachhero können sie ja in folgenden Tagen, ohne sich bey uns spüren zu lassen, so offt kommen, biß alles ausgeleeret ist. Hiernächst halte ich vor das Beste, daß wir unsere geschlagene Brücke von einander reissen, und in den Abgrund stürtzen, denn es wird uns ein leichtes seyn, etliche eiserne Clammern auszubrechen, so dann die langen Balcken aus einander zu ziehen, worauf die gantze Machine in den Grund sincken muß. Ich würde ihnen, meine Herren! (fügte der Capitain Horn noch hinzu) vielleicht diesen Rath nicht geben, wenn ich interessirt wäre, und nach nochmahliger glücklichen Zurückkunfft aus Europa, nicht selbst Lust hätte, meine übrige Lebens-Zeit auf der glückseligen Insul Groß-Felsenburg zuzubringen, und mich mit einem bereits auserwählten lieben Schatze zu vereheligen, welches beydes mir hoffentlich nicht wird abgeschlagen werden. Allein, nunmehro ist keine Zeit zu versäumen, sondern vielmehr zurück zu eilen, unterwegs kan von allen ein mehreres gesprochen werden.«

Dieser Vortrag des Capitain Horns kam uns allen gantz wunderbar vor, doch fanden wir vor billig, ihm in allen Stücken Beyfall zu geben, und nachdem wir erstlich die Brücke in den Abgrund[336] gestürtzt, ein mehreres von den Sachen zu reden, eileten also möglichstermassen zurücke, und kamen gleich nach 3. Uhr auf dem Plätzgen, jenseit unserer höltzernen Brücke an. Hier schickten wir die beyden alten Herrn Wolffgang und Wodley voraus, nachdem wir mit ihnen verabredet, daß sie am Fusse des Gebürges unserer warten, woferne ihnen aber einige von Capitain Horns Leuten begegneten, nur mit ihnen nach den Hütten gehen und vorgeben solten, wir jungen Leute hätten erstlich noch ein Gebürge besteigen wollen, welches ihnen zu verdrüßlich geschienen, würden aber in weniger Zeit nachfolgen. Inzwischen waren unsere Hände dergestalt fleißig an Zerreissung der Brücke, daß selbige um 5. Uhr schon völlig in die Tieffe versenckt, und man kaum sehen konte, daß an diesem Orte eine gewesen war. Allein, weil wir uns bey dieser Arbeit ziemlichermassen entkräfftet, konten die Füsse nicht sogar scharff, als sonsten, marchiren, derowegen war die Sonne schon untergegangen, als wir die Herrn Wolffgang und Wodley unten am Fusse des Berges auf der Ebene antraffen. Wir setzten uns, von der grossen Müdigkeit in etwas auszuruhen, bey ihnen nieder, beschlossen auch, mehrentheils diese Nacht allhier zu verbleiben, weil noch Proviant genung vorhanden war; allein, Capitain Horn sagte: Meine Herren! wir wollen heute zwar nicht nach den Hütten, aber doch, wenn wir erstlich ausgeruhet, ein Stück Wegs nach Nord-Osten zugehen, und uns daselbst bey einem angemachten Feuer lagern, denn ich glaube gantz gewiß, daß meine Leute, wo nicht heute Nacht, doch[337] Morgen mit dem frühesten, uns zu suchen, ausgehen werden. Sie treffen uns nun an oder nicht, so können wir ihnen doch nachhero desto füglicher weiß machen: Wir hätten die Brücke und den vorigen Weg gar nicht finden können, sondern wären durch andere höchst-gefährliche Wege endlich aus der Nord-Ost-Seite mit Kummer und Noth wieder vom Berge herunter gekommen. Dieser Vorschlag ließ sich wohl hören, derowegen ruheten wir noch eine Zeitlang, und spatzirten so dann, weil es eine angenehme gantz helle Nacht war, ein gut Stück Weges um den Berg herum nach Norden zu, machten bey einem Gepüsche ein Feuer an, lagerten uns, und schlieffen Wechsels-weise, biß die Sonne schon 2. biß 3. Stunden unsern Horizont beschienen hatte, kamen auch nicht eher als Nachmittags in den Hütten an, und erfuhren daselbst so gleich, daß früh vor Anbruch des Tages 6. Mann von ihrer Gesellschafft uns zu suchen ausgegangen wären, indem ihnen allen unser gar zu langes Aussenbleiben bedencklich gefallen wäre. Wir überliessen die Antwort dem Capitain Horn, welcher ihnen lauter erdichtet Zeug mit vielen Umständen vorschwatzte, endlich auch sagte: daß wir zwar wiederum auf die Stelle gekommen, wo die höltzerne Brücke geschlagen gewesen, hätten aber die Brücke selbst nicht wieder finden können, weßwegen wir uns gemüßiget gesehen, die gräßlichsten Klippen und Klüffte zu überklettern, da es sich denn endlich gefügt, daß wir gestern in später Nacht an der Nord-Ost-Seite herunter kommen, und ein geruhiges Nacht-Lager in selbiger Gegend halten können.[338]

Indem wir nun hierauf von den zubereiteten warmen Speisen etwas zu uns nahmen, kam einer von Capitain Horns Leuten gelauffen, und meldete, daß die heute früh ausgegangenen 6. Mann zurück kämen, von ferne aber schon mit Zeichen und Gebärden so viel zu verstehen gäben, als ob ein grosses Unglück entstanden wäre. Wir gebothen demnach allen, nicht zu sagen, daß wir in den Hütten gegenwärtig wären, sondern nur erstlich anzuhören, was sie vor Nachricht bringen würden. Da sie nun näher kamen, rieffen fast alle zugleich: O! welch ein Unglück, die Brücke ist von den bösen Geistern in den Abgrund gestürtzt, und unser redlicher Capitain Horn ist ohnfehlbar mit seiner gantzen Gesellschafft ums Leben gekommen, denn wir hören und sehen nichts von ihnen, ohngeacht, da wir etliche Stunden lang ein Geschrey gemacht, daß die Felsen hätten bersten mögen; O! die ehrlichen Leute; Ach der wackere Capitain! was wollen wir nun anfangen? Hierauf trat der Capitain und wir alle zu den Hütten heraus, da denn die Verwunderung und Freude bey diesen 6. Männern unbeschreiblich war. Capitain Horn erzählte diesen eben die Geschichte, welche er ihren Mit-Gesellen kurtz vorhero erzählet hatte, ließ mithin alle bey den Gedancken, daß die Brücke von bösen Geistern eingestürtzt seyn müsse.

Wegen grosser Müdigkeit beschlossen wir Groß-Felsenburger, heute noch bey dieser Gesellschafft auszuruhen, legten uns derowegen bey Zeiten zur Ruhe, bald nach Mitternacht aber wanderten wir nach unserm Boote, vergassen auch nicht, etliche[339] taugliche Stücken Holtz mitzunehmen, aus welchen wir auf dem Boote Trage-Baaren zusammen nagelten, um, auf solchen die Götzen-Bilder und ander Sachen, aus dem Tempel ins Boot zu tragen.

Es war Vormittags zwischen 9. und 10. Uhr, da wir hinter dem Berge bey dem obgemeldten grünen Platze anländeten, weßwegen nur allein die beyden Capitains Wolffgang und Wodley im Boote bleiben musten, wir jungen starcken Leute aber stiegen aus, nahmen Fackeln, Wind-Lichter und allen Zubehör mit uns, und brachten noch vor Abends nicht allein die auf dem Altare stehende runde Kugel, sondern auch noch 6. Götzen-Bilder ins Boot, ruderten sodann, weil, wie schon gemeldet, die Nächte um selbige Zeit gantz helle waren, damit auf und darvon, und kamen folgenden Morgen, nehmlich des Montags, glücklich auf Groß-Felsenburg an, nachdem wir eben 7. Tage und 7. Nacht aussen gewesen waren, und es sich accurat so geschickt hatte, daß wir am Palm Sonntage, dem Teuffel seinen Tempel zu spoliren angefangen. Weiln aber dieses die heilige Marter-Woche war, so beschlossen wir, unserer Andacht keinen Abbruch zu thun, sondern die fernern Reisen biß nach dem Heiligen Oster-Feste zu versparen, schickten jedoch mit dem Boote, der auf Klein-Felsenburg befindlichen Gesellschafft, viel frische Lebens-Mittel, auch allerley Lecker-Speise und Wein, insonderheit Herr Diaconus Herrmannen mit etlichen Singe-Knaben hinüber, welche dasigen Volcke das Fest über Kirche halten solten; den Capitain Horn aber[340] liessen wir mit zurück bringen, um, biß nach dem Oster-Feste bey uns zu bleiben. Jedoch ich muß etwas zurück gehen und melden, daß wir gleich bey unserer Ankunfft die Götzen-Bilder auf den Trage-Baaren, jedoch eingehüllet, und mit darüber gedeckten Teppichen herauf tragen, und mitlerweile in eine kleine Cammer, so unten in unsern Kirch-Thurme befindlich, setzen liessen. Am grünen Donnerstage Nachmittags, da sich nach verrichteten Gottes-Dienste alles Volck biß auf die Aeltesten und Vorsteher nach Hause begeben, zeigten wir demselben sowohl als dem Alt-Vater Alberto II. denen Herrn Geistlichen und andern erfahrnen Leuten, unsere gefundenen Schätze, welche vor Verwunderung nicht wusten, was sie davon gedencken solten; Derowegen begaben wir verreiset gewesenen uns sämmtlich mit ihnen auf die Albertus-Burg, allwo mir von der Reise-Gesellschafft aufgetragen wurde, einen ausführlichen Bericht von allen Begebenheiten abzustatten, welches denn zum theil vor, zum theil aber nach der Abend-Mahlzeit geschahe. Nach Endigung meiner Erzählung wusten meine Zuhörer nicht, ob sie sich mehr über diese Heydnischen Alterthümer, oder über die wunderbare Fügung, oder über unsere Courage verwundern solten, dahero ich denn nicht vergaß, den Mons. van Blac, wegen seines ausnehmenden Helden-Muths, besonders heraus zu streichen, ja es wurde ihm von uns und allen zuerkannt, daß er die Haupt-Person bey dieser Entdeckung sey. Inzwischen war unter allen denen, die diese Wunder-Geschicht angehöret, kein eintziger, welcher[341] nicht die gröste Begierde gezeigt hätte, diesen Götzen-Tempel und das gantze unterirrdische Werck selbst in Augenschein zu nehmen, weßwegen beschlossen wurde, daß wir gleich bey der ersten Fahrt, den Alt-Vater Albertum, Hrn. Mag. Schmeltzern und noch einige Stamm-Väter mit dahin nehmen solten. Wie also, nicht nur die stille Woche, sondern auch das Heilige Oster-Fest mit behöriger Andacht gefeyert worden, machten wir so gleich Tags hernach Anstalt zu unserer Reise, und Donnerstags den 9. Apr. fuhren wir, in starcker Gesellschafft, auf 2. Fahr-Zeugen abermahls hinüber, liessen mit dem einen den Capitain Horn wiederum zu seinen Leuten, hergegen den Priester, Herr Hermannen, nebst den Singe-Knaben zurück, auf den grünen Platz bringen; von welchen wir erfuhren, daß sich der meiste Theil des Schiffs-Volcks, auch so gar die frembden Portugiesen, diese Heilige Tage über sehr still und andächtig bezeigt, auch die wenigsten gespielet, oder andere üppige Lust getrieben hätten. Unter der Zeit aber, da das andere Fahr-Zeug unterwegs, war der gröste Theil der Unsern mit dem Alt-Vater, Herrn Mag. Schmeltzern und andern Aeltesten in den Berg hinein gegangen, da denn alles so gefunden wurde, wie wir es verlassen hatten, worbey, wie leichtlich zu erachten, diejenigen, so den wunderbaren Bau zum ersten mahle sahen, sich ungemein darüber verwunderten, da aber die Träger ihre Lasten zum andern mahle aufgefasset, und schon ein ziemlich Stück-Weges damit voraus waren, folgeten wir übrigen ihnen auch nach, indem[342] der Abend heran zu nahen begunte, denn der Alt-Vater so wohl als die andern Aeltesten bezeigten keine Lust über Nacht an solchen fürchterlichen Orten, sondern viel lieber unter freyen Himmel zu verbleiben, demnach lagerten wir uns alle auf dem grünen Platze, nicht ferne vom Meer-Ufer, bey etlichen angemachten Feuern, brachten aber den meisten Theil der Nacht mit Gesprächen zu, denn ein jeder von den Erfahrensten sagte seine Meinung von diesem Wercke und Wesen, worauf endlich Herr Mag. Schmeltzer also zu reden anfing: Lieben Freunde und Brüder! Wenn wir so gelehrt wären, die Schrifften auf denen in den Tischen gefundenen Täfleins auszulegen, so würden wir ein grosses Licht in dieser dunckeln Sache finden, so aber ist dieses einem so wohl als dem andern unmöglich, und wer weiß auch, ob sich in gantz Europa jemand finden möchte, der so hochgelahrt ist, diese Schrifften, welche ich vor der damahligen Einwohner Zeit-Geschicht- und Gesetz-Bücher halte, auszulegen. Euer aller Meinungen sind nicht unvernünfftig, ob gleich dann und wann eine wider die andere streitet. Wohl kan es seyn, daß dieser Tempel und Heydnisches Heiligthum, viele hundert Jahre vor unsers Heylandes CHristi Geburth erbauet worden, und daß die Leute, deren nicht wenig müssen gewesen seyn, viele Jahre damit zugebracht, ehe sie so viele Gänge, Gewölber und Cammern in diesen, obschon nicht allzu harten SteinBerg,[343] aus-und durchgehauen haben. Wie ich vernehme, so findet sich in diesem Gebürge sehr viel reichhaltig Gold-Ertz, denn Mons. Litzberg, Plager und einige andere haben mir Ertz-Stuffen aus diesem Berge gezeigt, worinnen gantze Stücken des gediehenen Goldes, grösser als eine Feld-Bohne zu sehen, ohne die kleinern Stücklein. Bekannt ist es, daß das Gold vermögend ist, der allermeisten Menschen Hertzen an sich zu ziehen, und daß schon vor uralten Zeiten sich Leute mit Schiffen in das wilde Meer gewagt, um Gold aus andern Ländern und Insuln zu holen, wie wir solches nicht allein in den alten Geschicht-Büchern von allerley Sprachen, sondern auch in der heiligen Schrifft, I. Reg. IX, 27. 28. lesen, daß Hiram, der König zu Tyro, seine Knechte, die gute Schiff-Leute und auf dem Meere sehr wohl erfahren gewesen, mit den Knechten des Königs Salamo gesendet, da sie denn nach Ophir gekommen, und von dannen dem Könige Salomo 420. Centner Goldes gebracht, welches in Wahrheit auch ein schöner Klumpen gewesen seyn muß. Daß andere Nationen von Heyden, um, und nach selbiger Zeit nicht weniger in der Schiffart wohl erfahren gewesen, ohngeacht sie zur selbigen Zeit noch keinen Compaß gehabt, indem derselbe nur erstlich vor 300. und etlichen Jahren erfunden worden, ist gleichfalls eine ausgemachte Sache, derowegen kan es,[344] wohl seyn, daß einmahl ein Schiff mir solchen Gold-Suchern an diese Insul verschlagen worden, da sie sich denn wegen der angenehmen Gegend, entweder so gleich allhier freywillig niedergelassen, oder von der Noth gezwungen gesehen, in Ermangelung eines tauglichen Schiffs, da zu bleiben; Oder sie sind erstlich nach Hause gefahren, haben ihre Weiber und Kinder hergeholet, mithin die beständige Wohnung aufgeschlagen, weil allhier ein fruchtbarer Boden ist. Ob sie nun das Commercium mir andern Menschen fortgeführet, oder in diesem abgelegenen Stücklein von der Welt, vor sich alleine in Ruhe geblieben, das ist eine andere Frage. Nun frage sichs auch, ob sie ihre Hütten auf dem Lande gebauet, oder alle in den Felsen-Klüfften gewohnet: Ich glaube das erstere, daß nehmlich wenigstens diejenigen, welche das Feld gebauet, etwa in der Gegend, wo die Urnen gefunden worden, die Berg-Leute und Gold-Sucher aber, auch wohl im Gebürge gewohnet haben mögen. Wie starck diese Colonie gewesen? Wie lange sie sich hier aufgehalten? Dieses und dergleichen sind vergebliche Fragen, die niemand beantworten kan; das aber ist wohl zu glauben, daß sie einen beständigen Sitz hier haben wollen, und erhellet daraus, weil sie einen so grossen Tempel und kostbare Götzen-Bilder verfertiget, welches alles auch Zeugnisse sind, daß es keine grobe, ungeschliffene,[345] sondern guten Theils kluge, künstliche und geschickte Heyden müssen gewesen seyn. Nun ist die Haupt-Frage: Wo sind sie alle hingekommen, so, daß wir von allen diesen vermuthlich vielen Volcke kein anderes Uberbleibsel als 10. Gefässe mit Asche und ein eintziges Todten-Gerippe finden können? Haben sie vielleicht keine Weiber, ihr Geschlecht zu vermehren, bey sich gehabt, mithin endlich wohl aussterben müssen? Oder sind sie, so wohl Weiber, Männer als Kinder, durch eine Pestilentz, alle zusammen hingerafft worden? Oder sind sie von andern wilden Nationen massacrirt, beraubt oder sämmtlich gefangen hinweg geführet worden? Dieses alles läßt sich fragen, anhören, nur aber nicht gründlich beantworten. Man könte sagen: Wenn sie von ihren Feinden waren ausgerottet worden, so würden selbige doch auch den Tempel gefunden und ausgeplündert haben. Allein, könte es nicht auch seyn, daß eben diese Feinde, durch des Teuffels und seiner Pfaffen Gespenster und Gauckeleyen abgeschreckt worden, sich in die unterirrdischen Hölen zu begeben: Vielleicht haben sich nur, bey dem mörderischen Uberfalle, die Pfaffen alleine in den Tempel zu retiriren und aufzuhalten Gelegenheit gefunden, da denn immer einer den andern begraben, biß auf den Letzten, der sich in sein steinern Bette gelegt, und den Todt darinnen erwartet,[346] mithin unbegraben oder unverbrannt liegen geblieben, und mögen der vornehmsten Pfaffen vielleicht 3. gewesen seyn, weil sich nur 3. ausgehauene Bett-Stellen in der einen Cammer befinden. Uber den gräßlichen Abgrund jenseit des Berges nach der Insul zu, mögen diese Leute auch wohl eine Brücke gehabt haben, die aber nach der Zeit verfault und versuncken seyn kan, oder wer weiß, ob dieser Riß zu ihrer Zeit schon gewesen, und nicht erst nachhero entstanden ist? Denn man hat Exempel genung, daß Felsen zerspalten und zerrissen, mithin solche Abgründe entstanden, die vorhero nicht gewesen oder gesehen worden sind.

Mit diesen und noch viel mehreren Reden, hatte uns also Herr Mag. Schmeltzer seine Gedancken zu vernehmen gegeben, schloß aber endlich also: Es läßt sich, meine Freunde und Brüder! von diesen Sachen viel urtheilen und schwatzen, allein, wir schwatzen alle davon, wie die Blinden von der Farbe, so lange als wir die Schrifften auf den güldenen, küpffernen und steinernen Tafeln nicht auslegen können.

Hierauf legten wir uns grösten Theils zur Ruhe, des folgenden Freytags begaben sich der Alt-Vater nebst den Aeltesten, Hn. Mag. Schmeltzern, Hn. Herrmannen und andern nochmahls mit in den Tempel, und blieben biß über Mittag darinne, da inzwischen die jungen fleißigen Arbeiter im Tragen sich dergestalt angriffen, daß wir auf beyden Fahrzeugen eine ziemliche und sehr kostbare Ladung[347] hatten, und also fuhren wir ingesa t Sonnabends mit dem allerfrühesten von dannen ab und zurück nach Groß-Felsenburg. In folgender Woche thaten Mons. van Blac und Litzberg die Reise noch 2. mahl, nahmen allezeit andere mit, so das Wunder-Gebäude noch nicht gesehen hatten, und brachten endlich alles, was sich so wohl im Tempel als sonsten, nützliches und brauchbares, vom grösten biß zum kleinesten, befunden hatte, glücklich herüber; da inzwischen ich und viele andere, so zu erst mit gewesen, um auszuruhen zu Hause geblieben waren.

Diesemnach wurde Rath gehalten, ob man die Götzen-Bilder in Klumpen schmeltzen und dieses Gold bey die andern Kostbarkeiten, in die unter der Albertus-Burg befindliche Schatz-Cammer legen, oder sonsten etwas daraus giessen lassen wolte? Allein, Herr Mag. Schmeltzer sprach selbst darwider, und rieth, man solte es immer noch, als eine besondere Antiquität, im itzigen Stande und Wesen lassen, von den güldenen, steinernen und küpffernen Tafeln aber dem Capitain Horn einige Stück mit nach Europa geben, damit er sie daselbst in Kupffer stechen lassen, auch in natura etlichen hochgelahrten Leuten zeigen könte, als an welche, er, Herr Mag. Schmeltzer, dieserwegen Briefe schreiben und ein starckes Præmium darauf setzen wolte, vor denjenigen, der den Schlüssel zu der unbekandten Schrifft finden würde.

Wir billigten also diese Meynung ingesammt, und versprachen einander, vor des Capitains Horns Abreise, diesen Sachen schon noch weiter nachzudencken, und einen Schluß darüber zu fassen.[348] Gedachter Capitain Horn hatte, weil es voritzo ohnedem Winter zu werden angefangen, und im Felde nicht viel zu thun war, um noch mehrere Gehülffen angehalten, die 2. neuen Schiffe vollends, und zwar je eher je lieber, zu rechte und in die See bringen zu können, denn es war, wie ich, wo mir recht ist, schon oben gemeldet, resolvirt worden, vor uns Felsenburger ebenfalls ein gantz neues und starckes Schiff zu erbauen, welches in der Bucht gegen Süden zu, liegen bleiben solte, um sich dessen entweder zur Lust, oder auf künfftige vorhero unbewuste Fälle bedienen zu können.

Dieser Ursachen wegen wurde dem Capitain Horn nun um so viel desto hurtiger gewillfahret, und die Arbeit dergestalt hurtig fortgesetzt, daß Capitain Horn die sichere Hoffnung hatte, beyde Schiffe vor Ausgang des Junii vom Stapel in die See lauffen zu lassen.

Es lieff wider meine Commodität nunmehro so offt nach Klein-Felsenburg hinnüber, und dem Schiffs-Baue zuzusehen, wie viele andere, und sonderlich Mons. van Blac und Litzberg thaten, dahingegen wartete ich die Information in der Schule fleißig ab, brachte gleich den andern meinen Garten in vollkommenen guten Stand, bauete hinter meiner Wohnung im Hofe eine Scheune und verschiedene Ställe vor allerley Vieh, indem ich nicht nur allerley Vieh halten, sondern auch zwischen meinem Garten und der Alberts-Raumer-Gräntze ein Stücke Feld annehmen, dasselbe mit anderer Leute Hülffe zurichten und mit allerhand Getrayde, mehr zu meiner Lust, als aus Nothdurfft[349] besäen, hernach die Früchte einerndten und in meine Scheuern sammlen wolte. Hierzu bewegte mich meine Cordula, welche eine ungemeine Liebhaberin von der Zucht des aus Europa angekommenen Viehes, ingleichen vom Garten- und Feld-Baue war. Ausser diesem war Spinnen und Weben ihre tägliche Arbeit, und machte sie auf 2en Weber-Stühlen, die ihr Lademann in ihr besonderes Zimmer verfertiget hatte, Wechsels-weise die schönsten Zeuge, theils von Leinen-theils von Baumwollenen Garne, wie denn die Weiber der Priester, so wohl als andere sich ebenfals dieser, manchem Europäischen Frauenzimmer verächtlich vorkommenden Arbeit nicht schämeten. Ob nun schon meine Haußhaltung nur aus 5. Personen, nehmlich aus mir, meiner Frauen, dem kleinen Sohne, einem Knaben und Mägdlein zur Aufwartung, bestunde, so war doch alles ordentlich sauber und reinlich darinnen anzutreffen. Dieses aber nicht allein bey mir, sondern auch in allen Häusern, wo man nur hinkam; indem in den Pflantz-Städten, diejenigen, welche die schmutzigsten Handthierungen trieben, dennoch ihre reinlichen Stuben hatten, wohinnen sie diejenigen, von welchen sie besucht wurden, führen konten. Es waren aber diese Pflantz-Städte, seit dem ich selbige im Jahr 1725. zum ersten mahle besucht, weit Volckreicher, also auch etwas stärcker angebauet, und die Felder erweitert. Sonderlich muste man sein Vergnügen über die wohlangelegten Gärten haben, in welchen die trefflichsten, zur Speise dienenden Kräuter und Wurtzeln, ingleichen die herrlichsten Obst-Bäume,[350] anzutreffen waren. Uberall, wo man hin kam, sahe man Zeugnisse eines ungemeinen Fleisses, auch schwerer Mühe und Arbeit, hörete aber keinen Menschen klagen oder sich beschweren, daß ihm diese oder jene Arbeit sauer, schwer und verdrüßlich angekommen wäre, sondern ein jeder verrichtete sein Beruffs-Werck, sich, seinen Angehörigen und andern Nutzen und Vortheil zu schaffen, recht mit Lust. Die letztere Erndte und Weinlese hatte dergestalt viel Geträyde, Reiß und Trauben gegeben, daß sich die Aeltesten nicht entsinnen konten, binnen etliche 20. Jahren ein so gar Segen-reiches Jahr gehabt zu haben, und eben dieserwegen waren das Korn-Hauß und die Wein-Keller dermassen angefüllet, daß fast nichts mehr darinnen Platz fand, ohngeacht die Land-Besteller nur von ihrem Uberflusse hergegeben hatten. In allen Häusern der Pflantz-Stätte war nunmehro schon ein zulänglicher Vorrath von zinnernen, blechernen, küpffernen, eisernen, töpffernen und dergleichen Hauß-Geräthe anzutreffen, welches ebenfals Zeugniß ablegte, daß unsere Europäischen Künstler und Handwercker nicht gefaullentzt. Wetterling, der Tuchmacher, hatte vor Eintritt des Winters den Rest der seinen und schlechten Tücher auf die Albertus-Burg geliefert, da nun eine jede Manns-Person von 10. Jahren und drüber, Tuch zu einem Sonntags- und Werckeltags-Kleide bekommen, fand sich nach gemachten Uberschlage doch noch so viel Tuch übrig, daß alle Manns-Personen noch 2. Sonn- und 2. Werckeltags-Kleider bekommen konten, dem ohngeacht, weil noch[351] ein starcker Vorrath von Capitain Horns mitgebrachter Wolle, wie auch von unserer eigenen, indem sich unser Schaaf-Vieh schon ziemlich vermehrt, vorhanden war, hielt Wetterling mit denen, welchen er seine Profession erlernet, doch nicht inne, sondern sie machten immer mehr Tücher, welche theils schwartz, theils braun, theils roth gefärbt wurden, denn alle Jung-Gesellen vom 10ten Jahre an trugen biß zu ihrer Heyrath, roth; die Männer braun, die Aeltesten und Vorsteher der Gemeinden aber so wohl als die Priester, schwartz Schwartze Trauer-Kleider aber wurden nur um die Eltern, Kinder, Geschwister, und dann um die Aeltesten und Vorsteher angelegt. Um der Frauenzimmer Kleidung bekümmerten sich die Manns-Personen nicht, sondern die Frau Mag. Schmeltzerin, meine Schwester und die Frau Hermannin, nahmen alle Donnerstage den Vorrath von den Spinnerinnen und Würckerinnen, ingleichen von Harckerten und seinen Professions-Genossen auf; gaben hergegen auch von Leinen- und Wollenen Zeugen heraus, was diejenigen Weibs-Personen, die mit dieser Arbeit nicht umgehen konten, von nöthen hatten.

Kleemann, der Pappiermacher, hatte von seinem, mittelmäßigen und geringen Pappiere, auch Pappen-Tafeln und dergleichen so viel geliefert, daß wir uns alle eine gute Zeit darmit behelffen konten; war dieserwegen gesonnen, seine Profession eine Zeitlang an den Nagel zu hängen, und sich mit seinen Gehülffen desto fleißiger auf den Feld- und Garten-Bau zu legen; allein, da ihm vorgestellet[352] wurde; wie wir resolvirt hätten, durch den Capitain Horn eine Buch-und Kupffer-Druckerey aus Europa mitbringen zu lassen versprach er, mit seiner Profession fortzufahren, und eine zulängliche Menge von solchem Pappiere, das sich wohl darzu schickte, zu verfertigen.

Zu Ende des Aprilis war auch unser Müller Krätzer, mit der, zwischen Christophs- und Christians-Raum zu bauen angefangenen neuen Mehl-Mühle fertig worden, da man denn auch so gleich die Probe darauf gemacht, und dieses neue Werck vollkommen gut befunden; weßwegen sich der älteste von Krätzers ausgelerneten Mühl-Purschen, in dieser Mühle setzte, und einen von den jüngern zu sich nahm, dahero der Alte Meister Krätzer nunmehro nur halb so viel Arbeit auf dem Halse hatte, weil sich vornehmlich die Christophs Roberts-Christians- und Simons-Raumer, dieser neuen Mühle bedieneten.

Mons. Hollersdorff verfertigte nicht allein noch verschiedene schöne Bild-Stücken in die Kirche, sondern hatte sich auch vorgenommen, alle itzt lebende Aeltesten, wie auch andere gute Freunde abzuschildern; machte inzwischen vor die letztern, zum Feyerabende auch manches kleines schönes Bild, die Zimmer damit auszuzieren. Uber dieses war er willens, die gefundenen Heydnischen güldenen Götzen-Bilder, ingleichen den gantzen Tempel abzumahlen.

Von allen übrigen Künstlern und Handwercken, habe ich bereits oben hoffentlich sattsame Nachricht ertheilet, demnach weil nächst dem Feld-Baue auch[353] die Vieh-Zucht wohl von statten ging, indem sich die aus Europa mitgebrachten Thiere ungemein starck vermehret hatten, so fand sich beym Nähr- oder Haus- Stande kein Tadel. Den Lehr-Stand betreffend, habe auch schon zur Gnüge gemeldet, wie das Kirchen-und Schul-Wesen aufs ordentlichste, andächtigste und erbaulichste eingerichtet worden. Solchergestalt ist nun leichtlich zu glauben, daß der Wehr- oder Obrigkeitliche Stand keine besondere Last tragen dörffen, indem allhier keine straffbaren Laster im Schwange gingen, ein jeder das Seine ohne Zwang verrichte, guten Vermahnungen und Erinnerungen gern und willig Folge leistete, vor auswärtigen Feinden aber man sich unter GOttes Schutz dermahlen nicht zu fürchten Ursache hatte.

Also stunden die Sachen zu Anfange des Monats Julii 1733. auf unserer Insul Groß-Felsenburg, da uns Capitain Horn, in den ersten Tagen besagten Monats, hinüber auf Klein-Felsenburg invitirte, um zuzusehen, wie die neu-erbaueten Schiffe ins Wasser gelassen würden. Es fuhr demnach eine starcke Gesellschafft hinüber, und blieben 4. gantzer Tage daselbst, um erstlich die Arbeit, welche glücklich von statten ging, hernach den Schiffs-Bauern ihre Lust zu betrachten, denn es machten sich sonderlich Capitain Horns Leute und die Portugiesen einen herrlichen Muth, sungen, tantzten und sprungen bey dem köstlichen Weine, den wir ihnen zu verschmansen mitgebracht. Nachhero wiese Capitain Horn seinen Leuten auf etliche Tage Arbeit an, und reisete mit uns nach Groß- Felsenburg, um der ersten Conferenz[354] beyzuwohnen, die er seiner Abreise wegen mit den Aeltesten und andern Europäern zu halten, sich ausgebeten hatte. Wie nun diese in den nächstfolgenden Tagen angestellet war, that er, an die auf der Albertus-Burg Versa leten, folgende Rede:

Meine Herren! ich habe nunmehro, ihren Willen zu Folge, eine geraume, und zwar längere Zeit bey ihnen zugebracht, als ich anfänglich vermeinet hätte, woran auch guten Theils mit Schuld, daß mein mitgebrachtes Schiff allhier im Hafen gestrandet ist. Hoffentlich werde von ihnen das Zeugniß erhalten, daß so wohl ich vor meine Person, als auch die unter meinemx Commando stehende Leute, uns nicht allzu übel aufgeführet haben, ob wir ihnen gleich allhier keinen besondern Nutzen schaffen können. Ihre Gütigkeit gegen uns ist im Gegentheil sehr groß gewesen, vor welche ich, zugleich im Nahmen meiner Untergebenen, schuldigsten Danck abstatte, und mich mit eydlicher Pflicht verobligiren will, derjenigen Instruction, welche sie mir wegen einer nochmahligen Hin-und Her-Reise schrifftlich zuzustellen belieben werden, getreulich sonder Gefährde nachzukommen, in so ferne mir GOtt Leben, Gesundheit und Glück verleihen wird.

Allein, meine Herren! nun muß ich ihnen allerseits eröffnen, wie ich wohl gesonnen wäre, nach meiner nochmahligen glücklichen Zurückkunfft und wohl ausgerichteten[355] Geschäffte, auf dieser Insul bey ihnen in Ruhe zu wohnen, und mich mit meiner auserwählten Liebste, Johanna Margaretha, Andreæ Robert Julii, in Roberts-Raum, jüngsten Tochter, welche mit Mons. Eberhard Julii seiner Liebsten Cordula Geschwister Kind ist, zu vereheligen, als deren, wie auch ihrer Eltern Ja-Wort, biß auf den Consens und Erlaubniß der Aeltesten dieses Volcks, ich bereits erhalten.

Vors andere, weil meine 9. Freygelassenen eine gantz besondere Lust bezeigen, in diesem Revier zu verbleiben, so wolte zugleich anfragen, ob ihnen erlaubt wäre, eine Pflantz-Stadt auf der Insul Klein-Felsenburg anzulegen, und dieselbe mit der Zeit zu bevölckern?

Diese beyden (verfolgte Capitain Horn seine Rede) sind voritzo die ersten Haupt-Puncte, so ich vorzutragen habe, ihnen selbige zur Uberlegung anheim stellen, inzwischen einen Abtritt nehmen, und auf einige Antwort warten will.

Hiermit ging Mons. Horn, nach gemachten Reverenz, würcklich zum Zimmer hinaus, durffte aber wegen dieser 2. Puncte nicht lange auf Antwort warten, sondern wurde, nachdem die Aeltesten und wir einen kurtzen Schluß gefasset, bald wieder herein geruffen, da ihm denn der Alt-Vater Albertus II. folgende Antwort ertheilete:

Werther Herr und Freund! Eure so lange Anwesenheit auf dieser Insul, hat uns allerseits zu gantz besondern Vergnügen gereicht,[356] den Nutzen und Vortheil, so ihr uns bereits gestiffter, und mit Göttlichem-Beystande noch stifften könnet, werden wir und unsere Nachkommen zwar jederzeit zu rühmen wissen, aber niemahls gnugsam verdancken können. Was wir euch und den Eurigen etwa zu Gute gethan, hat die Schuldigkeit von uns erfordert, indem eure Aufführung sehr löblich, christlich und angenehm gewesen. So setzen wir auch aufs künfftige in eure Redlichkeit nicht das geringste Mißtrauen, sondern haben das veste Vertrauen, GOtt werde euch Krafft, Stärcke und Glück geben, dasjenige, was euch etwa in Europa auszurichten committirt werden möchte, wohl zu vollenden, auch euch gesund zurück führen, so dann wollen wir allerseits mit grösten Freuden sehen, daß ihr euch durch eine vergnügende Heyrath mit uns befreundet, und beständig bey uns verbleibet. Was aber die 9. Freygelassenen anbelanget, so jammert uns allen sehr, daß die Beschaffenheit unserer Sachen nicht zulassen will, ihnen zu willfahren, ohngeacht wir sie alle vor wackere, arbeitsame und tugendhaffte Leute erkandt haben. Bedencket selbst, ihr werdet uns noch einige unbeweibte Künstler aus Europa mitbringen müssen, wenn nun diese so wohl, als eure 9. Freygelassenen mit unsern Töchtern solten berathen werden, so würden unsere Felsenburgischen Junggesellen (wie es denn bereits[357] ausgerechnet ist) bald selbsten den Mangel der Weiber empfinden müssen. Wolte man sagen, sie solten sich Weiber aus Europa mitbringen, so laufft dieses wider die Verordnung und den Willen meines seel. Vaters Alberti des Ersten, welcher durchaus verbothen, ein fremdes Geschlecht, welches nicht mit ihm, dem Stamm-Vater, oder der Concordia, als Stamm-Mutter, verwandt ist, ohne die höchste Noth unter uns entstehen zu lassen. Hiernächst wäre es auch eine Thorheit von uns, wenn wir ein Stück Landes oder die gantze kleine Insul, welche ebenfalls so wohl, wie diese grosse, als unser Eigenthum, zu betrachten ist, fremden Leuten überliessen, deren Kinder und Nachkommen, ob ihre Väter gleich noch so fro gewesen, unsern Nachkommen allerhand Verdruß und Schaden verursachen könten. Uber dieses so kan es mit der Zeit geschehen, daß diese grosse Insul dergestalt Volck-reich wird, daß ein Theil derselben unserer Kinder-Kinder, selbst Lust bekommen auszuziehen, und die kleine Insul zu bevölckern, mithin als Bluts-Verwandten ihren Handel und Wandel mit einander zutreiben. Wie ich nun hoffe, mein werthester Herr und Freund, in diesem letztern Puncte euren Beyfall zu bekommen, so glaube auch, ihr werdet es nicht übel empfinden, wenn euren Freygelassenen dieses ihr Begehren versagt wird, doch wollen wir sie so beschencken, daß sie[358] in Europa ein reputirliches Leben führen können.

So viel war es, was der Alt-Vater dem Capitain Horn zur Antwort gab. Dieser danckte sehr verbindlich, daß man ihm, vor seine Person, nach glücklicher Zurückkunfft erlauben wolte, ein Mit-Genosse unseres ruhigen und vergnügten Lebens zu seyn; erkandte die Entschuldigung, wegen Aufnehmung seiner Freygelassenen vor recht vernünfftig und billig, versprach auch, ihnen unterwegs die Felsenburgischen Gedancken schon aus dem Sinne zu reden.

Hierauf ging die gantze Versammlung vor dieses mahl aus einander, Capitain Horn aber mit mir in meine Behausung, weil sich seine Liebste schon seit etlichen Tagen bey meiner Frauen daselbst als ein Gast aufhielt, um ihren Bräutigam zu sprechen, welchen sie allem Merckmahlen nach so sehr liebte, als er sie, ohngeacht derselbe dermahlen fast noch einmahl so alt als sie, jedoch ein wohlgebildeter Mensch, mit schönen lockigten Haaren und sonsten sehr wohl gewachsen war. Ich ließ die beyden Verliebten bey meiner Cordula alleine, und ging hinüber zu Mons. Litzbergen, bey welchem sich Herr Wolffgang, der diesen Abend nicht nach Hause gehen wollen, nebst andern guten Freunden befand. Nach der Abend-Mahlzeit aber kam der Capitain Horn ebenfalls dahin, weßwegen Herr Wolffgang so gleich mit demselben wegen seiner Braut zu schertzen anfing, und unter andern sagte: er hätte ihn, den Capitain Horn, nicht darum mitgenommen, daß er sich von einer Felsenburgischen einfältigen[359] Schöne solte bezaubern lassen, sondern vermeynet, er wurde sein Vermögen in Europa an einem guten Orte anlegen, sich eine rechte Staats-Dame zur Ehe-Frauen auslesen, und mit derselben de propriis vergnügt leben, so aber musse man erfahren, daß er in allen Stücken, in seine, des Capitain Wolffgangs, Fußtapffen treten wolle. Ich hoffe nicht, mein Herr! versetzte hierauf der Capitain Horn, daß man mich schelten wird, wenn ich in der Mühe und Arbeit eurem Exempel folge, und also wird man mich auch nicht verdencken, wenn ich eben dergleichen Recreation suche, als ihr gefunden habt. So viel will ich versichern, daß, wenn ich auch in den Stande wäre, mir in Europa ein Fürstenthum oder Königreich anzukauffen, so würde ich doch nimmermehr geheyrathet, oder mich mit Frauenzimmer verwirret haben, denn die Untreue, List und Betrug des Europäischen Frauenzimmers ist unbeschreiblich, so, daß unter Tausenden, ach! sagt mir doch, wie viel? zu finden, die ein redliches Hertze gegen eine, (ich sags mit Fleiß, Eine) Manns-Person haben. Ich habe von der Zeit an, da ich nur meinen Verstand in etwas zu gebrauchen angefangen, ungemein viel Exempel, nicht von Hörensagen angemerckt, sondern mehrentheils selbst in Erfahrung gebracht, bey reiffern Verstande aber daraus schliessen können, daß bloß allem das Frauenzimmer, den Manns-Personen die allergrösten Verdrüßlichkeiten, Unglücks-Fälle und Mißvergnügen stifftet; Dieserwegen ist mir fast jederzeit bange worden, wenn ich par renommeè mit diesen Geschlechte umgehen müssen, ja ich habe mir nachhero[360] vest vorgesetzt, ni ermehr zu heyrathen, weil ich auch an meinem eigenen Exempel die Falschheit und List des Frauenzimmers sattsam erfahren, ja eben dieses trieb mich in meinen besten Jahren dahin, mein Fortun auf der See zu suchen, um nur von diesen Land-Syrenen weit genug entfernt zu seyn. Da ich aber allhier, statt der Europäischen, masquirten, auch wohl gar geschminckten, so genannten irrdischen Engel, würckliche Engel von Gestalt und Gemüthe angetroffen, ist mir die Lust zum Heyrathen auf einmahl wieder angekommen, ja ich wolte meine Braut, nebst dem in Zukunfft mit derselben zu hoffen habenden vergnügten Leben, nicht um ein Königreich vertauschen, der Himmel gebe nur, daß meine Hin- und Herfahrt glücklich sey.

Der Capitain Wolffgang sagte hierauf: Mein Herr! ich will jetzo kein Urtheil fällen, ob ihr wegen des Frauenzimmers und sonderlich wegen des Europäischen, Recht oder Unrecht habt, sondern nur von Hertzen wünschen, daß ihr bald wieder zurück kommen, und hernach so vergnügt mit eurem Hanne Gretgen leben möget, als ich mit meiner Fiecke. Allein, es fällt mir eben itzo ein, daß, ohngeacht wir beyde seit so vielen Jahren her, Bekandte und gute Freunde gewesen sind, ihr mir doch noch niemahls eure Lebens-Geschicht von Jugend auf erzählet habt, welche doch, wie ich jetzo aus wenig Worten vernommen, eben nicht unangenehm zu hören seyn wird. Derowegen, weil es sich itzo ohnedem sehr gut schickt, wolte ich mir diese Gefälligkeit wohl von euch ausgebethen haben. Dieser vermeynete, es möchte bereits etwas zu späte seyn, da[361] wir aber entgegen setzten, daß sich dergleichen Erzählungen in der stillen Nacht, da man von niemanden gestöhret würde, am besten thun und anhören liessen, war er endlich geneigt darzu; wir setzten uns auch zurechte, und merckten mit begierigen Ohren auf

Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 3, Nordhausen 1736, S. 242-362.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.

70 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon