[239] Mons. Plagers Lebens-Geschicht.

Wenn ich ihnen, meine Herrn! fieng er an, eine auffrichtige Erzehlung meines bißherigen Lebens-Lauffs[239] abstatten soll, so bitte voraus, nicht übel auszulegen, wenn ich die Fehler und Verbrechen meiner Eltern und Freunde mit lebendigen Farben abmahle, auch die Sünden und thorichten Streiche meiner selbst eigenen Jugend nicht heuchlerischer weise zu vermänteln suche. Anbey aber bitte den Unterscheid zu betrachten, was ich nehmlich vor diesem vor ein Früchtgen gewesen, und wie ich dargegen itzo gesinnet bin. GOtt lob! mein Sinn hat sich bereits vor etlichen Jahren zu bessern angefangen, und ich verhoffe nunmehro im Stande zu bleiben, mich biß an mein Ende vor allen muthwilligen Sünden zu hüten, auch GOTT und meinem Nächsten desto eiffriger und nützlicher zu dienen. Mein Vater war von Geburth ein Augspurger und von solchen Eltern gezeuget, welche die Evangelisch-Lutherische Religion äuserst bekeñeten, auch alle ihre Kinder darinnen wohl erzogen hatten. Da aber mein Vater nachhero, als ein junger Goldschmidts-Geselle in die Frembde reiset, und zu Schaafhausen in der Schweitz, sein zeitliches Glück, vermittelst einer reichen Heyrath zu machen, Gelegenheit findet, lässet er sich verblenden, die Lutherische Religion mit der Reformirten zu verwechseln. Zehen biß zwölff Jahr hat er nachhero zwar in ziemlich ruhigen vergnügen gelebt, und drey Kinder mit der erheyratheten Wittfrau gezeugt, nehmlich mich, einen ältern Bruder, und dann auch eine jüngere Schwester, anbey als ein besonderer Künstler, durch fleißiges Arbeiten sein Vermögen um ein merckliches vergrössert, so daß mehr Uberfluß als Mangel in unserm Hause zu spüren, und in keinem Stücke Noth vorhanden[240] war. Allein so bald meiner Mutter Bruder, als ein alter Vagaband von seinen 15. jährigen Reisen zu Hause kömmt, und meiner Mutter allerhand verzweiffelte Lufft-Schlösser ins Gehirne bauet, läst dieselbe nicht nach meinem Baier so lange in den Ohren zu liegen, biß er sich mit demselben als einen vermeinten Alchymisten in verschiedene chimische Processe verwickelt. Ob nun schon die ersten Versuche sehr unglücklich ablauffen, und bereits etliche 1000. Thlr. theils an das Laboratorium und andere requisita verwendet, theils aber in die Lufft verflogen sind, mein Vater also mit gröster Raison die Hand von der Butte ziehen, und fernerem Unglücke vorbauen können; findet sich dennoch in seinem Gemüthe das klare Gegenspiel, kurtz zu sagen, es ist nach diesem ersten verunglückten Processen, kein Mensch begieriger, erpichter und versteuerter auf das Goldmachen, als mein Vater.

Ihr werdet vielleicht gedencken, meine Herrn, mein Vater müsse ein alberner Schöps oder liederlicher Hauß Wirth gewesen seyn, allein solchergestallt irret ihr gar sehr, denn ohne Flatterie, kan ich ausser demjenigen, was den Punct des Goldmachens anbelanget, theur versichern: daß er einen ausserordentlich guten Verstand gehabt, zwischen der Verschwendung und dem Geitze aber, die Mittel-Strasse dergestallt zu wandeln gewust, daß ich ihn seiner nachherigen Thorheiten wegen, weit mehr verdacht, oder gar eine Hirn-Wandelung vermuthet hatte, wenn ich mit der Zeit nicht an meinem eigenen Exempel erfahren: welcher gestallt die Alchymie die allerentsetzlichste Art einer Gelben-Sucht[241] des Gemüths, ja ein solch verzweiffelt ansteckendes pestilentialisches Fieber, welches sehr selten gäntzlich zu vertreiben, palliative aber durch nichts als Armuth und Mangel zu curiren sey.

Jedoch zur Sache. Mein Vater fieng zum grösten Vergnügen seiner Frauen und deren Bruders, das Werck weit kostbarer und arbeitsamer an als vorhero, ließ seine schöne Profession, die ihm doch jährlich ein gewisses und ansehnliches Interesse vor Aufwand und Mühe einbrachte, gäntzlich liegen, schaffte Gesellen und Lehr-Jungen ab, und gab bey andern Leuten vor, sein übriges Leben in Ruhe und Friede hinzubringen. Jedoch es geschahe nichts weniger als das letzte, denn er kunte sich kaum Zeit zum essen, noch weniger aber zum schlaffen nehmen. Bald darauff wurde ein Gemurmele unter den Leuten, welche curieus waren zu wissen: worzu doch wohl mein Vater so grausam viele Kohlen und andere Materialien gebrauchen müsse? Dieserwegen hielt er vor rathsamer und desto unverdächtiger, die Gold-Schmidts Werckstädten wiedrum anzulegen, neue Gesellen und Jungen anzunehmen, und weit fleißiger als jemahls arbeiten zu lassen, nur damit die Leute nicht in ihren, ihm vielleicht schädlichen Urtheilen, gestärckt würden. Allein was halffs? Es war bey aller Arbeit und bey allen Vornehmen nunmehro weder Seegen, Glück noch Stern, denn binnen wenig Jahren wurde mein Vater an auswärtige und einheimische Creditores, mehr schuldig als sein gantzes Vermögen betrug, daß, so zu sagen kein Ziegel auf dem Dache, weder ihm noch meiner Mutter annoch zugehörete. Also war es an dem,[242] daß entweder sehr schleunig, Gold, oder Banqverott gemacht würde, indem ein oder zwey Creditores schon von ferne in etwas zu brummen anfiengen, derowegen gehet meine Mutter mit ihren Bruder zu rathe, drehen die Poltzen, welche mein Vater nachhero verschiessen muß. Kurtz zu sagen: weil das Goldmachen nicht gerathen will, verfallen sie auf das gefährliche Mittel: Geld zu machen. Denn vor das viele verlaborirte schöne Geld und Gut, hatten sie dennoch eine betrügliche Massam erfunden, welche dem Golde aufs genauste ähnlich sahe, eine ziemliche Geschmeidigkeit hatte, den Strich auch vollkommen hielt, allein im Schmeltz-Tiegel, und zwar erstlich im dritten Gradu des Feuers, zu einer nichts nützigen schwartzen Schlacke wurde. Die Sache gieng ihrer Meynung nach herrlich und gut von statten, mein Vater muß die Stempel zu Frantzösischen und andern Gold-Müntzen schneiden, die Mutter hilfft mit müntzen, deren Bruder aber, nachdem er eine starcke Quantität von der saubern Massa gemacht, begiebt sich, mit einer grossen Summe solches neu geprägten Geldes, auf die Reise, um selbiges zu vertreiben und gute Sorten davor einzuwechseln, ist auch so glücklich binnen zwey Jahren, allein in Franckreich, vor 20000. Thlr. dergleichen falsche Müntze anzuwerden, ohne was nach Holland oder Deutschland gegangen war. Solchergestallt rissen sich meine Eltern sehr geschwind aus allen ihren schulden, und hatten mehr als 30000. Thlr. werth an baaren Gelde und Meublen beysammen, über dieses, so war zu damahliger Zeit noch nicht der allergeringste Verdacht auf den Unwerth solcher falschen[243] Müntze, und noch viel weniger auf sie, geworffen; derowegen wäre es annoch hohe Zeit gewesen sich zu retiriren, allein sie werden blind, verstockt, und desto muthiger ihre gefährliche Handthierung so lange fortzutreiben, biß endlich mein respective super kluger Herr Vetter, in Flandern mit 15000. Thlr. solcher falschen Gold-Müntze ertappt, gefangen gesetzt, und endlich durch grosse Marter dahin gebracht wird: meinen Vater als seinen Complicen anzugeben.

Nun wäre es zwar ein leichtes gewesen meinen Vater, in gröster Sicherheit, auf frischer That zu ertappen, allein zu seinem Glücke, entdecket ein alter mit in den Gerichten sitzender Susannen-Bruder, ich weiß aber nicht aus was vor Affection, den gantzen Handel, vielleicht aus besondern Absichten meiner Mutter, und zwar annoch zur höchsten Zeit, diese aber hat doch noch die eintzige Barmhertzigkeit, ihren Eh-Gatten, der auf ihr Zureden, sein Alles in die Schantze geschlagen, mit etwa 500. Thlr. abzufertigen, und ihn auf einer schnellen Post des Landes auf ewig zu verweisen. Meiner Mutter Bruder hat nachhero an einem sehr gewaltsamen hitzigen Fieber, und zwar auf einem, von Holtz und Stroh gemachten Sterbe-Bette, die Seele im Dampf und Rauche von sich blasen müssen. Ob ihm eine solche Todes-Art allzuschmertzlich angekommen? solte man fast zweiffeln, weil Feuer, Dampff, Rauch und Gestanck, so zu reden, sein Element auf dieser Welt gewesen. Meine Mutter als ein sehr verschlagenes Weib, gedencket zwar, nachdem sie den Vater fort, und die meisten verdächtigen Sachen beyseits geschafft,[244] den Kopff aus der Schlinge zu ziehen, und das Ihrige in Friede und Ruhe zu besitzen, jedoch sie kömmt dem ohngeacht in die Inquisition, überstehet alle angethane Marter heldenmüthig, ohne das geringste von ihrer Mit-Wissenschafft zu bekennen, schweret sich durch ein cörperliches Eid von der gantzen Sache loß, allein was halff ihr solches viel? denn alle ihre Güter wurden confisciret, meine Schwester in ein Waisen-Hauß zur Aufferziehung gebracht, sie aber selbst zu ewiger Gefängniß condemniret, dahingegen mein Vater seine Flucht an einen solchen Ort genommen, wo er nicht leicht auszuspüren war.

So ergieng es den Meinigen, die sich von einem gottlosen Buben und Land-Streicher, und dann durch die schnöde Gold- und Geld Sucht ins Verderben stürtzen liessen. Ich habe ihnen aber, meine Herren, sagte hierbey Mons. Plager, diese Geschichte dergestallt erzehlet, als ob ich bey allen gegenwärtig gewesen wäre, jedoch nichts weniger als dieses, denn ich bin von meinem 11ten Jahre an, auf inständiges Verlangen meiner Groß-Eltern, bey ihnen in Augspurg erzogen worden, und in meinem 17den Jahre, lieff daselbst die betrübte Zeitung von meines Vaters Gefahr und Flucht ein, jedoch alles was ich ihnen voritzo gemeldet, ist mir einige Jahre hernach von meinem Vater selbst, und zwar kurtz vor seinem Ende offenbaret worden, wie der Verfolg meiner Lebens-Geschicht mit mehrern zeigen wird, als welche ich nun mehro so ordentlich als möglich fortsetzen will.

Mein Geburths-Tag war den 21. Decembr. des[245] 1691sten Jahres, und die Aufferziehung also beschaffen, wie selbige von so wohlhabenden Leuten, als unsere Eltern zu seyn schienen, verhofft werden konte. Da aber im Jahr 1702. mein Groß-Vater als ein noch sehr frischer Mann, meinen Vater besuchte, und mit heimlichen Verdruß wahrnahm: wie derselbe seine Kinder ebenfalls in der Reformirten Religion auferzöge, indem mein 15. jähriger Bruder bereits etliche mahl zum Tische des HErrn gegangen war, und ich ihm ebenfalls bald nachfolgen solte; verfällt mein treuer Groß-Vater gleich auf ein gutes Mittel, mich in den Schoß der reinen Evangelisch Lutherischen Kirche einzulegen, erhält derowegen nach vielen gütigen Versprechungen endlich so viel von meinem Vater, daß er mich etwa auff ein halbes Jahr lang, zu seinem, und der Groß-Mutter Vergnügen, mit nach Augspurg nehmen darff.

Er mein Groß-Vater war ein berühmter Mechanicus, und wuste mich durch allerhand Lieblosungen dergestallt an sich zu ziehen, daß ich mich nicht allein zu seiner Profession applicirte, sondern auch zur Evangelisch-Lutherischen Religion bekennete, und durchaus nicht wieder zurück zu meinen Eltern verlangete. Mit den Jahren nahm die Lust zu denen Wissenschafften, und der Fleiß bey der Arbeit dermassen zu, daß mein Groß-Vater nicht nur ein ungemeines Vergnügen dieserwegen bezeigte, sondern auch den Trost gab: wo ich also fort führe, würde wegen meines guten Ingenii und geschickter Faust, mit der Zeit ein guter Meister aus mir werden. Die Großmutter hatte ihre eintzige Freude an[246] mir, weil sie noch kein eintziges von ihren Kindes-Kindern, als mich eintzig und allein zu sehen, das Glück gehabt, denn ihre andern zwey Söhne waren ebenfalls in der Ferne verheyrathet, die eintzige Augspurgische Tochter aber unfruchtbar. Allein da, wie bereits gemeldet habe, in meinem 17den Jahre die erschreckliche Zeitung von dem Unglücke meines Vaters einlieff, zog sich die Großmutter selbiges dermassen zu Gemüthe: daß sie darüber ihren Geist aufgab, ja es fehlete wenig, meinem lieben Groß-Vater wäre ein gleiches wiederfahren, jedoch der Himmel ließ ihn vielleicht zu meinem Troste noch eine Zeitlang leben. Wir hoffeten nach der Zeit immer auf Briefe von meinem Vater, allein gantz vergebens, endlich aber da im Jahre 1713. mein Groß-Vater vor genehm hielt, daß ich mich in frembde Länder begeben, und die Inventiones anderer geschickten Leute in Augenschein nehmen solte; trieb mich dennoch die Liebe zum Vater-Lande in meine Geburths-Stadt, wiewohl ich mich daselbst unter einem andern Nahmen, gantz incognito auffhielt, und meine Mutter zu sprechen trachtete, allein selbiges war nicht möglich, dahingegen kundschaffte ich meine Schwester aus, die bey einer vornehmen Dame als Aufwarte-Mägdgen in Diensten stund, und gewann dieselbe mit leichter Mühe, sich mit mir auf die Post zu setzen und den Groß-Vater zu zu eilen. Sie hatte ihre Mutter ebenfalls seit 5. Jahren nicht gesehen, sondern war, nachdem sie 3. Jahr im Waisen-Hause zugebracht, von besagter Dame heraus, und in ihre Dienste genommen, auch noch so mittelmäßig tractiret worden, weßwegen sie von[247] derselben schrifftl. Abschied nehmen, und sich vor erzeigte Güte bedancken, ihre plötzliche Abreise aber bestens excusiren muste. Mein ältester Bruder war als ein Goldschmidts-Geselle, etwa ein halbes Jahr vor meines Vaters Falliment, nach Welschland gegangen, und hatte sich seit der Zeit noch nicht wieder gemeldet. Meinem Groß-Vater war es von Hertzen angenehm, daß ich ihm so unverhofft die Schwester ins Hauß brachte, indem er lauter frembde Leute zu seiner Bedienung und Wirthschafft halten muste. Sie hat sich jederzeit sehr wohl auffgeführet, die Lutherische Religion angenommen, und nachhero eine glückliche Heyrath getroffen. Ich aber trat meine ernsthaffte Reise aufs neue an, und zwar in die Residentz-Stadt eines gewissen deutschen Fürsten, bey dem sehr viele Leute von meiner Profession ihren Auffenthalt gefunden, und vortreffliche Werckstädten angelegt hatten. Bloß meines Nahmens und meines Groß-Vaters wegen, der weit und breit berühmt war, fand ich sehr bald was ich suchte, der Fürste selbst aber, sahe und merckte so wohl als seine Directeurs, daß ich mein Geld und Brod nicht mit Sünden verdienete, sondern ohne Ruhm zu melden, mehr Kunst und Geschicklichkeit als Jahre besaß, wannenhero ich binnen 3. Jahren Gelegenheit genung fand, mir ein ansehnliches Stücke Geld zu sammlen. Nach der Zeit da unser Fürst einen andern grossen Fürsten mit einer besonders künstlichen Machine beschenckte, muste ich nebst zweyen unter mir stehenden Gesellen, selbige dahin überbringen und behörig auffrichten, wovor mir ein Recompens von 2000. Thl. zu Theile[248] wurde, mit welchem schönen Capitale ich eben meine Rück-Reise anzutreten im Begriff war, da mich eines Abends ein Knabe auf der Strasse anredete und bat, ihm in ein gewisses, in der Vorstadt gelegenes Häußlein, zu folgen, allwo mich ein kranckliegender Lands-Mann zu sprechen verlangete. Diesem Ruffe folgte ich ohne Bedencken, weilen vielleicht Gelegenheit zu finden vermeinete, einem armen bedürfftigen Landes-Manne, meine freygebige Hand zu zeigen, traff auch würcklich einen Menschen daselbst an, der in einer besondern Stube, bey dunckel brennenden Lichte, auf seinem Siech-Bette sehr schwach und elend darnieder lag. Jedoch da er mich im propern rothen Kleide, mit einer geknüpfften Perruque zu seiner Thür hinein treten sahe, richtete er sich ein wenig auf, betrachtete mich eine lange Zeit, und sagte endlich, nachdem ich ihn gegrüsset: Monsieur Sie vergeben mir, daß ich ihnen die Mühe gemacht, mich elenden an diesen schlechten Orte zu besuchen. Ists wahr, daß sie ein Enckel des berühmten Augspurgischen Mechanici NB. sind? Ich weiß nicht anders, war meine Antwort. Und von welchem Sohne? redete er weiter, vielleicht von dem Schweitzer? Da nun ich solches bejahete, fragte er nach meinem und meines Vaters, auch meiner Mutter und Geschwister Nahmen, welche ich ihm in gröster Verdrüßlichkeit meldete, jedoch solches nicht wohl abschlagen konte, weiln vermuthete, daß dieser Mann allem Ansehen nach, vielleicht die gantze Historie von meinen Eltern, besser als ich wissen möchte. Er lag hierauff eine ziemliche Weile sehr stille, weßwegen ich endlich zu fragen anfieng,[249] ob er meinen Groß-Vater von Person wohl kennete. Seine Antwort war: Ja! mein Freund, sehr wohl, aber euren leiblichen Vater noch weit mehr, thut so wohl und eröffnet mir, wo sich derselbe voritzo auffhält, und welcher gestallt er in so grosses Unglück gerathen, denn ich versichere, daß derselbe mein allervertrautester Freund gewesen. Mein Herr! versetzte ich, den Auffenthalt meines unglück seeligen und dennoch geliebten Vaters zu erfahren, habe ich seit etlichen Jahren, sehr viele vergebliche Mühe angewendet, sonsten ist es leyder an dem, daß er sich, von einem gottlosen und ehrvergessenen Land-Streicher, der noch darzu meiner Mutter Bruder gewesen, ins Unglücke führen und um sein zeitliches Glück bringen lassen, da er doch sonst jederzeit, und von jederman vor einen redlichen, geschickten und vernünftigen Mann gehalten worden. Hierauff fragte der Patient: Ob ich nicht wisse wie es meiner Mutter und Geschwistern ergienge, und ich berichtete ihm die Wahrheit, daß nehmlich die Mutter meines wissens, annoch in gefänglicher Hafft, mein ältester Bruder noch nicht aus Welschland zurück gekommen, die Schwester aber von mir vor einigen Jahren nach Augspurg geführet sey. GOtt sey gelobt, schrye er hierauff mit weinender Stimme, der doch zwey von meinem lieben Kindern aus dem Verderben gerissen hat. Ich wuste nicht so gleich was ich aus solchen Worten schliessen solte, so bald ich aber das Licht genommen, und dem Patienten unter die Augen geleuchtet hatte, erkannte ich ohngeacht seiner starck veränderten Gestallt, meinen leiblichen Vater, fiel ihm um den Halß, und benetzte sein Angesicht[250] mit vielen heissen Thränen. Er weinete gleichfalls überlaut, da aber mittlerweile sein Aufwärter in die Stube trat, wurde derselbe abermahls in die Stadt geschickt, vor mich eine Bouteille Wein zu langen. Also blieben wir allein beysammen, und mein Vater fieng an, mir eine ausführliche Erzehlung seiner Glücks- und Unglücks-Fälle zu thun, jedoch weil ich das meiste bereits gemeldet habe, so will voritzo nur berichten, daß er auf seiner Flucht von Schaafhausen, gerades Wegs nach Holland gereiset, und daselbst unter gantz veränderter Tracht, auch unter dem veränderten Nahmen Plager, etliche Jahr ziemlich ruhig hingebracht, indem er seiner Profession eiffrig obgelegen, und sich schönes Geld verdienet. Jedoch der Satan hat aufs neue sein Spiel, indem er sich zum andern mahle von einem so genandten Adepto verführen lässet: seine gantze Baarschafft an die Alchymisterey zu legen, und mit ihm in Compagnie zu treten. Seinem bedünckē nach, gehet der angefangene Process glücklich genung von statten, da sie aber ehester Tages den erwünschten Azoth oder Mercurium Philosophorum Catholicon, nach welchen ihnen die Schrifften des Welt bekandten Henrici Kunradi, die Mäuler so trefflich wäßrig gemacht, mit Augen zu sehen und mit Händen zu greiffen gedencken, zerspringt ohnverhofft eine Phiole auf dem Feuer, dem Haupt-Artisten aber springt ein groß Stücke Glaß dermassen tieff ins Auge, daß er etliche Tage hernach elendiglich crepiren muß. Solchergestallt fällt der gantze kostbare Process auf einmahl in den Qvarck, mein Vater erbet etwas Geld und Mobilien von diesen unglückseeligen [251] Artisten, an statt aber, sich dessen Schaden zur Warnung dienen zu lassen, verwendet er alles sein Haab und Gut auf einen nochmahligen Process, geräth darüber in die gröste Armuth, so, daß er fast das Bettel-Brod darüber essen muß, endlich aber bringet er dennoch ein mercurialisch metallisches Liquidum zur Perfection, durch dessen Hülffe wie er mir gesagt, er die fixen Gold-und Silber-Strahlen im offenen Tiegel, auf dem Feuer, ohne alles corrosiv von ihrem Corpore absondern kan, also fehlet ihm nichts mehr als die volatilischen mercurialischen, zu einer philosophischen truckenen Tinctur zu zwingen, welches ihm aber nach der Zeit niemahls recht gerathen wollen, gleichwohl verdienet er sich bey etlichen Adeptis durch Eröffnung dieses Arcani, mehr als 1000. Thlr. und gehet aus besondern Ursachen aus Holland nach Ungarn, hält sich daselbst auch etliche Jahre auf, und verlaboriret abermahls sein gantzes Vermögen, muß sich also aus Ungarn biß nach Deutschland, als wohin er ein besonderes Verlangen getragen, mit Betteln behelffen. Er kömmt nach langen herum vagiren endlich an denjenigen Hof, allwo ich, wie oben bereits gemeldet, meine Machine zu præsentiren hatte, vermeynet durch Entdeckung seiner Inventorum und Arcanorum ein Stücke Geld zu erhaschen, allein dieses ist am selbigen Hofe zu der Zeit schon etwas bekandtes, weil der Principal vor den einzigen Process des mercurialisch-metallischẽ Liquidi mehr als 5000. Thlr. gezahlet, und zwar an eben diejenigen Kerls, welche denselben meinem Vater sämmtlich vor 1000. Thlr. abgekaufft hatten. Jedoch da[252] der Principal ohnedem einen grossen Schwallich eingebildeter kluger Adeptorum sitzen hat, und doch bey meinem Vater ein und andere, sonst noch nie erfahrne und gesehene Curiosa antrifft, weiset er ihm in seinem Laboratorio eine Stelle an, nebst jährlicher mittelmäßiger Pension. Mein Vater hilfft eine ziemliche Zeit lang sehr getreu arbeiten, trifft aber solche Künstler an, die von sich ausgeben, daß sie nur noch einer eintzigen Haare breit von dem Astro auri entfernet wären, in der That aber sind es eitel Betrüger, ausgenommen ein eintziger, welcher nicht so viel Boßheit als einfältigen Hochmuth in sich hat. Er giebt aber allen um so viel desto genauer Achtung auf die Finger, mercket eines jeden Schelmerey mit der Zeit sehr klüglich ab, und entdecket endlich den Principal gantz treuhertzig: daß er unter seinen 21. Laboranten oder Goldmachern, wenigstens 19. Schelme und Spitzbuben ertappen könne. Dieser hält hierauff eine General-Musterung läst alles genau untersuchen, und nach glücklich entdeckten Betrügereyen, schöpfft er auf einmahl einen dermassen hefftigen Eckel gegen diese gefährliche Kunst, welche ihn binnen etlichen Jahren nicht allein um ein entsetzliches Capital, sondern über dieses noch in mehr als 2. Tonnen Goldes Schulden gebracht, so daß er das gantze Laboratorium zerstöhren, meinem Vater aber nebst seinem eintzigen, noch etwas ehrlichen Consorten 2000. Thlr. reichen lässet, mit dem Bedeuten, daß sie selbiges Geld in ihren selbst beliebigen Nutzen verwenden möchten, auch die Freyheit haben solten, in seiner Residentz und Landen zu bleiben, doch mit dem Beding: daß keiner, der[253] da ferner zu laboriren gesonnen, sich unterstehen möchte, von ihm hinführo einen eintzigen Pfennig zu fordern, biß er den veritablen Lapidem Philosophorum auffzuweisen hätte, und sich eine unverdächtige Probe damit zu machen getrauete. Im Gegentheil werden die andern 19. Haupt-Betrüger, nebst ihren Handlangern, in aller Stille des Landes auf ewig verwiesen, weil der allzugütige Herr seiner gerechten Rache nicht den völligen Zügel schiessen, oder vielleicht andern Leuten keine fernere Materie zu verdrüßlichen Sentiments überlassen wollen.

Wiewohl hätte doch mein armer Vater gethan, wenn er seinen Theil à 1000. Thlr. auf Zinsen gelegt, und als eine Privat Person von dem jährlichen Interesse gelebt hätte, zumahl da er ausserdem noch ein paar hundert Thlr. Geld in Händen gehabt, und sich an einem solchen Orte befunden, wo seine Ruhe leichtlich von niemanden wäre gestöhret worden. Allein es ist ihm unmöglich, die Hand von demjenigen Pfluge abzuziehen, mit welchen er noch immer den Stein der Weisen, die Tinctur der Physicorum das Astrum Metallorum das Mysterium magnum, ja die Himmlische Sophiam, oder wie das Ding sonsten noch genennet werden mag, auszuackern gedenckt. Kurtz zu sagen, er legt nebst dem Compagnon sein noch übriges alles aufs neue an, miethet sich in der Vorstadt ein Garten-Hauß zum Laboratorio, und arbeitet Tag und Nacht mit solchen unermüdeten Fleisse: diß ihn endlich der Dampf von einer gewissen communicirten Massa, nicht allein gantz contract an allen Gliedern macht, sondern auch eine dermassen hefftige Schwindsucht zuziehet,[254] daß er bey annoch gantz frischen Hertzen, Lunge und Leber auszuspeyen gezwungen ist. Er hatte trifftige Ursachen zu glauben gehabt, daß ihm ein böser Bude, diesen Streich muthwilliger und mörderischer weise gespielet habe, jedoch erträgt er sein Creutz mit ziemlicher Gelassenheit, und eben in diesem Zustande erfährt er meine Anwesenheit zufälliger weise, schicket derowegen seinen Aufwarte-Knaben so lange nach mir aus, biß selbiger mich endlich antrifft und zu ihm bringt.

Ich bejammerte meines Vaters elenden Zustand, und erfuhr, daß er keines Thalers mehr mächtig wäre, sondern einzig und allein von der Gnade, seiner, selbst sehr armseelig lebenden, vermeintlichen Artisten, dependiren muste, weiln er ihrer Meynung nach, noch ein und andere Arcana auf dem Hertzen, so wohl auch in Schrifften verborgen hätte, die sie nach und nach von ihm heraus zu locken gedachten. Ich hergegen machte nunmehro alle Anstallten meinen Vater aufs beste zu verpflegen, jedoch durffte ich ihn in Anwesenheit anderer Leute, nicht Vater, sondern nur Vetter nennen, damit sein veränderter Nahme nicht verdacht erweckte. Wiewohl die Hoffnung zu seiner Genesung, schien gantz vergeblich zu seyn, und binnen Monats-Frist wurde sein Zustand dermassen schlecht, daß er selbsten zu verstehen gab: welchergestallt sein Ende heran nahete, derowegen möchte ich mir weiter keine grössere Mühe geben, als ihm einen Lutherischen Prediger zuzuführen, der ihn täglich etliche Stunden zum seel. sterben præpariren, und mit dem letzten Zehr-Pfennige, nehmlich dem heil. Abendmahle, welches er seit 5.[255] Jahren nicht empfangen, versehen möchte. Dennoch erkundigte ich mich mit allem Fleisse, nach einem recht exemplarischen Priester, war auch so glücklich einen solchen anzutreffen, und nachdem ich ihm den leiblichen und geistlichen gefährlichen Zustand meines Vaters, als ein besonderes Geheimniß anvertrauet, ließ er sich gefallen, denselben täglich, wenigstens 4. Stunden zu besuchen. Ich weiß nicht ob sich mein Vater mehr über die Gesellschafft seines Seelsorgers, oder dieser über das offenhertzige Bekänntniß, wahre Reue, ernstliche Busse und festen Glauben, des bißhero verirrt gewesenen Schaafs erfreuet; genung ich kan mich nicht erinnern, Zeit Lebens zwey vergnügtere Personen gesehen zu haben. Endlich aber da sich mein Vater wiederum völlig zur Evangelisch-Lutherischen Religion gewendet, auch das heil. Abendmahl empfangen hatte, brach er bey immer mehr und mehr abnehmenden Kräfften in beyseyn des Priesters und meiner, in folgende Worte aus: GOTT sey gelobet! der mich armen fast gäntzlich verlohrnen Sünder wieder zu Gnaden auf und angenommen hat, ja! nunmehro weiß ich gewiß, daß ich von den verguldeten Ketten des Teuffels befreyet bin, und die gewisse Hoffnung habe, ein Erbe der ewigen Seeligkeit zu werden. O du verdammter Gold- und Geld-Durst! O du verfluchte Begierde! hättest du mich nicht bald mit Leib und Seele in den ewig breñenden höllischen Schwefel-Pfuhl gestürtzt? Ja! bey nahe wäre ich aus dem zeitlichen ins ewige Verderben verfallen. Spiegle dich mein Sohn! sprach er zu mir, an meinem Exempel, und laß dich die zeitlichen Kostbarkeiten,[256] Künste und Wissenschafften, die ich in Wahrheit nunmehro erstlich vor Koth, Eitelkeit und Stückwerck erkenne, niemahls verleiten: GOttes darüber zu vergessen, oder solche Güter höher, als die unvergänglichen zu achten. Bleibe, mein Sohn! beständig bey der einmahl erkandten Evangelischen Wahrheit, so wirst du auf deinem Todt-Bette nicht Ursache haben: dich, halb verzweiffelt, mit dem Teuffel und deinem bösen Gewissen herum zu schlagen, wie du leyder, an mir zur Gnüge verspüret. Laß dich nicht zu solchen Sachen verführen, die dir zu hoch sind, sondern bleibe viel lieber in deinem Stande und Beruff, lege dein Geld nicht an etwas ungewisses, zum wenigsten nicht mehr, als du ohne deinen Schaden verschencken oder verlieren kanst, sondern halt dasselbe zu rathe, weil du an mir vermerckest, daß Armuth im Alter und auf dem Siech-Bette wehe thut. Ja mein Sohn! strebe nicht so eiffrig nach Reichthum, denn es bleibt ewig wahr, was die heil. Schrifft sagt: die da reich werden wollen, fallen in Versuchung und Stricke, u.s.f. Hüte dich ein Weib zur Ehe zu nehmen, die anderer Religion ist als du, hauptsächlich aber vor einer Reformirten. Glaube mir, da ich jetzo zwischen Tod und Leben stehe, daß ein Reformirtes Weib den Grund-Stein zu meinem zeitlichen Verderben gelegt, GOtt erbarme sich ihrer und bekehre sie, wo sie anders noch am Leben ist. Uberhaupt laß dir gesagt seyn, daß du dich nicht leicht einem andern Glaubens-Genossen anvertrauest, ich vor meine Person weiß gewiß, daß ich unter hunderten kaum einen angetroffen, der ohne Falschheit[257] gewesen. Die wenigen Scripturen so unter meinem Haupt-Küssen liegen, verbrenne viel lieber, als daß du dich selbst, oder deinen Neben-Christen zu der betrüglichen Kunst, ich meyne die Alchymie, verleiten lässest. Deiner vollkommenen kindlichen Liebe bin ich mehr als zu viel versichert, dieses ist auch mein eintziges zeitliches Vergnügen, so ich noch vor meinem Ende empfinde und GOtt hertzlich davor dancke, dieserwegen will ich auch alle Sorge vor meinen entseelten Cörper, deiner Treue einzig und allein überlassen, und dir den väterlichen Seegen ertheilen, welchen GOtt wegen meiner Busse und Bekehrung bekräfftigen wird, theile du denselben mit deinen Geschwistern, daferne sie in der Gottesfurcht stehen, wo nicht, so bleibe derselbe allein auf deiner Scheitel.

Nach diesen und noch vielen andern treuhertzigen Vermahnungen, empfieng ich den väterlichen Seegen mit weinenden Augen, hierauf befahl er noch kürtzlich: was ich meinem Groß-Vater und der Schwester vermelden solte, bekümmerte sich weiter aber um keine zeitlichen Dinge, sondern verharrete nebst dem Prediger, noch etliche Stunden im eifrigen Gebeth, biß er endlich bald nach Mitternacht sanfft und selig einschlieff. Ich ließ den entseelten Cörper, auf Einrathen des redlichen Priesters, Abends in der Stille auf dem Gottes-Acker an einen reputirlichen Ort begraben, bezahlete alle diejenigen, welche damit zu thun gehabt reichlich, nahm meines Vaters hinterlassenes Geräthe zu mir, packte selbiges in einen besondern Kasten, und war willens mit ehester Post zurück an denjenigen Hof[258] zu reisen, allwo ich meine Pension zu ziehen hatte; als Tages vor Abgang der Post, ein unbekannter schlecht gekleideter Mann in meine Cammer trat, und mich ohngefähr also anredete: Monsieur nehmet mir nicht ungütig, daß ich euch unangemeldet Beschwerlichkeit verursache, ich trage hertzliches Mitleyd über den kläglichen Todes-Fall eures Vettern und bedaure sonderlich, daß ich heute mit der Post zu späte gekommen bin, denselben vor seinem seeligen Ende noch einmahl mündlich zu sprechen, denn wir sind in Wahrheit jederzeit sehr gute Freunde gewesen, ich bin gewißlich fast um keiner andern Ursache willen verreiset, als einen Gottes-Mann her zu führen, der euren Vater von dem Irrwege auf die rechte Strasse führen, und ihn zu einem wiedergebohrnen Menschen und rechtschaffenen Christen machen solte, da ich aber von einem meiner Mittbrüder, nur vor wenig Stunden vernommen, daß er als ein bußfertiger und bekehrter Christ von der Welt geschieden, gönne ich ihm die seelige Ruhe von Grunde meiner Seelen gern, euch aber, mein Herr, will ich freundlich ersucht haben, mir um eine billige Bezahlung, dieses euren seel. Vetters hinterlassene chymische Schrifften zu überliefern, weil sie doch vermuthlich euch schlechten Nutzen schaffen werden. Ich gab hierauff zur Antwort: daß mir an etlichen Thalern Geldes wenig gelegen sey, jedoch weil ich dergleichen betrüglichen Plunder gantz und gar nichts achtete, wäre ich bereit ihm die Schrifften meines Vetters sehr gern zu überlassen, wenn erwehnter mein Vetter mir nicht vor seinem Ende befohlen, diese Schrifften viel lieber[259] zu verbrennen, als mich selbst oder meinen Neben-Christen dadurch zu der gefährlichen und betrüglichen Goldmacher-Kunst zu verleiten. Ich halte euch, mein Herr! war des Frembden Gegenrede, euer Gespräch dißfalls zu gute, weil ich höre, daß ihr so wenig Wissenschafft von der himmlisch Göttlichen Kunst habt; als ein rechtschaffener wiedergebohrner Mensch seyd. Jedoch übereilet euch nicht, mein Freund, dasjenige zu unterdrücken, was Gott durch seine unerforschliche Barmhertzigkeit, zu Vergrösserung seiner Herrlichkeit, auch einem schlechtglaubigen Menschen erfinden lassen, glaubet anbey sicherlich, daß euer Vetter den Welt beruffenen Stein der Weisen vor 1000. andern Artisten würde gefunden haben, woferne er nur etliche Jahre zeitiger Busse gethan, und mit feuriger Andacht im lebendigen Glauben und Gebet, die Gnade des heil. Geistes angesucht, ja ich will fast glauben, daß er diesen kostbaren Schatz schon würcklich in seiner Gewalt gehabt, allein weil er bey seiner Arbeit nicht auf Theosophische Weise durch geheime Gespräche mit Jehova, eine reine Gottesfurcht geübt hat, so sind ihm von der himmlischen Sophia die Augen seines Leibes und Gemüths gehalten worden, dasjenige nicht zu sehen, und zu begreiffen, was er doch würcklich vor Augen und unter seinen Händen gehabt hat.

Ich wurde über diesem Gespräche dermassen verwirrt, daß ich nicht wuste, was ferner antworten solte, endlich aber fragte ich, gantz in Gedanckenvertiefft: Mein Herr, wie ist euer Nahme? Mein gewöhnl. Name, sprach er, ist euch zu wissē ohne eintzigē Nutzen,[260] mein Kunst-Nahme aber heisst Elisæus, habt ihr selbigen bereits erwehnen hören? Nein versetzte ich, sonsten aber fällt mir bey, in einem Tractætlein von einem Adepto gelesen zu haben, der sich Elias Artista genennet, bereits vor etlichen 40. oder 50. Jahren dem berühmten Haagischen Chymico Helvetio erschienen seyn, und demselben den Lapidem Philosophorum nicht allein gezeigt, sondern auch etwas davon mitgetheilt haben soll. Eben dieser Elias, sprach der Frembde, ist mein Meister, er lebt biß diese Stunde noch in seinem 94ten Jahre, dermassen gesund und frisch, daß er itzo vor einen Mann von etliche 40. Jahren anzusehen ist, denn die aus dem Lapide præparirte universal Medicin, bewahret ihn nicht allein vor aller Kranckheit, sondern auch die Theile seines Leibes vor aller Ungestaltniß, Runtzeln und andern gewöhnlichen Beschwerlichkeiten. Mein Freund, rieff ich endlich aus, wenn ihr mir diesen Wunder-Mann, so wohl als sein arcanum nebst der Probe davon zeigen wollet, so bin ich nicht allein erböthig euch völlig Glauben zu zustellen, sondern über dieses meines Vettern hinterlassene Schrifften zu übergeben, welche euch aber meines Erachtens wenig nützen können indem, wie ihr sagt, euer Meister den Lapidem schon würcklich besitzet. Ich könte euch, sagte der Frembde, durch eine kurtze Erzehlung sehr wunderbarer Geschichte, gar bald aus dem Traume helffen, allein derjenige Eyd, welchen ich meinem Meister geschworen; verbiethet mir solches zu thun, doch verzeyhet mir, daß ich mich über eure Einfalt wundere: ihr erbiethet euch, daferne ihr meinen Meister nebst der[261] Probe von dem himmlischen Arcano zu sehen bekommet, der Sache völligen Glauben zu geben, und die Schrifften eures Vettern auszuliefern. Ist dieses auch etwas besonderes? O ihr thörichter Mensch! warum woltet ihr euch nicht vielmehr bestreben sein Jünger und mein Mitschüler zu werden? Wie viel Könige, wie viel Fürsten, wie viel tausend gelehrte und ungelehrte solten sich ein solches Glück nicht wünschen, und es mit der Helffte ihres Bluts erkauffen? Lebet wohl! Ich verlasse euch und zweiffele, ob ihr mich nur ein einzig mahl wieder zu sehen das Glück haben werdet.

Ich meines Theils weiß biß diese Stunde noch nicht, ob mich dieser Mensch mit seinen blossen Worten bezaubert, oder als ein Basilißke durch das Ansehen vergifftet hatte, denn so bald er mir nur den Rücken zukehren wolte, wurde mein gantzes Wesen dergestalt verändert, daß ich augenblicklich aufsprung, ihm um den Hals fiel, und hertzlich bat, mich als einen verwirrten Menschen, der da nicht wisse, was er glauben solle, um des Himmels willen nicht zu verlassen, sondern meiner Schwachheit zu Hülffe zu kommen, und wenigstens Morgen, nachdem ich meine 5. Sinne wiederum in einige Ordnung gebracht, noch ein einzigs mahl bey mir einzusprechen. Er versprach solches zwar, jedoch mit einer solchen Gebärde, daß ich daraus die stärckste Ursache nahm, an der Erfüllung seines Worts zu zweiffeln, weßwegen ich mit Bitten nicht abließ, biß er endlich den Schwur that, mir, so wahr er ein wahrhafftiger Anbeter des grossen Jehova wäre, sein Wort zu halten.[262]

Weñ ich erzehlen solte, wie mir in folgender Nacht zu Muthe gewesen, und welchergestalt alle meine Affecten und Gedancken durch einander her gegangen, so müste mehr als einen Tag Zeit darzu haben. Kurtz! ich bleibe fast darbey, daß mein gantzer Verstand bezaubert worden. Die Vermahnungen meines sterbenden Vaters, zerschmoltzen wie Butter an der Sonnen, und wie sehr ich sonsten auf die betrügerischen Alchymisten erbittert gewesen, so sehr wünschte ich nunmehro den wundervollen Elias und den frommen Elisæum zu umarmen, an die Abreise aber wurde gar im geringsten nicht gedacht.

Etwa zwey Stunden, nachdem ich von meinem Lager aufgestanden, stellete sich der so sehnlich gewünschte Elisæus ein, fragte gantz devot, ob ich wohl geruhet und Belieben hätte ihm zu folgen. Derowegen warff ich mit erfreuten Hertzen, in gröster Geschwindigkeit, meinen Mantel um mich, und folgete meinem Führer, welcher sich durchaus nicht erbitten ließ, etwas von meinem delicaten Früh-Stücke einzunehmen, indem er einen halben Fast-Tag zu haben vorschützte. Er führete mich jenseit der Stadt ebenfalls in ein kleines Häußlein, allwo ein etliche 40. Jahr alt scheinender Mann, in der Stube herum gieng, und mich ohne besondere Ceremonien willkommen hieß. Selbiger redete erstlich weiter nichts, Elisæus aber fieng einen sonderbaren geistlichen Discours an, worinnen er die vermeinte Göttliche Kunst, biß in den Himmel erhub, und beyläuffig den gegenwärtigen so genandten Elias, noch höher als alle heil. Propheten und Evangelisten erhub, endlich gab er zu vernehmen,[263] wie mir die Probe von der Transmutation der Metallen, noch in dieser Stunde gezeigt werden solte; daferne ich kein Bedencken nähme eine Eydes-Formul abzuschweren, welche ohngefähr folgendes Innhalts war: 1) Solte ich mit andächtigen und Gottesfürchtigen Hertzen meine Augen auf das grosse Welt-Wunder richten. 2.) Dem Meister Elias und seine Junger so wenig, als das Wunder selbst, verrathen und ausplaudern. 3.) Daferne ich ja so glückseelig werden solte, bey ihnen unter die Zahl der Lernend in aufgenommen zu werden, mich aus allen Kräfften der Seelen, dahin zu bestreben, als ein wiedergebohrner heiliger Mensch zu leben, auch wie es der Zustand rechtschaffener Christen erforderte, alles das meinige, und hingegen auch alles das ihrige gemeinschafftlich zu halten. 4.) Dem Artisten Elia alle Huld, Treue und Gehorsam zu leisten, oder da mir solches nicht länger anstünde, und ich etwa vor mich allein leben und arbeiten wolte, ihm vorhero danckbarliche Aufkündigung zu thun.

Kan man wohl glauben, daß ich so thöricht gewesen, dergleichen Eyd zu schweren, welchen gemäß zu leben, doch eine weit andere als menschliche Krafft erfordert wurde. Allein man bedencke nur, daß mein Verstand, in Wahrheit durch die hefftige Begierde nach dem Steine der Weisen, nicht um ein kleines verrückt worden, derowegen hätte ich wohl noch weit unmöglichere Dinge angelobet, um nur desto hurtiger meine Neugierigkeit zu befriedigen. Endlich wurde ich in ein kleines Laboratorium geführet, allwo ein bereits angemachtes Kohl-Feuer,[264] überall aber lauter chymisches Geschirr zu sehen war. In der Wand stunden etwa 7. oder 8. kleine Schmeltz-Tiegel, derowegen sagte Elisæus: Mein Freund, leset euch einen von diesen Schmeltz-Tiegeln aus, besehet ihn, ob er tüchtig ist, und setzt denselben ins Feuer, denn ich und mein Meister werden euch gantz allein handthieren lassen und allhier vor der Thür stehen bleiben, damit ihr völlig versichert, seyn möget, daß alles ordentlich und richtig zugehe. Ich zitterte vor Freuden, gehorsamete aber und setzte den Tiegel in die Gluth. Habt ihr etwas Bley oder Zinn bey euch, fragte Elisæus, so wäget dort auf der Wage 1. Loth ab, und werfft es in den Tiegel. Ich hatte einen bleyernen Griffel in meiner Schreib-Taffel, weil aber selbiger noch kein Loth wuge, so muste noch einen zinnernen Knopff von meinen Bein-Kleidern reissen, etwas davon abschneiden und hinzu legen, damit ein accurates Loth-Gewicht heraus kam. So bald ich gesagt, daß es zerschmoltzen sey, fiel Elias auf seine Knie nieder, schlug mit der Hand an die Brust, kehrete die Augen gen Himmel, murmelte etliche unverständliche Worte her, zog immittelst ein klein Büchslein hervor, und nahm aus selbigen ein röthliches Stücklein Hartz, oder was es sonsten seyn mochte, etwan einer halben Erbsen groß, schabte so viel darvon, als ein halber kleiner Stecke-Nadels-Knopff beträgt, und fragte, ob ich etwas Wachs bey mir hätte? Da nun ich solches verneinete, sprach Elisæus, sehet hier ist Wachs genung, damit euch aber wegen unserer Materialien kein Verdacht erweckt werde, so nehmet ein wenig[265] Ohren-Schmaltz, machet mit Kothe aus der Hand eine Massam daraus, damit ihr dieses kleine Stäublein von dem Lapide darein kleiden und in das geschmoltzene Bley werffen könnet. Nachdem solches geschehen, und ich die vortreffliche Pille hinein geworffen, muste ich ein bey der Hand liegendes, etwa halben Fingers dickes, Eisen nehmen, ein einzig mahl damit auf den Boden des Schmeltz-Tiegels, und zwar nicht gar zu gelinde stossen, worauf alsobald ein starckes Getöse im Tiegel entstund, jedoch Elisæus erinnerte mich das Gesicht hinweg zu wenden, und hernachmahls gar eines Schritts breit davon, auf den Sessel nieder zu lassen, allwo ich etwa eine halbe Stunde pausiren muste, ehe Elias sich mit besonderes andächtigen Gebärden von der Erden aufhub, mir den Tiegel aus dem Feuer zu heben, und das, was darinnen, auf die Steine zu schütten befahl. Indem ich solches verrichtete, giengen sie beyderseits in die Stube, sich aber folgte ihnen nicht eher nach, biß ich den erkalteten Guß, unter dem Kothe hervorziehen, und zur eigentlichen Betrachtung in die Stube tragen konte. Ach Himmel, wie erfreut war mein Hertz, da sich ein Stück, aus Bley gemachtes Gold, in meinen Händen befand. Elias fragte: Kennet ihr nun das gemachte Gold? Glaubt ihr nun, daß die Transmutation keine Hirn-Geburth ist? Haltet ihr nun darvor, daß Elias Artista ein von GOtt auserordentlich begnadigter Mann sey? Ja, lieber Herr! ich glaube alles, war meine Antwort, lege mich derowegen zu euren Füssen, und bitte, mich Unwürdigen in die Lehre zu nehmen. Pfuy! schrye[266] er, betet GOtt an, und nicht mich als seinen unwürdigsten Knecht, dancket dem Höchsten, der euch das Geheimniß mit sichtbaren Augen anzusehen, und zu gleich eine solche Glückseligkeit vergönnet hat, welche so viel hundert Kayser und Könige vergeblich gewünscht haben. Allein mein Sohn, fuhr er fort, ihr seyd dennoch viel zu leichtgläubig, woher könnet ihr wissen, daß dieses würckliches und aufrichtiges Gold sey, da selbiges noch von keinem Unpartheyischen, sattsam probirt ist, gehet derowegen hin, ich schencke euch das gantze Stück, lasset es von allen Goldschmieden examiniren, bedencket aber dabey euren gethanen Eyd, und kommet in dreyen Tagen wiederum an diesen Ort, so dann wollen wir weitläufftiger mit einander sprechen. Um keine Grobheit gegen diesen capricieusen Kopff zu begehen, bequemte mich augenblicklich zum Gehorsam, gieng auch zu allen Goldschmieden in der gantzen Stadt, ließ mein Stück probiren, und erhielt das allgemeine Zeugniß, daß selbiges vom allerschönsten Kremnizer-Ducaten-Golde wäre.

Nunmehro beklagte ich erstlich: daß mein seel. Vater nicht noch am Leben seye, um dieses unvergleichliche Kunst-Stück mit Augen anzusehen. Nunmehro bedaurete ich meine vormahlige Einfalt und dummes Judicium von der Transmutatione Metallorum. Ja nunmehro war ich entschlossen alle andern Wissenschafften an den Nagel hängen zu lassen, und mich eintzig und allein auf das laboriren zu legen. Allein, wie wurde mein gantzes Gemüthe doch in das allergröste Betrübniß versetzt?[267] da ich am dritten Tage, das leere Nest, und weder den Elias, noch den Elisæum antraff, auch in nachfolgenden 8. Tagen nicht die geringste Nachricht von allen beyden erhalten konte. Ich blieb gantz ohne Trost in meinem Logis, brachte die meiste Zeit als ein, am Leibe und Gemüthe krancker Mensch auf meinem Lager zu, lieff doch täglich 3. oder 4. mahl in das kleine Hauß, allwo ich das grosse Geheimniß erfahren, fand aber selbiges von solchen Leuten bewohnet, welche weder den Eliam noch Elisæum kennen, oder nur das geringste von ihnen gesehen haben wolten. Endlich da ich mir die gäntzliche Rechnung gemacht, daß sie mich nicht würdig geschätzt in ihre Gesellschafft aufzunehmen, und darüber fast in Verzweiffelung fallen wolte, kam am Abende des 8ten Tages Elisæus, ohnangepocht in meine Stube getreten, fragte, wie ich mich befände, und entschuldigte hernach, ziemlich freundlich, daß er und sein Meister wichtiger Ursache wegen sich einige Tage verborgen halten müssen, meldete auch: daß sie binnen 3. Tagen diese Stadt gäntzlich verlassen, und sich in ein ander sicherer Land begeben würden, allwo weit frömmere Leute, als hiesiges Orts anzutreffen wären. Ich fiel dem Elisæo um den Halß, bat ihn aufs flehentlichste, mich nicht zu verstossen, sondern bey dem Artisten Elia allen Vorspruch anzuwenden: Daß mir vergönnet werden möchte, in seiner Gesellschafft mit zu reisen. Endlich wurde mein Bitten erhöret, und ich zu einem Mitgliede ihrer Kunstgenossenschafft auf und angenommen, sie schwuren mir, welches erstaunlich zu erwegen, beyderseits einen[268] theuern Eyd: Mich in keinem Glücks- oder Unglücks-Falle zu verlassen, sondern mir jederzeit mit treuer Lehre, auch Gut und Blut zu dienen, ich hergegen muste alle meine Mobilien zu Gelde machen, einen niederträchtigen Habit anziehen, und alles in Gold verwechselte Geld, welches sich ohngefähr auf 2300. Thlr. belieff, darein vernehen. Hierauf traten wir die Reise zu Fuß an, und zwar an denjenigen Fürstl. Hof, wo ich meine mechanische Werckstadt hatte, daselbst nahm ich meinen Abschied, unter dem Vorwande eine Reise nach Engelland anzutreten, verkauffte alle noch übrigen Geräthschafften, und lösete 530. Thlr. daraus, hatte also ein Capital von 2830. Thlr. beysammen, welches ich dem Elisæo halb zu tragen gab, und mit meinen Führern immerfort reisete, ohne mich zu bekümmern, wohin. Uberall wo wir nur einkehreten, musten die aller delicatesten Speisen aufgetragen werden, ohngeacht aber alles aus meinem Beutel bezahlet wurde, bekümmerte ich mich doch sehr wenig um das eitele Geld, weilen mich versichert hielt, daß so bald selbiges verzehret sey, Elias den Schaden schon durch einen wichtigen Gold-Klumpen ersetzen könte. Endlich gelangeten wir in einem Holländischen Dorffe an, allwo unser Wirth den Elisæum und Eliam als wohlbekannte Freunde empfieng, und mir ebenfalls alle Höfflichkeit erzeigte, es fand sich daselbst ein unterirrdisches weitläufftiges Laboratorium, in welchen Elias Artista mit mir zu laboriren anfieng, und zwar keine andern, als diejenigen Processe, welche mein seel. Vater schrifftl. hinterlassen, Elisæus aber[269] muste eine Reise antreten, um ein und andere Materialien herbey zu schaffen, hierzu nahm er mein Geld mit, warum ich mir aber nicht die geringste Sorge machte. Mittlerzeit war der vortreffliche Lehrmeister so gnädig, mir dann und wann ein Stücke von seinem Lebens-Lauffe zu erzehlen, und gab vor: er sey ein Nord-Holländer, im Jahr 1622. gebohren, hätte von Jugend auf bey einem seiner Verwandten dem laboriren beygewohnet, und zum Scheine das Roth-Giessen gelernet, nach der Zeit wäre er durch die Zubereitung verschiedener trefflicher chymischer Artzeneyen in starcken Ruff kommen, so daß ihm viele berühmte Künstler besucht, und ihres Vorhabens wegen seinen Rath verlanget hätten. Endlich aber sey, bey sehr schlimmen Wetter, einsmahls ein unbekandter Mann zu ihm gekommen, den er wegen seiner Erfahrenheit im laboriren etliche Tage beherberget, wohl gepfleget und von ihm letzlich die Præparation des Schatzes aller Schätze nehmlich des Lapidis philosophici erhalten hätte, jedoch mit dem Bedinge, selbigen keinen Menschen völlig zu offenbaren, als welcher gewisse Merckmahle, die mir aber Elias nicht sagen wolte, in seinem Gesichte, Gebärden und gantzen Wesen von sich blicken liesse.

Hierauf muste ich recht erstaunliche Geschichte von seinen durch alle Europæische Länder gethanen wundervollen Reisen anhören, die ich voritzo beliebter Kürtze wegen übergehen will, sonsten aber betheurete er hoch, daß von 6. Personen, denen er seit etliche 60. Jahren her, dieses Geheimniß mit guten Gewissen offenbaren dürffen, kein eintziger[270] mehr am Leben sey, ihn aber habe der Himmel durch die Kräffte und Tugenden seiner universal Medicin, stets gesund, frisch und starck erhalten, so daß er sich über dieses Wunder, selbst niemahls genung, verwundern könte.

Ich weiß, sprach er hierauf, aus einer himmlischen Offenbahrung gewiß, daß sich mein Leben noch etwas über 120. Jahr erstrecken wird. Der Vorrath von meinem kostbaren Schatze ist zwar annoch so groß, daß ich mehr als vor 100000. Thlr. Gold aus blossen Bley machen kan; allein erschrecket nicht mein Sohn, wenn ich euch offenhertzig gestehe, daß mir nunmehro bey nahe seit zehen Jahren her, nicht ein einzigmahl möglich gewesen den Lapidem so rite zu præpariren als vor dem. Höret, was ich euch sage: Ach leyder! ich bin vor fast zehn Jahren, in eine gantz besondere Sünde gefallen, die niemand leichtlich errathen wird, derowegen straffte mich der Himmel auf frischer That, dergestalt, daß mir, so zu sagen, nur ein kleiner Funcke von meinem sonst so vortrefflichen Gedächtnisse übrig blieb. Dem Himmel sey 1000. mahl gedanckt, daß ich diesen kleinen Funcken nur noch darzu anwenden können, mich in der strengesten Busse und Casteyung des Leibes vor dem Himmel zu demüthigen, und eine neue heilige Lebens-Art an zufangen, denn nachhero, erlangete ich zwar binnen zweyen Jahren, meinen ziemlichen Verstand und Gedächtniß wieder, allein, die Præparation des Lapidis war unmöglich wieder auszufinnen; Derowegen brachte meine Zeit in tieffster Traurigkeit des Geistes zu, ja ich hatte die[271] allergröste Mühe der gäntzlichen Verzweiffelung zu wiederstehen, welche mir eines Tages folgende Worte auspressete: Herr! ist es möglich, daß du um einer eintzigen übereilten Sünde willen, mir das grosse Siegel und Zeugniß deiner Gnade zurück ziehen kanst? laß entweder dieses nicht von mir geschieden seyn, oder scheide meinen Leib und Seele gleichfalls von einander. Gleich nach Aussprechung dieser Worte wurde mein Geist entzückt, an einen solchen Ort, der wegen seiner Klarheit und Zierde nicht zu beschreiben ist, auch sind die Worte nicht nachzusagen, die ich daselbst gehöret habe, es kam mir aber eine diamantene Taffel vor die Augen meines Gemüths, auf welcher folgende Worte geschrieben stunden: Elias Artista hat auf einmahl 10. Sünden begangen, derohalben muß er zur Straffe, 10. gantzer Jahr, der gäntzlichen Zubereitung des himmlischen Kleinods beraubt seyn, ohngeacht an seiner eiffrigen Busse und völliger Bekehrung kein Zweiffel ist. So bald ich, fuhr der verzweiffelte Wind-Beutel Elias fort, diese Schrifft tieff in meine Seele eingedrückt, fuhr dieselbe eiligst zurück in ihren Cörper, welcher auf dem Boden der Cammer ausgestreckt lag. Eines theils befand sich derselbe etwas getröstet, andern theils wurde er zum öfftern wieder mit neuer Traurigkeit überfallen, so daß ich die allereinsamsten Oerter suchte, mich zur Erden niederwarff und ohne Unterlaß schrye: Ach HErr, wie so lange? Wende dich HErr! Ists nicht genung 3. Jahr? Ists nicht genung 4. Jahr? Ists aufs[272] höchste nicht genung 5. Jahr? Endlich da ich mich unter solchen Klagen fast sehr ausgezehret hatte, trat ein unbekandtes Männlein zu mir, und sprach: Elias höre mir zu! reitze mit deiner Ungedult, die himmlische Gerechtigkeit, welche dein Urtheil mit ihren Finger geschrieben, nicht zum Zorne, sondern ertrage mit Gedult, was sie dir auferlegt hat, so wer den deine Jahre auf 120. verlängert werden. Du hast ja von dem himmlischen Kleinode, Vorrath genung, dich annoch 7. biß 8. Jahre vor Armuth und Kranckheit zu bewahren, denn es sind ja nunmehro bey nahe 3. Jahre von deiner Straf-Zeit verflossen. Zeuch armselige Kleidung an, und wandere als ein Pilgrim durch die Welt, wende die Helffte deines Schatzes an das Armuth, von der übrigen Helffte nimm deine Artzeney und Nahrung, und lobe beständig den Höchsten. Erinnere dich, daß dieses Geheimniß nirgends anders zu finden sey, als bey Jehova saturniné collocato in centro mundi, derowegen läutere deine Seele, damit die himmlische Sophia aufs neue deine Freundschafft suche, und dir die niemahls auszuschöpffenden Ströme ihrer Gnade und Gütigkeit noch reichlicher, als vorhero anbiethe.

Ich Elias, fand mich durch die Rede des Männleins sehr beruhiget und gestärckt, fragte aber also: Was soll das Zeichen seyn, daß deine Reden wahrhafftig, und daß die himmlische Sophia nach Verfluß der 10. Straff-Jahre wiederum vollkommene Freundschafft mit mir machen werde? Die Zeichen, gab es zur Antwort, sind folgende: Vor Ablauff dieses dritten Jahres wirst du wiederum aufs[273] neue entdecken und zu beschauen haben: der nackenden Dianæ Bad, des Narcissi Brunnen, worinnen er sich nach langen Bespiegeln selbst ersäufft. Im vierdten Jahre: die abgezehrte Echo in hohlen Klüfften, und die Scyllam, wegen übermäßiger Sonnen-Hitze, ohne Kleider, in der offenbahren See herum spaziren. Im fünfften Jahre: das zusammen gelauffene Blut von Pyramo und Thisbe, durch welches die weisse Maulbeeren roth gefärbt werden, ingleichen des Adonidis Blut, wie solches von der herabsteigenden Venere in die Rose Anemone verwandelt wird. Im sechsten Jahre: die schöne Hyacinth-Blume, welche von Ajacis Bluthe entsprossen, ingleichen das Blut der Hi elstürmenden Riesen, welches ihnen Jovis Donner-Kerl erschopffet. Im siebenden Jahre: die häuffigen Thränen der Althææ, indem sie ihr güldenes Kleid ausziehet, und von sich legt. Im achten Jahre: den Garten Hesperidum, in welchen die güldenen Aepffel von den Bäumen gebrochen werden. Den Hippomenes, welcher mit der Atalanta um die Wette läufft, und die Venus, welche 3. güldene Aepffel darzwischen wirfft, den Lauff zu hemmen. Im neundten Jahre: die von der Göttin Venere, in einen Cometen verwandelte, und unter die Sterne versetzte Seele, des Julii Cæsaris. Das Feuer, woran Medea 7. Lichter anzündet, ingleichen die von Phaëtontis Wagen entzündete und brennende Lunam. Im zehendten Jahre: den verdorreten Oelzweig, so aufs neue mit Beeren grünet, ja den neuen und jungen Oel-Baum. Plutonis Wohnung, vor deren Thoren der dreyköpffige Cerberus[274] liegt. Den Scheiterhauffen, worauf Hercules seine von der Mutter empfangenen sterblichen Theile verbrennet, die Väterlichen unsterblichen Theile aber, unverbrennlich erhält, also nichts von seinem Leben verliehret, sondern endlich selbst in einen GOtt verwandelt wird.

Nach Verfluß dieser 10. Jahre, redete das Männlein weiter, wirstu Elias Artista wiederum eingeführet werden in den Tempel des Bäurischen verwandelten Hauses, dessen Deckel aus puren lautern Golde bestehet, du wirst darinnen die philosophische Königin waschen und baden, oder deutlicher zu sagen: die terram virgineam catholicam in crystallino artificio Physico – magico circuliren lassen, du wirst den Philosophischen, inwendig feurigen König mit seiner Crone aus dem Braut-Bette seines crystallinischen Grabes herauf steigen sehen, in seinem glorificirten feurigen höchst vollkommenen Leibe, mit allen Farben der Welt geschmückt, gleich einem hell-leuchtenden Carfunckel und Wasser-speyenden Salamander. Ja deine Augen werden aufs neue in den tieffsten Abgrund der spogyrischen Kunst sehen, als in welchem sichern Schoosse die übermenschlichen Geheimnisse bewahret liegen.

Nachdem das Männlein, fuhr Elias fort, seine Rede geendet, und mir ausserdiesem, noch verschiedene, euch mein Sohn, annoch zu wissen undienliche Wahrzeichen und Lehren gegeben, schied es plötzlich von mir, ich habe mich nach der Zeit in allen sehr genau nach seinen Worten gerichtet, und befunden: daß biß auf diesen Tag alles sehr wohl[275] eingetroffen ist. Euer Vater seel. hätte ein grosses Licht der Welt werden können, allein er hat die Vermählung mit der himmlischen Sophia selbst verschmähet, ich habe ihn zwar von Person nicht gekennet, doch Elisæus hat mir die unbetrüglichen Wahrzeichen, die ich auch an euch, als seinem Sohne, mit grösten Freuden spüre, Haar-klein erwiesen, mich auch aus einem fernen Lande beruffen, eurem seel. Vater in der wahren Theosophie zu unterrichten, und mit Jehova zu vereinigen, allein der Geist zeigte mir in einer Entzückung an, daß ich denselben nicht mehr lebendig, gleichwohl aber seinen darzu tüchtigen Sohn antreffen würde, welches auch geschehen, denn es ist zu mercken, daß ich ohne gantz besondern Antrieb des Geistes, niemanden dasjenige, was ich weiß, zu lehren Erlaubniß habe, ihr aber, mein Sohn, seyd so wohl als Elisæus vom Himmel darzu auserkohren. Nunmehro ist das zehendte Jahr biß auf wenige Wochen verlauffen, es fehlet mir also in diesem Jahre weiter nichts an der Propheceyung des Männleins, als des Herculis Scheiterhauffen und dessen Vergötterung erfüllet zu sehen, welches ich mit Beyhülffe der Schrifften eures Vaters in kurtzen vergnügt zu finden verhoffe.

Was düncket euch, meine Herren? fragte hierauf Mons. Plager, indem er einen kleinen Absatz seiner Erzehlung gemacht, und einige Erfrischungen vor seine Gäste herbey gebracht hatte, solten dergleichen Redens-Arten eines durchteuffelten Menschen, nicht kräfftig genung seyn, einen bethörten Kerl, wie ich damahls war, vollends gantz närrisch[276] zu machen? Ich muß bekennen, daß selbige von mir mit solcher Attention angehöret und erwogen wurden, als ob sie vom Himmel herab geredet würden, denn mein Gehirne war mit der allerstärcksten Hoffnung, in wenig Monathen ein vollkommner Gold-Macher zu seyn, dergestalt angefüllet, daß wenig andere vernünfftige Gedancken oder Beurtheilungs-Kräffte darinnen Platz hatten. Wir laborirten indessen immer drauf loß, warteten aber mit Schmertzen auf des Elisæi Zurückkunfft, Elias reisete zwar auch zuweilen 3. 4. biß 8. Tage hinweg, kam aber immer mit allerhand Materialien und andern leckerhafften Sachen zurücke, welche Kosten doch alle aus meinem Beutel bezahlet werden musten, weil Elias sein ungemüntztes Gold nicht ehe verwechseln wolte, biß es die höchste Noth erforderte.

Eines Tages aber fiel mir ein verzweiffelt schändlicher Streich in die Augen, denn da ich Nachmittags des Eliæ Cammer-Thür eröffnete, traff ich denselben in dem ärgerlichsten Zustande, mit einer liederlichen Schand-Metze auf seiner Schlaff-Stätte liegend an. Daß ich über diesen heiligen Mann grausam erschrocken seyn müsse, ist leicht zu erachten, jedoch ich machte die Thür so gleich wieder zu, wünschte, daß selbige nicht eröffnet worden, gieng in den Garten, legte mich unter einen grünen Baum, und verfiel über diese Affaire in ein sehr tieffes Nachsinnen. Bald darauf kam Elias zu mir, und sagte mit gantz unpassionirten Gebärden: Mein Sohn, der Geist hat mir eingegeben, daß ihr euch in dieser Stunde zum ersten mahle an meinem Wesen geärgert habt, derowegen[277] ist mir auferlegt, euch eines bessern zu unterrichten. Wisset demnach, daß dergleichen Handlung, als ich anitzo mit einer Weibs-Person gepflogen, demjenigen Leibe, dessen Seele bereits in der Vergötterung stehet, nicht zur Unfläterey und Sünde zugerechnet wird, sondern dieser Auswurff ist in keine andere Betrachtung zu ziehen, als die übrigen natürlichen Auswürffe des Unflats, Urins, Schweisses und des Speichels, diejenigen Lüste auch, so darbey empfunden werden, gehen eintzig und allein den Leib, im geringsten aber nicht die Seele an. Mit unwiedergebohrnen Leuten aber, deren Seelen noch in keiner Vergötterung stehen, hat es eine gantz andere Beschaffenheit, denn weil deren Seele, mit dem Leibe zugleich, Theil an den Lüsten nimmt, so gereicht es dem gantzen Menschen zur Schande, Unfläterey und straffbarer Sünde. Der tausende Mensch kan dieses nicht recht begreiffen, ihr aber, mein Sohn, sollet hinführo noch mehr sichere Gründe deßfalls erfahren.


Mein GOtt! rieff Mons. Plager aus, hätte ich nicht gleich mercken sollen, daß dieses eine der allerverfluchtesten Teuffels-Lehren sey, welche schnurstracks wider die heilige Göttl. Schrifft lieffe, zumahlen ich als ein guter Lutheraner kein Frembdling in der Bibel und der reinen Augspurgischen Confession war. Allein der Satan verblendete auf GOttes Verhängniß ohnfehlbar meine Augen, verstopffte meine Ohren vor der Stimme des heiligen Geistes, und verfinsterte meinen Verstand dergestalt, daß ich einem verfluchten Ketzer mehr[278] glaubte, als allen dem, was ich von Jugend auf aus dem Worte GOttes gelernet hatte.

Ich dancke GOtt tausendmahl, der mich hernach noch zu rechter Zeit aus diesen verdammlichen Irrthümern gerissen, und will nicht weiter an diejenigen Greuel gedencken, die ich noch von dem schändlichen Elia anzuführen wüste, deren mich aber doch, GOtt sey gelobt, nicht selbst theilhafftig gemacht, sondern immer einen geheimen Abscheu dargegen gehegt habe. Hergegen will ich erzehlen, welchergestalt ich armer Schöps endlich von ihm betrogen worden.

Elisæus kam wieder zu uns, und also wurde das Laboriren mit aller Gewalt fortgesetzt, so, daß ich mich zu Ende des Jahres ein starcker Chymicus zu seyn bedüncken ließ. Elias zeigte mir nunmehro seine verfluchten Hirn-Geburthen im lebendigen Feuer, nehmlich den neuen jungen Oelbaum, des Plutonis Wohnung, den Cerberum und den Herculem auf den Scheiter-Hauffen, es war ihm aber ein leichtes, mich zum völligen leichtgläubigen Narren zu machen, weil ich Zeit Lebens wenig oder gar nichts vom Laboriren gesehen als bey ihm. In den letzten Tagen des Jahres, muste Elisæus vor mein Geld eine neue Reise antreten, mit dem Befehl, aufs längste in einem Monate wieder zu kommen, weil Elias so dann den Anfang machen wolte, die Terram virgineam catholicam circuliren zu lassen, und den Philosophischen König aus seinem Grabe herauf zu holen: Zwey Wochen hernach nahm Elias ebenfals eine Reise nach der nächsten Stadt vor, und versprach binnen 9. Tagen wieder[279] da zu seyn, mittlerweile gab er mir ein mächtiges Stück chymischer Arbeit vor, ausserdem muste ich ihm alle meine Gold-Müntze auszahlen biß auf 100. spec. Ducaten, dahingegen gab er mir von seinem durch Kunst gemachten Golde 8. Platten in Verwahrung, worvon die 4. grösten 11/4. Pfund, die 4. kleinesten aber 4. 6. biß 8. Loth am Gewichte hielten. Da nun, wie bereits sehr öffters gemeldet, bey mir nicht der geringste Verdacht wegen eines Betruges herrschete, ließ ich auf Katzen- und Mäuse-Art immer mit mir hin spielen verrichtete die aufgegebene Arbeit mit grösten Fleisse, wartete 9. Tage, verzog noch einen gantzen Monat, allein vergeblich, denn es wolte weder Elias noch Elisæus wieder zum Vorscheine kommen, endlich empfing ich von dem erstern einen Brieff, worinnen er mir mit grossen Schmeicheleyen berichtete, daß er wichtiger Ursachen wegen die Reise nach Amsterdam fortsetzen müssen, also solte ich mich nicht säumen, aufs eiligste nachzukommen, die ausgearbeiteten Sachen aber, an ihren Orthe wohl verschlossen stehen lassen, weil er Elisæum unterwegs angetroffen und mit sich genommen hätte. Wer war hurtiger als ich, mich auf die Reise nach Amsterdam zu begeben, und dennoch kam ich um drey Tage zu späte, weil in dem angewiesenen Logis einen Brief von dem Elia fande, worinnen er mit sehr ungeduldigen Ausdrückungen betheurete: daß er ohnmöglich länger auf mich warten können, sondern sich genöthigt befunden, die Reise nach London in Engelland aufs eiligste anzutreten, ich möchte demnach, so lieb mir alle meine Wohlfarth sey, ihm auch dahin folgen,[280] in einem gewissen Hause nach ihm fragen, doch solte ich mich ja hüten, ihn Eliam Artistam, sondern an statt dessen, Curt van Delfft zu nennen. Ich kam sehr geschwind nach London über, traff in dem bezeichneten Hause zwar verschiedene Leute an, die ich mit guten Gewissen vor Laboranten oder Adeptos halten konte, bekam aber unter ihnen weder meinen Eliam noch Elisæum zu Gesichte, und da ich nach dem Curt van Delfft fragte, machten alle zusammen grosse Augen, bekannten auch, daß sie zwar sehr viel von dem Curt van Delfft gehöret, selbigen aber zu sehen das Glück noch niemahls gehabt. Wer mir im Hause vorkam, den fragte ich so gut als es die Vermischung allerley Sprachen zuließ, nach dem Curt van Delfft, biß mich endlich der Wirth durch einen Dollmetscher abhören ließ, was ich von dem Curt van Delfft haben wolte. Ich gab vor, daß derselbe mein grosser Freund sey, mit dem ich seit einiger Zeit starcken Verkehr gehabt, und daß er mich aus Holland an diesen Ort und in dieses Hauß beruffen, mithin bereits da seyn, oder doch bald anhero kommen müste. Hieraf ließ mir der Wirth sagen, wenn die Sachen eine solche Bewandniß hätten, möchte ich nur eine eintzige Stunde Gedult haben, indessen ein Glaß Wein trincken, er wolte den Curt van Delfft so gleich aufsuchen lassen. Ich ließ mir solches gefallen, und mich so lange bey der Nase herum führen, biß es finstere Nacht wurde, endlich ließ mich der Wirth in ein Zimmer seines Hinter-Gebäudes ruffen, mit dem Bedeuten: daß sich mein Freund schon daselbst befände. Aber, ach Himmel! kaum hatte mein Fuß die[281] Schwelle des Zimmers überschritten, da mich etliche gewaffnete Leute überfielen, zu Boden warffen, meine Hände und Füsse mit gräßlichen eisernen Ketten belegten, und also gerades Weges, in eins von den allerschlimmsten Gefängnisse schleppten. Hier hatte ich Zeit genug, nachzugrübeln, warum man doch so unbarmhertzig mit mir umgehen möchte, indem ich mich keines Haupt-Verbrechens schuldig wuste, denn binnen 3. Wochen kam kein anderer Mensch zu mir, als derjenige, welcher täglich einmahl Wasser und Brod zu meiner Nahrung brachte, und auf mein jämmerliches Klagen in gebrochener Holländischer Sprache nichts anders zur Antwort gab: als daß man in Engelland die Spitz-Buben nicht anders zu tractiren pflege. Ich will mich bey dieser kläglichen Begebenheit nicht lange aufhalten, sondern um sagen, daß zur selbigen Zeit ein beruffener Spitz-Bube in der Welt herum flanquirte, der sich bald diesen, bald jenen, unter andern aber auch den Nahmen Curt van Delfft beygelegt hatte. Vor dessen Complicen mich zu erkennen, hatten die Herrn Engelländer die allergröste Ursache, da ich mich selbst gerühmt mit ihm in genauer Bekandtschafft zu stehen. So bald ich demnach zum Verhör kam, wurden mir die allererschröcklichsten und empfindlichsten Fragen vorgelegt, und weil die Antwort darauf nicht nach der Richter Verlangen ausschlug, fiengen sie sehr frühzeitig von der Tortur zu schwatzen an, da nun solchergestalt das Wasser biß an die Seele ging, konte ich nicht umhin, meinen gantzen Lebens-Lauff, so viel nehmlich davon zu meiner Vertheidigung nöthig[282] achtete, zu erzehlen, welches aber dennoch die Richter vor ein erdichtetes Werck hielten, und mich gantz gewiß in den elendesten Zustand gesetzt hätten, wenn sich zu meinem Glücke nicht unvermuthet ein reicher Correspondent meines Groß-Vaters ins Mittel geschlagen, Caution vor mich gemacht, und endlich die gantze Sache zu meinem Vortheile ausgeführet hätte.

Wer solte wohl zweiffeln, daß ich den Eliam so wohl als Elisæum nunmehro würde vor Spitz-Buben gehalten haben? Aber weit gefehlt, im Gegentheil glaubte ich dennoch steiff und feste, daß Elias ein ehrlicher Mann, und nunmehro schon wieder ein vollkommener Goldmacher sey, ich glaubte auch, daß ihm vielleicht der berüchtigte Spitz-Bube den Nahmen Curt van Delfft abgeborgt, daß Elias entweder schon in London sey, und vielleicht von meinem Unglück nichts wisse, oder daß er bald kommen, oder wenigstens, mir weitere schrifftliche Nachricht von seinem Auffenthalt geben würde, woferne ihn nicht ein und andere wichtige Umstände noch eine Zeitlang daran verhinderten. Jedoch mein Hoffen war gantzer 6. Monath vergebens, ohngeacht ich in demjenigen Hause, wo er mich zu meinem Unglücke hingewiesen, beständig logirte, und alle Tage wohl hundert mahl nach ihm umsahe. Mittlerzeit aber gerieth ich mit einem andern Adepto in Kundschafft, welcher die Redlichkeit selbst zu seyn schien, dieser verwunderte sich nicht wenig über meine Erfahrenheit in der Alchymie, und bekennete: daß ich keinen ungeschickten Lehrer müsse gehabt haben, nachdem er mich aber endlich[283] gantz und gar treuhertzig gemacht, und das Geheimniß von dem Elisæo und Elia ausgeforschet, auch meine Gold-Platten probiret hatte, zeigte er mir den offenbaren Betrug, daß nehmlich unter allen meinen 8. Platten, kaum vor 8. Ducaten Gold zu finden, ich auch unter ein paar hocherfahrne, aber dabey Spitz-Bübische Laboranten gerathen wäre, die mich mit meinem Braten-Fette ein wenig betreuffelt, den Braten selbst aber, nehmlich mein schönes Geld, listiger weise entwendet hätten. Doch unverzagt, mein lieber Lands-Mann, sprach dieser mein neuer Freund, der sich Meschner nennete, und vor einen Pfältzer ausgab, wo ihr Lust habt, eure Kunst, Geld und andere Haabe mit mir zusammen zu setzen, so weiß ich etliche Tage-Reise von London, einen solchen Herrn anzutreffen, der uns Vorschuß genung thun soll, den Lapidem Philosophorum auszufinden. Man saget sonst im gemeinem Sprüchworte: Wer gerne tantzt, dem ist leicht gepfiffen, also ergieng es auch mit mir, denn ich nahm augenblicklich das Erbiethen dieses redlichen Mannes an, und reisete mit ihm fort. Es gefiel mir, daß er sich vor den Meister und mich nur vor seinen Handlanger ausgab, also erlangeten wir in wenig Wochen eine vortreffliche Condition, laborirten aufs fleißigste, biß endlich der so genannte Meister, binnen anderthalben Jahren eine Untze Tinctur zu wege brachte, mit welcher er in der Probe, vor des Principals Augen drittehalb Untzen Bley in Gold verwandelte. Vor dieses Experiment erhielten wir beyde 500. Stück spec. Ducaten zum Gratial. Der Meister machte ein neues Feuer an, und versprach,[284] die Probe binnen 6. Monathen erstlich noch einmahl im Kleinen zu machen, brachte es auch glücklich zu wege, ich aber wuste noch zur Zeit nicht, wie es zugienge, denn mein Compagnon schien nicht mehr so aufrichtig als anfangs, zu seyn, ohngeacht er mir von dem andern Gratial, welches in 1000. spec. Ducaten bestund, ebenfalls die redliche Helffte gegeben, so, daß ich nun wiederum ein Capital von mehr als 800. Ducaten, nebst andern seinen Sachen vor mich gesammlet, und davon 500. Ducaten an meinen Groß-Vater per Wechsel übermacht hatte. Nun solte es auf den grossen Haupt-Einsatz loß gehen, worzu der Meister 12000. spec. Ducaten verlangete, weil aber der Principal diese Gelder allererst binnen 3. Monaten zu heben hatte, so befahl er uns den Process im Kleinen, indessen noch einmahl zu machen, als worzu der Meister nun nicht mehr als 6. Wochen Zeit zu gebrauchen, sich rühmete. Es wurde demnach zum dritten mahle angefangen, mein Compagnon aber tractirte ein und andere Dinge vor mir dergestalt heimlich, daß ich mich endlich hefftig mit ihm zu zancken und vorzuwerffen anfieng, wie er allem Ansehen nach, mich, in der Kunst zu betrügen, vorhabens sey. Endlich brach er loß, und vielleicht nur darum, weil er sich mehr vor meiner Stärcke und Hertzhafftigkeit, als dem übel-verdorbenen Verstande fürchtete, und beichtete aus: daß er es vor eine, uns unmögliche Sache hielte, das Arcanum Philosophicum magnum zu finden, immittelst weil er allhier ein Mittel sähe, uns beyden auf listige Art ein solches Stücke Geldes zu verschaffen, wovon wir Zeit Lebens[285] hinlängliche Zehrung nehmen könten, hätte er allen seinen Verstand angewendet, die Sache auf einen guten Fuß zu setzen.

Und also erfuhr ich aus offenhertziger Erzehlung: daß mein Compagnon ein Spitz-Bube sey, der des Nachts mit gröster Lebens-Gefahr sich an einem Seile durch den Schorrnstein in das Laboratorium, welches der Principal jederzeit selbst verschloß und versiegelte, hinunter ließ, die unanständigen Materialien aus den Gefässen heraus- und davor hinein schüttete, was ihm beliebte, und zu seinem Betruge dienlich war. Ich erstaunete gewaltig über dergleichen Boßheit, ließ mich aber gegen ihm nichts mercken, sondern forschete mit aller verstellten Treuhertzigkeit so lange, biß er gestund: daß sein völliger Vorsatz wäre, mit den zu hoffen habenden 12000. Ducaten nebst mir nach Franckreich, Spanien oder Portugall zu seegeln. Meine Redlichkeit und der Abscheu vor dem Diebstahle war noch nicht erstorben, weil auch über dieses bey so desperaten Unternehmen, der Galgen immerfort vor meinen Augen schwebete, überlegte ich die gantze Sache etliche Tage und Nachte lang sehr wohl. Den Compagnon zu bekehren, schien eine vergebliche Sache zu seyn, von dem, durch Spitz-Büberey erworbenen Gelde, hatte ich selbst schon eine starcke Summe participiret, derowegen fassete den Schluß, mein Gewissen und Hände zu reinigen, und dem Principal, der ein sehr gütiger Herr war, vor fernern Unglück zu warnen. Zu allem Glücke wurde mein Compagnon nach London verschickt, derowegen ergriff ich die schöne Gelegenheit mit beyden[286] Händen, und redete den Principal, welcher selbigen Tages ungemein vergnügt zu seyn schien, folgendergestalt an: Edler Herr! ich befinde mich, vor die viele genossene Gnade, schuldig, euch vor einem grossen Unglück zu warnen, worein ihr von einem eurer Bedienten, vielleicht in kurtzen gestürtzt werden könnet, jedoch weil dem Ubel annoch vorzubauen ist, so habt die Gnade, mir zu versprechen: daß ihr den Ubelthäter nicht am Leben straffen, sondern ihn nach euren Gefallen nur in solchen erleidlichen Stand setzen wollet, euch und keinem andern redlichen Manne mehr zu schaden.

Der Principal verwandelte seine Farbe ziemlich, über diesen meinen unverhofften Vortrag, erhölte sich aber bald, nahm mich mit in sein geheimes Zimmer, præsentirte mir einen Stuhl, und sagte: Eröffnet mir, mein Freund, das Geheimniß, so auf eurem redlichen Hertzen liegt, ich versichere bey GOtt, daß ich solches nach seinen Würden belohnen werde. Hierauf erzehlte ich ihm die verdammten Anschläge meines Compagnons, nebst meiner eigenen Lebens-Geschicht, worüber dieser Herr in eine besondere Erstaunung gerieth, mich aber letztlich umarmete, und bat, ich möchte nur auf alles fleißig Acht haben, ihm richtigen Rapport abstatten, an seiner Erkänntlichkeit aber nicht den geringsten Zweiffel tragen.

Ich versprach darbey, binnen wenig Wochen, die, an meinen Augspurgischen Groß-Vater übermachten Gelder, nebst denen, so ich noch bey mir hätte, wieder zurück zu liefern, weil ich so übel erworbenes Gut unmöglich behalten könte, allein der [287] Principal widersetzte sich diesem Anerbiethen, und versprach: noch über dieses, mich mit einem guten Præsent zu begnadigen, wenn ich ferner redlich handeln würde.

Mein Compagnon stellete sich wieder ein, setzte ein völliges Vertrauen auf meine Treue, deutlich aber zu sagen, so hielt er mich vor einen nicht viel geringern Spitz-Buben als sich selbst, die Tinctur wurde abermahls zur vermeintlichen Perfection gebracht, er that den Einsatz von 3. Untzen Bley, in des Principals Gegenwart bey späten Abend, der Principal muste den Beysatz der Tinctur selbsten thun, hernachmahls das Laboratorium abermahls verschliessen und versiegeln, damit es die Nacht über ungestöhrt digeriren könne. Der künstliche Meister trat in den Mitternachts-Stunden, da alles, seinem Bedüncken nach, im festen Schlaffe lag, die Fahrt durch den Schorrnstein an, schüttete die unnützen Sachen aus dem Tiegel heraus, legte davor 3. Untzen gutes Gold hinnein, allein der Principal, dem ich das verabredete Zeichen gegeben, hatte nicht nur durch ein verborgenes Loch alle seine Hand-Griffe selbst in Augenschein genommen, sondern über dieses das Seil, durch einen Bedienten, gantz gelinde zurück hinauf ziehen lassen, also stack die Maus in der Falle, und muste im Laboratorio pausiren, biß der Tag anbrach, da endlich der Principal die Siegel und Schlösser eröffnete, den Spitz-Buben in schwere Ketten schlagen, und in das tieffste Gefängniß werffen ließ.

Wie es ihm ferner ergangen, weiß ich nicht zu sagen, denn ich bekam wenige Tage darauf meine[288] Abfertigung mit 100. spec. Ducaten, über alles dasjenige Geschenck, was ich vorhero empfangen hatte, und reise damit nach London, des willens, ehestens zurück nach Holland zu gehen, und den Eliam und Elisæum aufzusuchen. Zweymahl war ich nun solchergestalt sehr häßlich angeführet worden, hätte derowegen die gröste Ursache gehabt, diesen betrüglichen Künsten auf ewig abzuschweren; allein, ich ließ mich von einem Ertz-Betrüger aufs neue fangen, mit ihm und noch zwey andern bey einer sehr vornehmen Englischen Witt-Frau in Bestallung zu treten. Dieser Schelm, welcher sich Renard nennete, hatte einen nicht weniger abgefeimten Spitzbuben zu seinem Vertrauten bey sich, der ein Italiæner von Geburth seyn, und Merillo heissen wolte. Ein Kerl von schlechter Erfahrung doch grossen Prahlen und Windmachen, war der dritte, und meine eigene Person der vierdte, bey dieser löblichen Gesellschafft. Renard und Merillo, verfertigten binnen Jahr und Tag ein rothes, wie auch ein schwartzes Pulver, und gebrauchten das erstere aus Bley Gold, das letztere aber aus Kupffer Silber zu machen, legten auch verschiedene Proben, zu der Dame allergrösten Vergnügen, damit ab, so daß sie sich endlich kein Bedencken nahm, ihnen beyden 50000. Thlr. zu zahlen, um das Werck en gros anzufangen, allein Renard und Merillo nahmen das Geld und begaben sich auf die Flucht, der letztere ist mit etlichen 1000. Thlr. glücklich durchgekommen, und wie ich nachhero erfahren, laborirt er an einem vornehmen deutschen Hofe sehr scharff, Renard aber wurde auffgecapert zurück gebracht, und[289] muste nolens volens am Galgen zappeln, weil seine roth und schwartzen Pulver nicht allein betrüglich erfunden, sondern auch an statt der 50000. Thlr. nur vor 20. tausend Thaler Wechsel-Briefe bey ihm angetroffen wurden. Mein annoch übriger Compagnon und ich, hatten vom Glück zu sagen, daß wir dem Stricke, oder wenigstens der Stäupung entgiengen, ohngeacht ich sonderlich, mich der Spitzbüberey im geringsten nicht theilhafftig gemacht, sondern mein Brod mit täglichen redlichen arbeiten wohl verdienet hatte. Allein die Dame war ungemein erbittert, jagte uns beyde zum Hause hinaus, behielt alle unsere Sachen, gab aber endlich doch mir, von den meinigen auf allerkläglichstes Flehen, noch 50. spec. Ducaten auf die Reise.

Was war zu thun? einen Process gegen eine solche hohe Person anzustellen, schien mir eine lächerliche Sache zu seyn, von kahlen 50. Duc. konte in Engelland nicht lange zehren, derowegen setzte mich zu Schiffe, und gieng zurück nach Holland, an denjenigen Ort, wo ich meinen Eliam zuletzt gesehen hatte. Daselbst traff ich zwar eben das Laboratorium, jedoch einen gantz andern Haußwirth, ingleichen gantz frembden Laboranten an, kein Mensch wolte weder von Elia, noch vom Elisæo etwas wissen, doch war der Meister von den Laboranten, nachdem er mein Malheur erfahren, so gütig, mir Condition, freye Kost, und Wöchentlich einen spec. Ducaten Lohn, zu geben.

Selbiges war ein sehr frommer und gelehrter Mann, der die köstlichsten Artzneyen bereitete, ausserdem aber auch sehr eiffrig das grosse Philosophische[290] Geheimniß zu erfinden suchte, jedoch auf eine weit vernünfftigere Art, als alle diejenigen, so ich bißhero gesehen. Ich war so glücklich binnen weniger Zeit, mich in seine völlige Gunst zu setzen, denn weil er in allen seinen Wesen vollkommen redlich, so merckte er auch gar bald, daß bey mir der Verstand zwar ziemlich verdorben, im übrigen keine Schalckheit und Betrügerey anzutreffen wäre. Dennoch wendete dieser vortreffliche Mann allen Fleiß an, mich so wohl in der christlichen Lehre, als auch in andern Wissenschafften aufs allertreulichste zu unterrichten, und solchergestallt geschahe es, daß ich innerhalb 2. Jahren gantz ein anderer und klügerer Mensch wurde.

Mittlerweile aber waren alle diejenigen Processe, welche mein Principal, und so zu sagen, anderer Vater, den Stein der Weisen auszufinden, angestellet hatte, fruchtloß abgelauffen, weßwegen er einen kleinen Tractat in die Welt fliegen ließ, unter dem Titul: Schwer auffzulösende zweiffels Knoten über die Frage: Ob der beruffene Stein der Weisen, jemahls von einem sterblichen Menschen erfunden sey? Etwa ein halb Jahr hernach, kam eines Montags früh, ein ehrbahrer etliche 50. Jahr alt scheinender Mann, der das Ansehen eines Reichs-städischen reputirlichen Pfahl-Bürgers hatte, vor unsere Thür, und verlangete mit dem berühmten Chymico, nehmlich mit meinem Principal zu sprechen. Ich wolte denselben unter dem Vorwande, daß mein Herr noch nicht auffgestanden sey, mit einem halben Frantz-Gulden abweisen, weil er mir nicht anders, als ein Allmosen-Sucher[291] in die Augen leuchtete, allein er bedanckte sich, und gab vor: wie er meinem Herrn nicht beschwerlich fallen, sondern nur ein kurtzes Gespräch von chymischen Geheimnissen mit ihm halten, dieserwegen auch in einer Stunde wiederkommen wolte. Hiemit gieng er fort, ich aber muste in meinem Hertzen lachen, daß ein solcher einfältiger Mensch, sich in so wichtige und hohe Dinge mischen wolte, denn ohne Schertz, dieser Mann schien in meinen Augen ein gantz ausserordentlicher Einfalts-Pinsel zu seyn. Ich sagte meinem Principal nicht einmahl etwas davon, da aber der Mann in einer guten Stunde wieder kam, war der erstere so gütig, denselben in sein geheimes Cabinet zu führen. Sie waren 3. gute Stunden in sehr ernsthafften Gesprächen begriffen, wovon aber ich wenig oder nichts deutliches verstehen konte. Nachhero speisete der Gast mit meinem Principal gantz allein, nach Tische aber muste ich ein grosses Feuer-Becken, einen mittelmäßigen Schmeltz-Tiegel, einen Blasebalg, wie auch ein Pfund-Stück Bley in das geheime Cabinett bringen, indem ich aber bey dem Feuer-Becken stehen blieb und die Kohlen anbließ, gab der Frembde meinem Principal einen Winck, der so viel bedeutete, daß er mich hinaus schaffen solte. Der Principal aber sagte darauff: Mein Herr! wenn ihr sonsten keine besondere Ursachen habt, euch vor diesen Menschen zu fürchten, so lasset ihn in GOttes Nahmen die Wunderwercke des Allerhöchsten beschauen, ich bin Bürge vor seine Gottes-Furcht und Redlichkeit, denn er ist in der Creutz-Schule gewesen, und nach vielen Thorheiten zu sehr guten Verstande gekommen.[292]

Demnach ließ sich der Frembde gefallen, daß ich da blieb, mein Principal legte das Pfund-Stück Bley in den Schmeltz-Tiegel, weil aber selbiger, als ein untüchtiges Gefässe zersprunge, muste ich etliche andere herbey bringen, wovon wir den besten auslasen, und ein ander Stück Bley hinnein warffen. So bald es zergangen war, sagte der Frembde: werffet noch ein Pfund Bley zum Geschenck vor diesen redlich scheinenden Menschen hinein. Mittlerweile mein Principal dieses that, langete der Frembde aus seinem Brustlatze eine kleine Helffenbeinerne Büchse hervor, worinnen ein Rubin-rothes Pulver war, von diesem nahm er etwas weniges auf die Spitze eines Messers, schüttete dasselbe auf ein Wachs-Küchlein, so etwa eines Holländischen Düttchens groß, aber sehr dünne war. Mein Principal, der ihm das Wachs-Küchlein vorhielt, machte selbiges mit dem inwendigen Pulver zu einer Kugel, und warffs in das bereits völlig zerschmoltzene Bley. Alsobald erhub sich im Tiegel ein starckes Gezische, das Bley schien mit seinem Ober-Herrn zu kämpffen, konte aber nichts anders ausrichten: als unzehlige Wind-Blasen, welche die wunderwürdigsten Farben hatten, in die Höhe werffen. Nachdem es Stillstand worden, zeigte die Massa im Tiegel, die allerschönste grüne Farbe, beym ausschütten schien sie Blut-Roth, endlich aber kam in dem Gieß-Becher die vortrefflichste Gold-Farbe zum vorscheine.

Mein Principal, welcher das Probiren aus dem grunde verstund, befand es alsobald vor ein solches Gold, das von keinem andern in der gantzen Welt[293] übertroffen würde, derowegen war er so wohl als ich, gantz ausser sich selbst gesetzt, ja wir wusten vor Verwunderung, Freude und Schrecken nicht was wir reden oder gedencken solten. Der Gast saß inzwischen mit gefaltenen Händen auf seinem Stuhle gantz stille, da aber mein Principal und ich, uns an der wunderbaren Veränderung nicht satt sehen konten, unterbrach er endlich das Stillschweigen, und sagte mit einer gelassenen Mine: Wie nun, mein Herr! werdet ihr auch nunmehro euren letzthin geschriebenen Tractat wiederruffen, oder ihn zum wenigsten verbessern? Ach ja, mein allerwerthester Freund, versetzte mein Principal, ich werde in Zukunfft entweder klügere Sachen oder gar nichts mehr schreiben. Thut was ihr wollet, sagte der Frembde, voritzo aber erlaubet mir, daß ich mit euch beyden ein wenig ins Feld spatzieren gehe, denn die Bewegung ist nach der Mahlzeit meine beste Sache. Mein Principal war bereit seinem unvergleichlichen Gaste alle Gefälligkeit zu erweisen, gieng derowegen in ein anderes Zimmer, um bessere Kleider anzuziehen. Immittelst that ich meinen Mund auf, und sagte zu dem Frembden: Mein Herr! ihr habt eure Kunst besser und auffrichtiger gezeigt als mein Meister Elias Artista, welcher mich eben allhier in diesem Hause vor wenig Jahren aufs allerschändlichste betrogen, und um ein schönes Stücke Geld gebracht hat. Mein Sohn! gab er zur Antwort, ihr seyd sehr übel berichtet, denn der wahrhaffte Elias Artista, welcher mein eigener Lehr-Meister gewesen, ist bereits vor etliche 20. Jahren den Weg aller Welt gegangen, und von mir in aller Stille, auf sein eigenes[294] Verlangen, an einen solchen Ort begraben worden, den ausser mir kein Mensch auf der gantzen Welt weiß. Ich weiß aber wohl, daß sich seit vielen Jahren, ein anderer Elias Artista gezeiget, und vorgegeben hat, wie er eben derselbe sey, der sich durch die Krafft und Tugend seines philosophischen Steins, biß zu so hohen Alter gebracht hätte, allein der Kerl ist ein Spitzbube und Leute-Betrieger, ich kenne ihn so wohl als seine Eltern, er ist kein Holländer von Geburth, wovor er sich ausgiebt, sondern ein Deutscher, (hier bey sagte mir der redliche Gast, auf mein Bitten, die Geburths-Stadt, und alle andern Uhrkunden des verteuffelten Spitzbubens, welches ich alles sehr eigentlich anmerckte,) Elisæus sein Diener aber, ein getauffter Jude, es wäre mir an verschiedenen Orten ein leichtes, ihm seine Tücken auffzudecken; allein wieder meinen Beruff gewesen, denn die Liebe muß allezeit von sich selbst anfangen. Seine verzweiffelt gespielten Streiche sind außerordentlich boßhafft und guten theils lächerlich, ich aber bemühe mich gar selten daran zu gedencken. Hierauff erzehlete ich unserm Gaste so kurtz als möglich, welchergestallt ich von dem falschen Elia und Elisæo hintergangen worden, wünschte letzlich aber nichts mehr, als zu wissen wie es zugegangen wäre, daß er mich so wahrscheinlich mit der ersten Probe, seines darvor ausgegebenen Weisen-Steins, übertäuben können. Mein Freund, sprach der Gast hierauff, es ist zu verwundern, daß euch die Spitzbuben ihre Künste nicht gelernet, ihr müsset ihnen in Wahrheit zu ehrlich und einfältig geschienen haben, ich wolte euch sehr viele von ihren[295] subtilen Taschen-Spieler-Künsten auffdecken, allein voritzo leydet es die Zeit nicht, doch was die Art anbelanget, mit welcher euch der falsche Elias bethöret hat, so wisset, daß er seine Schmeltz-Tiegel, worinnen er die Probe machen will, dergestallt zurichtet, daß auf dem inwendigen Boden derselben, nach proportion der Grösse des Tiegels, 2. 4. 6. auch wohl mehr Loht reines Gold-Staubs zu liegen kömmt, nachhero überziehet er selbst den Tiegel mit einer undurchsichtigen Lasur, die sich in starcken Feuer verzehret, das Bley, so er in den Tiegel zu legen befiehlet, muß ebenfalls verbrannt und verzehret werden, so dann kan ohne seinen betrüglichen Stein, das verborgen gewesene Gold, welches in der Glut, von Natur am Gewichte und Güte nichts fallen läst, zum vorscheine kommen, setzt ihm aber jemand einen andern Tiegel vor, so weiß er seine Streiche schon dermassen einzurichten, daß selbiger ohnfehlbar zerspringen muß. Ach! schrye der gute Gast hierauff, die Welt will betrogen seyn, mit euch als einem zu der Zeit Unerfahrnen ni t es mich wenig Wunder, allein unter so vielen Europäischen Liebhabern dieser Kunst, sind seit etlichen Seculis, schon so unzählig viele betrogen worden, und dennoch lassen es sich die wenigsten nicht ehe zur Warnung dienen, biß sie den Betrug nicht nur mit Augen sehen, sondern mit Händen greiffen, und die Nach-Wehen in ihren Geld-Kasten fühlen können.

Ich hatte nicht Zeit hierauff zu Antworten, viel-vielweniger meine Flüche über den falschen Eliam und alle andere spitzbübischen Gold-Macher auszustossen, denn mein Principal kam darzwischen und[296] führete den Gast aufs freye Feld spatzieren, und zwar einen solchen Weg, den der Gast selbst erwehlete, ich hatte die Erlaubniß neben ihnen her zu gehen, und vortreffliche Lehren aus ihren erbaulichen Gesprächen zu ziehen. Indem wir nun ohngefähr eine Stunde von unserer Wohnung entfernet waren, kam seitwärts in der Land-Strasse eine schneller Post-Wagen gefahren, auf welchen zwey Passagiers sassen. Unser Gast schien nicht darauff Achtung zu haben, gieng aber etwas auf die Seite, als ob er andere Verrichtungen hätte; allein er zohe ein Blat Pappier aus dem Busen, legte ein kleines Buch auf das Knie, beschrieb das Blat mit Bleystiffte, legte ein ander Pappierlein hinein, rollete es zusammen, und behielts in der Hand. Mein Principal und ich, stunden und warteten auf seine Wiederkunfft, mittlerweile kam auch der Post-Wagen sehr nahe, und hielt zu unserer Verwunderung stille. So bald aber der Gast zurück kam, umarmete und küssete er so wohl mich als meinen Principal, und sprach: Meine Freunde! seyd bedanckt vor die mir angethane Ehre, ich sehe mich vor dieses mahl gezwungen von euch zu scheiden, beurtheilet mich ohne trifftige Ursachen zu keinem Verbrechen, überlegt diese meine Schrifft aufs allergenauste, der Himmel segne euch, daß ihr vergnügt leben möget, biß wir uns vielleicht, so GOTT will, bald wieder sehen. Unter diesen Worten gab er meinem Principal das zusammen gelegte Pappier in die Hand, wartete auf keine Antwort, sondern gieng gantz hurtig nach dem Wagen zu, und fuhr in gröster Geschwindigkeit davon. Wir beyde blieben[297] als ein paar geschnitzte Bilder auf unsern Stellen so lange gantz unbeweglich stehen, biß der Wagen gäntzlich aus unserm Gesichte verschwunden war, ja ich glaube wir hätten uns noch in langer Zeit nicht geregt, wenn nicht ein von ferne heran kommendes Donnerwetter, unsere zerstreuten Gedancken und Sinnen wieder zusammen getrieben hätte. Mein Principal sahe mich und ich ihn mit seufftzen an, endlich öffnete er die Schrifft, und fand selbige also gesetzt:


Meine Freunde!


Ich will mich um eure vielerley Gedancken, die ihr wegen meiner unverhofften Ankunfft und plötzlichen Abreisens hegen werdet, voritzo nicht bekümmern. Schlaget in Lutheri deutscher Bibel den 3ten Versicul des 28. Cap. im Buch Hiob auf, in selbigem ist durch ein reines Anagramma, der richtige Process zu finden, wie man auf die allerleichteste Weise den Lapidem Philosophorum finden kan. Hat euch GOTT diese Gnade zugedacht, so wird er den Fleiß nicht vergeblich seyn lassen, den ihr zu Ausforschung des versteckten Geheimnisses anwendet, oder es fügen, daß ich euch vielleicht in wenig Monaten wieder besuchen darff. Inzwischen empfanget so viel von dem unschätzbarn Schatze, als euch hier beygelegt und nöthig ist, die Wahrheit des göttlichen Geheimnisses vor allen Verläumdern zu rechtfertigen. Seyd jederzeit fromme Kinder GOTTES, vergesset die Armen nicht, und bleibt mit so, wie ich euch gewogen,


Daniel Artista.
[298]

Es fehlete wenig, daß wir beyderseits überlaut zu weinen angefangen hätten, weil aber dennoch nicht alle Hoffnung abgeschnitten war, den theuren Mañ wieder zu sehen, über dieses die tröstliche Zuschrifft, und denn das innliegende Pulver, welches ohngefähr 6. Gran am Gewichte hielt, uns einigen Muth machte, so erreichten wir endlich ziemlich beruhigt, unsere Wohnung. Gleich Tages darauff, machte der Principal die Probe, mit einem viertheils Gran des Arcani, und proportionirlicher Quantität Bleyes noch einmahl und also sahen wir mit wiederholter Verwunderung: daß das Bley abermahls ins feinste Gold verwandelt wurde, und sonsten alles seine vollkommene Richtigkeit hatte.

Nach der Zeit wandte so wohl der Principal als ich, die meiste Zeit auf die Ausfindung des Anagrammatis, allein wir konten binnen 5. oder 6. Monaten wenig oder gar nichts kluges zu Marckte bringen. Der theure Mann, Daniel Artista, wolte nicht wieder zum Vorscheine kommen, dem ohngeacht war mein Principal nur immer desto erpichter auf die Arbeit, so, daß er des Nachts kaum 2. oder 3 Stunden zu schlaffen pflegte. Endlich, zu Ende des 8ten Monats, brachte er folgendes Anagramma zu wege, welches ich nicht allein im guten Gedächtnisse, sondern auch unter meinen geschriebenen Sachen auffbehalten habe, und solches euch, meine Herrn, augenblicklich zeigen will.

Unter diesen Worten zohe Mons. Plager ein Blat aus seiner Schreib-Tafel hervor, gab es in unsere Hände, und wir fanden auf selbigen folgende Schrifft:


[299] Hiob. XXVIII. 3.

Es vvird ie des finstern etvva ein Ende, und iemand findet ia zuletzt den Schieffer tieff verborgen.


Per Anagramma purissimum:

Diamant, Weinstein, Federvveiss, nuzzen Gold, vierfach Feur bereitet, der Feind findet den Stein.


Nachdem wir es alle gelesen und wohl uberlegt, unser Urtheil aber dieserhalb biß auf eine andere Zeit ausgesetzt, fuhr Mons. Plager in seiner Erzehlung folgender Gestalt fort: Ich will jetzo nicht weitläufftig erweisen, ob wir klug, oder entschuldigen, daß wir thöricht gehandelt haben, da uns dieser halb deutlich und halb dunckele Spruch, zum Grunde aller Mühe und Arbeit dienen muste. Genung, wir setzten nach selbst gemachter vortheilhaffter Auslegung, unser gäntzliches Vertrauen darauff, allein es zerbrach ein sehr starcker Pfeiler meiner Hoffnung, da der Principal, wegen sich selbst verursachter Strapazen im zehendten Monat nach des Daniels Abreise, vom Schlage gerühret wurde, und wenig Tage darauff im 62sten Jahre seines Alters plötzlich den Geist aufgab. Wenn ich nicht allzu ehrlich gewesen, so hätte nicht allein den Rest des Geheimnisvollen Pulvers, sondern auch ein ziemlich Stück Geld auf die Seite schaffen können, dergestallt aber muste mich von seinem, in der nächsten Stadt wohnhafften Bruder, der ein ziemlicher Geitzhals seyn mochte, mit 400. Gulden vor rückständiges Lohn[300] und alles, abspeisen lassen, und da derselbe über dieses so eigensinnig und argwöhnisch war, mir, des verstorbenen Principals kleines Hand-Apotheck gen, worinnen auch das Geheimnis-volle Pulver befindlich, vor die gebothenen 200. fl. zu überlassen, so machte auch ich mir ein Bedencken, ihm die Kräffte und Nutzen der ihm unbekandten Sachen zu offenbaren. Gleichwohl fragte er mich, wie viel wohl Zeit erfordert werden möchte: die annoch im Feuer stehenden Materien zu perfectioniren, und ob ich mich wolte darzu gebrauchen lassen? Ich erklärete ihm also, daß wenigsten 3. Monat Zeit darzu gehöreten, und wie ich zwar nach vorgeschriebener Art und eigener Erfahrung selbige zu gute machen, jedoch so wenig vor die Verunglückung, als andere dabey zuweilen entstehende Gefährlichkeiten oder Schaden hafften könte und wolte. Wie ich hernach bedacht, so wäre es mir ein leichtes gewesen, ihm, unter diesen oder jenem Prætext, das kostbare Pulver abzuschwatzen, allein ich muß glauben, daß es solchergestallt mein Verhängniß selbsten hintertrieben hat. Inzwischen nahm ich den Accord an, vor Monatl. 50. fl. noch eine Zeitlang da zu bleiben, so lange nehmlich, biß in allen reine Arbeit gemacht wäre. Demnach war ich meiner andern Mit-Gesellen vorgesetzter, der neue Principal aber, welcher von der Kunst wenig oder gar nichts verstund, kam gemeiniglich nur Wöchentlich zwey mahl, uns zu besuchen. Eines Tages, da ich mich der kühlen Abend-Lufft, ohnfern von der Wohnung, unter den grünen Bäumen bedienete, kam ein frembder Mann zu mir und fragte: ob mein Principal, den er bey seinem gantzen Nahmen[301] nennete, zu Hause sey? und ob es ihm würde gelegen seyn, sich diesen Abend sprechen zu lassen? Ich gab hierauff zur Antwort, daß derjenige, nach welchem er fragte, nur vor wenig Wochen gestorben, erkannte aber auf einmahl an seinem Gesichte, daß dieser, einer von den zweyen Passagiers, welche, nunmehro bey nahe vor einem Jahre, mit dem Daniel auf der schnellen Post davon gefahren. Derowegen fieng ich vor Freuden an zu zittern, zumahlen da er sich stellete, als ob er nach Anhörung so unverhoffter Zeitung, wieder Abschied nehmen wolte, jedoch auf mein inständiges Bitten ließ er sichs endlich gefallen, bey mir ein Nacht-Quartier zu nehmen. Ich ließ nebst dem köstlichsten Weine, die besten Delicatessen aufftragen, so nur zu haben waren, that hernach dem Frembden, eine ausführliche Erzehlung von meines Herrn Leben und Tode, hernachmahls auch von meinem eigenen Wesen, und wie weit ich es in der Kunst aller Künste gebracht hätte. Indem ich ihm das Anagramma vorlegte, vermerckte ich, daß er unter dem lesen Blutroth im Gesichte wurde, letzlich aber ein klein wenig die lincke Schulter zuckte. Auf mein Befragen, was er von diesem Anagrammate urtheilete, gab er diese Antwort: Mein werther Herr und Freund! verzeyhet mir, ich darff gegen euch, biß auf expressen Befehl meines Meisters des Danielis Artistæ von diesen Sachen kein positives Urtheil fallen, allein ich werde ihm die gantze Beschaffenheit gewissenhafft referiren. Beliebt euch nicht, versetzte ich, diesen Zeddul mit dem Anagrammate beyzustecken, oder eine Abschrifft davon zu nehmen? Es ist nicht nöthig, sprach er, denn[302] bekandte Sachen lassen sich um so viel desto leichter in meinem ohnedem sehr guten Gedächtnisse erhalten. Hierauff veränderte er das Gespräch, jedoch nur in etwas, und gab mir vortreffliche Lehren, diejenige Arbeit, welche ich unter Händen hatte, mit Renomme zu absolviren. Auf Befragen aber, wie ich mich in der Haupt-Sache zu verhalten hätte, sprach er: Seyd nicht so ungestüm, mein Herr, sondern erwartet die Zeit. Morgen früh werde ich euch noch einige gefällige Dienste erzeigen, voritzo aber erlaubt mir einige Stunden zu schlafen.

Es wäre eine Grobheit gewesen, den Gast weiter zu incommodiren, derowegen legten wir uns in zwey besondere Betten nieder, ich kunte vor Freude, Furcht und Warten der Dinge die kommen solten, kein Auge zu thun, biß mein Gast, so bald der Himmel grauete, aufstund, mich gleichfalls weckte, und sich ankleidete. Nachdem verrichte er sein Morgen-Gebet kniend sehr stille am Cammer-Fenster, mittlerweile hatte ich einen glüenden Wein bereitet, von welchen er 4. oder 5. Tassen zu sich nahm, und mich nachhero bat mit ihm ins Feld zu spatzieren. Ich fragte: ob er denn vielleicht schon Abschied von mir nehmen, und nicht noch einen Tag und Nacht ausruhen wolte? Seine Antwort war: Ich kan nicht länger bleiben, mein Freund, habt Danck vor euren guten willen, unterwegs auf freyem Felde werde noch etwas weniges von eurem Vergnügen sprechen. Solchergestallt sahe mich betrübter weise gezwungen, ihm zu gehorsamen, und auf den Weg zu begleiten, unterwegs offenbarete er mir noch verschiedene chymische treffliche Vortheile, allein wegen[303] der Haupt-Sache blieb es darbey: daß er erstlich mit seinem Meister Daniel sprechen, und demselben meinetwegen einen Gewissenhafften Bericht abstatten müsse, worauff ich die Antwort, oder vielleicht den Meister Daniel selbst zu sprechen, bekommen solte; wenn ich mich bemühen wolte, mich auff künfftigen ersten Christ-Tag in Cassel bey einem gewissen Gastwirth, den er mir sehr eigentlich bezeichnete, zu melden.

Also schied dieser Gast, dessen Nahmen ich nicht erfahren konte, von mir, ich gieng zurück an meine Arbeit, und blieb biß zu Ende des Novembris in meiner Station, brachte alle unter der Hand gehabte Massen und Mixturen so weit zu rechte, daß sie bey genauer Untersuchung nicht getadelt werden konten, kauffte mir ein gutes Pferd und reisete darvon, ohngeacht mich der neue Patron sehr inständig zum längern dableiben animiren, und meinen Lohn um die Helffte verbessern wolte.

In Hoffnung war ich nunmehro ein sehr reicher Mensch, an baaren Gelde aber hatte doch auch so viel, daß mich in Deutschland auch an dem aller vornehmsten Orte zu etabiliren getrauen konte. Allein die Sache bekam in wenig Tagen ein gantz anderes Ansehen, denn auf der Reise nach Cassel zu, wurde ich eines Morgens gar früh, und zwar im Walde, bey sehr strenger Kälte, von 4. Strassen-Räubern angehalten und genöthiget, ihnen alles bey mir habende Geld, nebst andern Sachen, und so gar den Mantel-Sacke zu überlassen, denn zwey von diesen Buben setzten mir ihr aufgezogenes Gewehr in die Seiten, da inzwischen die beyden andern mein[304] Vermögen auspresseten. Dem ohngeacht muste es vor eine besondere Gnade passiren, daß sie mir nicht allein mein Pferd, sondern auch ein klein Paquet gediehenes Gold, nicht abnahmen, welches letztere ich, ihnen unbewust, auf der Brust an einer güldenen Kette hangen hatte.

Ich machte unterwegens nicht viel Wesens von diesem mir passirten Streiche, um desto sicherer vor den Nachstellungen solcher Leute zu seyn, nahm mich aber besser in acht, und reisete niemahls alleine, biß ich endlich 12. Tage vor Weyhnachten, die Residentz-Stadt Cassel erreichte, und mich bey dem bezeichneten Wirth einlogirte. Allda verkauffte ich mein Pferd mit Sattel und Zeug vor 62. Thlr. zehrete sehr spaarsam, und wartete mit Schmertzen, nicht so wohl auf das erfreuliche Weyhnachts-Fest, sondern vielmehr auf die erqvickende Gegenwart des unvergleichlichen Daniels.

Der erste Christ-Tag lieff vorbey, es meldete sich meinetwegen niemand, derowegen nahm Gelegenheit, meinen Wirth, Abends sehr spät in geheim zu sprechen, und von ihm zu erfahren: Ob er mir keine Nachricht von dem berühmten Chymico Daniel, oder seinen Consorten geben könne. Der Wirth stellete sich anfänglich sehr frembde, und animirte mich zu einer etwas deutlicherern Erklärung, worauf er endlich sagte: Habt nur Gedult, mein Herr, der Tag ist vielleicht heute zu heilig gewesen, eure Freunde werden sich wohl Morgen oder Uber-Morgen melden, inzwischen blieb er dabey, daß er weder den, von mir gerühmten Daniel noch seine Consorten kenne, oder jemahls, seines[305] Wissens, einigen Umgang mit ihnen gehabt. Der andere Feyertag verstrich auch zu meinem grösten Leydwesen, allein am dritten bekam ich früh Morgens, von einem unbekandten Knaben folgende Zeilen eingeliefert:


Monsieur,


Mein abgeschickter Freund hat mir eures Wesens halber wahrhafften Bericht abgestattet, ich erkenne daraus, daß ihr nur noch sehr wenig Schritte von dem benebelten güldenen Hause der hi lischen Weißheit entfernet seyd, jedoch durch die allergeringste Unbehutsamkeit, gar leichtlich in einen solchen Irr-Garten gerathen könnet, worinnen ehe der Todt als der gewünschte richtige Rück-Weg zu finden ist. Mir ist nicht erlaubt, euch weitere Nachricht zu geben als diese: Erweget denjenigen Zweck sehr wohl, wornach ihr so begierig zielet, und fraget euer Gewissen ohne Heucheley, was geschehen soll, wenn derselbe getroffen ist. Lasset euch im übrigen meine und meines Freundes gehaltenen Reden nicht aus den Gedancken fallen. Ist eure Absicht ohne Tadel, so wird euer Thun gelingen, wo nicht? so schlägt es fehl. Inzwischen habt ihr von eurem Wirth, ein versiegeltes Paqvet abzufordern, worinnen 500. Stück Ducaten sind, die euch nach Erfahrung dessen, daß ihr unterwegs von den Räubern geplündert worden, zu einiger Recreation überreicht, und im Zweiffel stehet, ob er fernet mit euch handeln darff, dennoch[306] aber der Pflege des höchsten Gebers aller Güter empfiehlet


euer Freund

Daniel Artista.


Ich wurde von Wehmuth und Bangigkeit gantz aus mir selbst gesetzt, nachdem ich diese bedenckliche Zeitung erfahren, und die gäntzliche Rechnung zu machen hatte, daß der vortreffliche Meister Daniel mich mit seiner Conversation nicht ferner-beglückseeligen wolte, doch weil mit übrigen Sorgen und Grämen mein Schicksaal nicht verbessert werden konte; so gab mich endlich geduldig drein, foderte das Päcklein Geld von dem Wirth, welcher selbiges diesen Morgen von einem frembden Menschen empfangen zu haben vorgab, und war willens, eine Reise zu meinem Groß-Vater zu thun, an welchen ich nicht geschrieben, seit der Zeit ich ihm die 500. spec. Ducaten aus Engelland per Wechsel übermacht hatte, setzte mich auch wenig Tage nach dem Feste auf die Post, und reisete fort. Indem nun einigen Umweg nahm, und zwar aus keiner andern Ursache, als einige berühmte Städte und Residenzen in Augenschein zu nehmen, fiel mir in einer derselben, da ich im Post-Hause durchs Fenster guckte, von ohngefähr mein ehemahliger sauberer Meister Elias nebst seinem schelmischen Consorten Elisæo in die Augen, welche ich, ohngeacht sie sich ziemlich verstellet, rothe Kleider, weisse Peruquen und Tressen-Hüte trugen, augenblicklich erkandte, und bemerckte, daß sie am Marckte vor dem Laden eines Materialisten stehen blieben. Demnach fragte ich den bey mir stehenden Post-Meister, nach den Nahmen[307] und Stande dieser beyden Stutzer, und erfuhr sub rosa von ihm, daß es ein paar berühmte Laboranten wären, deren Nahmen aber er so genau nicht sagen könne. Wenige Zeit hernach kamen beyde Stutzer selbst auf die Post, da ich denn die allerbeste Gelegenheit hatte, selbige desto genauer zu erkennen, mich aber konten sie nicht wahrnehmen, indem ich meine schwartze Schaaf-Peruque gantz über die Backen gezogen, und mich in den Reise-Rock verhüllet, auf einem, im dunckeln Winckel stehenden Groß-Vater-Stuhl gesetzt, und eine Stellung gemacht, als ob ich schlieffe.

Sie hielten sich zu meinem Vergnügen nicht lange auf, sondern löseten ihre, auf der Post mit gekommenen Paqveter und Briefe ab, welche ein Knecht hinter ihnen her auf die Burg tragen muste, ich aber erfuhr bey solcher Gelegenheit auf der Stätte, was vor erdichtete Nahmen sich diese beyden Hängens-würdigen Spitz-Buben gegeben hatten. Das Vergnügen, so mir dieses unvermuthete Antreffen verursachte, läst sich nicht mit Worten ausdrücken, um aber ihnen beyden zu meiner Revange einen wichtigen Streich zu spielen, stellete ich mich an: als ob mir eine hefftige Colica die weitere Reise verböthe, ließ also die Post fahren, und zu meiner Verpflegung alles dienliche herbey schaffen. Gegen Abend befand ich mich vollkommen gesund, konte gut speisen, und bedaurete zum Scheine, daß die Post allbereit fort wäre, allein dem Herrn Post-Meister schien eben nicht ungelegen zu seyn, daß ich 3. oder 4. Tage bey ihm auf die andere warten muste, und mir war es gleichfalls lieb, daß sich noch[308] selbigen Abend eine Compagnie von 5. oder 6. honetten Personen zusammen, unter selbigen aber zwey Hof-Bediente fanden, die, wie ich aus ihren Gesprächen hörete, täglich sehr nahe um den Lands-Herrn waren.

Das Gespräch kam endlich auf die beyden Laboranten, und da ich ihre Haupt-Streiche ausgekundschafft, und in Erfahrung gebracht: daß ein gewisser Minister von ihren Künsten gäntzlich bezaubert sey, auch nicht das geringste Mißtrauen in sie setzte, her gegen der meiste Hauffe, diese Kerls vor Land-Läuffer und Betrüger hielte, kartete ich mit vorerwehnten beyden Hof-Bedienten, noch selbigen Abend die Sache dergestalt heimlich, ab, daß sie mich bey Nachts-Zeit mit auf die Burg führeten, ihrem Principal mein hertzhafftes Unternehmen vorstelleten, und es endlich dahin brachten, den beyden berüchtigten Spitz-Buben entgegen gestellet zu werden, welche den strengesten Befehl erhielten: ihre gerühmte Probe in meiner Gegenwart zu machen, und sich von mir tentiren zu lassen.

Ey Himmel! wie erschracken Meister Elias und Elisæus nicht, da ich ihnen so unvermuthet vor die Augen kam, allein die abgefeimten Betrüger wusten sich augenblicklich in den Handel zu finden und anzustellen, als ob sie mich Zeit Lebens nicht mit Augen gesehen hätten. Ich sparete keine Mühe, den Eliam wegen seiner Verjüngerung, Entzückungen, geheimen Offenbahrungen und andern von ihm selbst erzehlten Streichen aufs allerempfindlichste zu schrauben, welches er aber alles ohne besondere Passion zu zeigen, einfraß, und sich nur darauf verließ,[309] mir mit seiner listigen Probe das Maul desto nachdrücklicher zu stopffen. Allein, darbey kamen mir des Meister Danielis Lehren trefflich zu statten, denn es traff alles accurat ein, was mir derselbe von des Eliæ Spitz-Buben-Streichen offenbahret hatte. Kurtz zu sagen: Elias konte zwar die Probe in seinem selbst zubereiteten Schmeltz-Tiegel zu wege bringen, und 2. Loth Bley in Gold verwandeln, allein in keinem andern, ohngeacht ihm die allerstärcksten dargereicht wurden. Derowegen nahm ich mit Erlaubniß des Principals drey von des Eliæ Schmeltz-Tiegeln, setzte zwey ins Feuer, und ließ, ohne daß jemand weder Bley noch sonsten etwas hinnein geworffen hatte, nachdem sie eine Zeitlang wohl geglüet hatten, aus jedem, 2. Loth feines Gold auf die Steine schütten, den dritten Schmeltz-Tiegel aber schlug ich mit einem Hammer in Stücken, entdeckte den darein gegossenen Gold-Staub und zugleich den gantzen Betrug, so, daß die beyden eingebildeten Künstler wie Butter an der Sonne bestunden. Nachhero da ich eine hinlängliche Nachricht, von den, mir und andern Leuten gespielten Schelm-Streichen abgestattet, und die am letztern Orte vorgehabte grausame Filouterie darzu kam, hatte ich das Vergnügen, die beyden grossen Alchymistischen Welt-Lichter an zwey Schutt-Karne schmieden zu sehen, auf welchen sie den Unflath, in und um der Burg, hinweg schaffen musten. Auf ihren hocherfahrnen Häuptern prangete eine grosse eiserne Sturm-Haube, mit angeschnallten würcklichen Esels-Ohren, über diesen ein eiserner proportionirlicher Galgen, in welchem eine kläglich[310] lautende Kuh-Schelle hing. Das war also der Lohn solcher verzweiffelten Ertz- Bösewichter, denen alles gleich viel geschienen, ob sie hohe, mittelmäßige, geringe, kluge oder einfältige Personen zu betrügen vor sich finden konten, eine grosse Gnade hieß es, daß sie wegen ihrer erstaunlichen Verwegenheit nicht Hangel-Beeren fressen musten, wie mein ehemahliger Compagnon Renard in Engelland, jedoch ich halte davor: daß dergleichen Straffe, vor Menschen von solcher Gattung, noch weit empfindlicher sey als der Todt selbst.

Mir wurde an diesem Hofe eine nicht unebene Bedienung angetragen, allein ich deprecirte dieselbe aus keiner andern Ursache, als meinen Groß-Vater in seinem Alter zu assistiren, und meine Goldmacher-Streiche in Geheim darbey fortzuführen, reisete also mit einem guten Recompens von dañen.

Wenige Tage hernach ließ ich mich an einem andern Orte dennoch überlistigen auf eine Zeit lang, als Mechanicus und Chymicus zugleich, in die Dienste einer gewissen Standes-Person zu treten, weil selbige ungemein vortheilhafftig vor mich schienen. Zwar nahm ich erstlich noch eine Reise zu meinem Groß-Vater vor, allein, derselbe war bereits gestorben, und zu Vergrösserung meines Unvergnügens war, mein aus Engelland an ihn übermachter Wechsel, wegen des Banquerots des Wechsel-Herrens mit Protest zurück gegangen, derowegen muste mich mit 600. Thlr. ererbeter Groß-Väterlicher Gelder begnügen lassen, und wieder zurück an denjenigen Ort reisen, wo ich mich engagirt hatte. Ich etabilirte meine Haußhaltung sehr wohl, ließ mich[311] auch bereden, ein junges rasches Frauenzimmer zu heyrathen, die der gemeinen Sage nach über 4000. Thlr. im Vermögen haben solte, allein, da es nach der Hochzeit zur Untersuchung kam, fanden sich kaum 400. Thlr. Heyraths-Gut, welches den ersten Grund-Stein zu unserm Mißvergnügen legte. Über dieses führete meine Frau einen ungemeinen Etaat, lebte herrlich, und hatte täglichen Besuch von guten Freunden, so wohl männliches als weibliches Geschlechts, die sie als ein gewesenes Hof-Frauenzimmer entweder bey Hofe oder sonst von Jugend auf gekannt haben wolten. Solchergestalt war ein starcker Aufgang in meiner Haußhaltung, mein meistes Geld aber, hatte ich in ein kostbares Hauß, und dann in das pestilentialische laboriren gesteckt, um nunmehro den Stein der Weisen mit Gewalt heraus zu zwingen.

Bey sothaner doppelten Arbeit und Sorgen, konte nun freylich auf meiner jungen Frauen Wirthschafft, nicht sattsame Achtung geben, und ob ich gleich dieselbe auch nicht alle Stunden mit den zärtlichsten Caressen überhäuffte, so ließ ich ihr dagegen in allen ihren Willen, nicht vermeynend, daß sie von der Art derjenigen Weiber sey, welche die, in dem Liebes-Wercke nachläßigen Männer mit Hirsch-Geweyhen zu crönen pflegen. Allein, ich erfuhr selbiges leyder zu meinem allergrösten Unglücke mehr als zu wahrhafftig, denn da ich mich eines Tages wegen hefftiger Kopff-Schmertzen ohnbewust meiner Frauen, im Cabinet der obern Stube, ein wenig aufs Faulbette gelegt, kam meine Frau ganz eilig auf eben dieselbe Stube gelauffen,[312] klapperte mit den Schlüsseln, und schloß einen von ihren Wäsch-Kastens auf, der gantz nahe bey meinem getäffelten Cabinet stunde, krahmete mit ein und andern Sachen, und sunge inzwischen etliche schändliche Verse eines geilen Buhler-Liedes, welches sich vor eine reputirliche Frau gantz und gar nicht geziemete. Indem nun eben im Begriff war, sie dieserwegen zu reprimandiren, hörete ich eine gantz leise herbey schleichende Person folgende Worte sprechen: Ihr Knecht, Madame! wie stehts, werden sie bald fertig seyn? Mademoiselle N. wartet mit Schmertzen auf sie, und die übrigen sind schon voraus. Lasset sie seyn, gab meine Frau zur Antwort, wir wollen noch zeitig genung nachkommen, das Nickelgen muß wohl warten, allein, mein Kind, du darffst nicht halb so ehrbar thun, denn wir sind alleine. Wo ist denn dein Mann? mein Engel, fragte der Courtoisan ferner, ich bin gekommen, ihn ehrenthalber auch zu dieser Lust zu invitiren. Ach! schrye meine Frau, laß den Unflath ja zu frieden, der wird vor Mitternachts nicht aus dem Kohlen-Staube gekrochen kom men, denn er hat sich Essen und Trincken genung ins Laboratorium bringen lassen. Das ist ja vortrefflich, versetzte der Courtoisan, allein, solchergestalt wäre nicht uneben, wenn wir uns nach abgeschlossenen Thüren ein kleines Vergnügen machten. Ists nicht zu viel, sagte meine Frau, dergleichen bey hellen lichten Tage vorzunehmen? Hierauf antwortete der Ehebrecher mit verschiedenen Küssen, die ein lautes Geklatsche verursachten. Bald hernach gingen beyde hin, verschlossen und verriegelten die Thüren,[313] worbey meine geile Bestie noch diese Worte von sich hören ließ: Mein Engel! wenn ja jemand anpochen solte, so kanstu dich nur durch jene Kammer über den Gang in den Hof reteriren, du must dich aber ja in acht nehmen, denn die Breter sind auf dem Gange noch nicht angenagelt, und könten leichtlich aufküpffen. Gut, gut! sprach der Cujon, führete hiermit das schändliche Weib zum Bette, und nahm eine solche verfluchte Arbeit mit derselben vor, die mich, der ich durch eine Spalte guckte, zu recht rasender Wuth verleitete. Solchemnach ergriff ich ein an der Wand hangendes scharff-geschliffenes Couteau de chasf, stieß die Thür auf, und versetzte meinem Ehren-Schänder, der eben zurück springen, und seinen auf den Tisch gelegten Degen ergreiffen wolte, einen kräfftigen Hieb über den Kopff und gleich darauf einen Stich in die Brust, daß er augenblicklich zu Boden stürtzte, und in einer häßlichen Positur mit herabgefallenen Bein-Kleidern liegen blieb. Das ehebrecherische Weib sprung darvon, hatte sich aber doch nicht gnugsam vor demjenigen Unglücke hüten können, wovor sie nur kürtzlich ihren Schand-Bock gewarnet hatte, sondern war mit etlichen Bretern herab auf den scharffen Rand eines Brau-Bottichs gefallen, die nachschiessenden Breter und kleinen Schwellen aber hatten ihr gleich auf der Stelle das Hals-Genick und Rück-Grad abgestossen.

In meinem gantzen Hause war keine eintzige Seele, welche nur das geringste von diesem Unheil gemerckt oder gehöret hatte, derowegen bedeckte ich den in seinen Sünden zerqvetschten und entseelten[314] Cörper mit Bretern und Fässern, verschloß den Stall so wohl als alle andere Thüren zur Stube, worinnen der auch bereits verreckte Ehebrecher lag, aufs beste, nahm von meinem noch übrigen Gelde, Geschmeide und andern nöthigsten Sachen so viel zu mir, als ich in und unter den Kleidern verbergen konte, und begab mich schleunigst auf die Flucht, war auch so glücklich, vor der Stadt einen geschwinden Post-Wagen anzutreffen, dem ich mich anvertrauete, und wenig Tage hernach eine sonst wohl bekandte Stadt erreichte, allwo ich meine Kleider veränderte, und en Courier die Reise nach Hamburg antrat, von wannen ich bald hernach zu Schiffe nach Coppenhagen überging, mithin mein Hauß und übriges Vermögen alles im Stiche ließ, um auch desto unbekandter zu leben, meinen ordentlichen Geschlechts-Nahmen veränderte, und mich Plager nennete. Wie es in meinem Hause weiter zugegangen, zumahlen da man die entleibten Cörper gefunden, weiß ich nicht, habe mich auch niemahls darum bekümmern wollen, hergegen zog ich mir die grausame jachzornige Übereilung dermassen zu Gemüthe, daß ich fast in die allerelendeste Verzweiffelung gefallen wäre, jedoch ein vortrefflicher Priester in Coppenhagen, dem ich alles, was ich auf dem Hertzen liegen hatte, aufrichtig erzehlete, hat mich endlich in den Stand gesetzt: den Verzweiffelungsvollen Versuchungen des Satans jederzeit kräfftigen Widerstand zu thun, und mit ernstlicher Busse, bey GOtt die Vergebung aller begangenen Sünden zu suchen. Ja eben dieser gottselige Priester, hat nachhero in meinem Hertzen einen vollkommenen[315] Eckel gegen die betrüglichen Goldmacher-Künste angezündet, und mir zu täglichen Denck-Sprüchen unter andern auch folgende Lateinische und Deutsche Verse recommandiret:


Auri sacra fames quid non mortalia cogis

Pectora? res fallax, cognita sero, vale!


Verda ter Gold-Durst, hastu nicht so manches Hertz in Schmertz gebracht?

Nun kenn' ich dich, du falsche Kunst, zwar etwas spät, drum gute Nacht!


Ich habe nach der Zeit die Transmutationem Metallorum zwar vor kein solches Geheimniß betrachtet, welches GOtt durchaus keinen sterblichen Menschen offenbahret habe oder offenbahren wolle, allein doch auf gründliche Vorstellungen des gottseeligen Priesters und Uberlegung meiner eigenen Erfahrung, dieserwegen gantz andere, als vormahlige Concepte gefasset, welche ich zu anderer Zeit eröffnen will.

Von selbiger Zeit an ergriff ich meine ordentliche Profession, nehmlich die Mechanic, wieder, und habe, so lange ich nachhero in Coppenhagen war, täglich sehr fleißig darinnen gearbeitet, wie mir solches gegenwärtiger Mons. Litzberg, der mich ohngefähr 2. Jahr lang in Coppenhagen gekennet, aufrichtig und wohl bezeugen wird. Da aber nach der Zeit in Amsterdam an einer gewissen Welt-berühmten Machine gearbeitet wurde, worbey ich vor meine, vielleicht nicht unangenehme Invention und Handanlegung, so wohl als andere Künstler, ein gut Stück Geld zu verdienen vermeynete, nahm ich die Reise dahin vor mich, beredete auch Mons.[316] Litzbergen, einen beliebten Reise-Gefährten abzugeben. Allein die Führung des Himmels hat es besser mit uns gemeynet, denn wie bereits bekandt ist, sind wir in Lübeck an den Herrn Wolffgang gerathen, der uns nebst andern Gefährten, auf diese glückseelige Insul geführet hat, allwo ich nunmehro, dem Himmel sey Danck, ein dermassen ruhiges und vergnügtes Leben führe, welches gegen keinen philosophischen Stein vertauschen wolte, und wenn derselbe gleich den allergrösten Mühlstein am Gewicht überträffe, wünsche also weiter nichts mehr, als meine übrige Lebens-Zeit in wahrer Frömmigkeit zuzubringen, auf der Insul meinen liebsten Freunden nützliche Dienste zu leisten, und endlich in den Armen meiner liebsten Dorothee Jacobine, ruhig und seelig zu sterben.

Solchergestalt, meine Herrn und Freunde! sagte nunmehro Mons. Plager zum Beschlusse, habe ich ihnen einen offenhertzigen Bericht, meines von Jugend auf geführten Wandels abgestattet, ich weiß aber nicht, ob ich wünschen darff, daß sie demselben ferner nachdenken, oder zum wenigsten meine Thorheiten und Ubelthaten gantz und gar wieder vergessen möchten, jedoch mein bester Trost ist dieser: daß ich ein besserer Christ geworden, und auch vollkommen gesonnen bin, mich Zeit-Lebens also aufzuführen, da ich, GOtt Lob, im Stande lebe, meinen ehemahligen Affecten ein Gebiß anzulegen, und sie nicht über mich herrschen zu lassen.

Also endigte Mons. Plager die Erzehlung seiner Lebens-Geschicht, aus welcher wir, an seiner Person und gantzen Wesen, nichts anders zu tadeln fanden:[317] als daß er sich der hefftigen Gold-Begierde, und denn dem Jäh-Zorne allzu starck überlassen, den Vermahnungen seines sterbenden Vaters nicht besser nachgelebt, und sich an dessen Exempel gespiegelt hätte, denn wie er annoch selbst bekennete, so hatte er die meiste Gesellschafft mit unchristlichen Leuten, Ovackern und Mennonisten gepflogen, wie denn auch sein ehebrecherisches Weib eine übel conduisirte Reformirte gewesen war. Es gab auch viel Disputirens unter uns: ob er recht oder unrecht gethan, den leichtfertigen Ehebrecher so plötzlich zu überfallen und zu ertödten? allein, endlich fiel doch der Schluß dahinnaus, daß es christlicher gehandelt gewesen, wenn die Selbst-Rache unterblieben wäre.

Nachdem aber unter dergleichen Gesprächen der Abend einzubrechen begunte, nahm ein jeder die Rückreise zu seiner Wohnung vor sich, mit dem Verlaß, ehester Tags, wenn es dem Alt-Vater beliebte, in Stephans-Raum zu erscheinen, um daselbst des Tischlers Lademanns, und des Müllers Krätzers Lebens-Läuffte anzuhören.

Solches verzohe sich nun zwar auf etliche Tage, weil der Alt-Vater einen schlimmen Zufall von Stock-Schnupffen und truckenen Husten bekam, allein, nachdem er endlich durch gute Wartung und Bey-Sorge Mons. Kramers, der ihn mit den Herrlichsten Medicamenten zu Hülffe kam, wiederum völlige Besserung verspürete, und ihm von dem letztern selbst, eine kleine Spazier-Fahrt zur Motion, angerathen wurde, begaben wir uns in seiner Gesellschafft nach Stephans-Raum, nahmen erstlich den neuen Mühl-Bau in Augenschein, und bezeugten[318] eine besondere Freude darüber, denn das gantze Gebäude stund schon völlig unter dem Dache, mittlerweile aber, da andere dasselbe vollends tünnchten und ausputzten, arbeiteten Lademann, Krätzer und Herrlich, nebst ihren Lehrlingen an den Mühl-Rädern, welche sie aufs längste binnen 14. Tagen einzulegen vermeinten, nachhero Mühl-Steine aus dem Alberts-Hügel, als welcher Stein sich am allertüchtigsten darzu anließ, aushauen, so dann gleich nach vollbrachter Erndte, zu mahlen anfangen wolten. Allein, weil der Alt Vater freundlich zu vernehmen gab, wie er dieses mahl in Lademanns Wohn-Hause abzutreten gesonnen sey, und gegen Abend das Vesper-Brod bey ihm speisen wolte, gaben die Meisters ihren Lehrlingen und Handlangern ein abgemessenes Stück Arbeit auf, und begleiteten uns alle drey in Lademanns Wohn-Hauß, allwo sich auch in kurtzen Herr Wolffgang, Litzberg und Plager einstelleten, weil wir selbigen unsere Dahin-Reise zu wissen thun lassen. Wir ladeten uns an einen wohlschmeckenden und sehr kühlen Hauß-Truncke, rauchten, weil es etwa 3. biß 4. Stunden nach der Mittags-Mahlzeit war, Toback darbey, da aber unser Wirth mit seiner jungen Hauß-Frauen das Vesper-Brod aufgetragen, und der Alt-Vater mit freundlichen Worten zu vernehmen gab, wie er wünschte, seine, nehmlich

Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 2, Nordhausen 1732, S. 239-319.
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