Kurtzer Beschluß und Erinnerung

[264] Bishieher / woselbst das aufgestekte Ziel etwa von ferne wir erblikken / und den vorgenommenen Bau zum anfang eingefüget haben / seynd wir durch Göttliche Leitung gekommen; Es were aber alhie annoch ein grosses nötiges Nebengebäu aufzurichten / welches gebührlich anzufuhren / wegen mangel der zeit und ablegung[264] täglicher Gescheften keine Gelegenheit übrig geblieben. Mit Haubtsachlicher Erwehnung aber wil ich andeuten was etwa alhie noch übrig verblieben / und das vierdte Buch zur Verskunst hette einnehmen künnen. In vörigen Bücheren ist gnugsamlich von den Teutschen Reimarten / so wol wie sie nach den Reimschlüssen / als nach den Reimmaassen zuerkennen / zubetrachten und zumachen sein gesagt: Nun aber were nach aller lenge übrig / wie die Reimarten nach der Materi selbst / davon sie handelen /unter sich zutheilen / nach rechter Eigenschaft zubetrachten und zuverfertigen sein. Dann die Matery / wo von ein Poet handelt / bestehet / in solchem betrachte / entweder in Traurhändelen oder in Lusthändelen /oder in Mittelhändelen / oder in Lob- und Lasterhändelen. Zu denenselbigen / welche in Traurhändelen bestehen / könten gerechnet werden die Grabschriften / Todtenlieder / Traurspiele / oder Tragædien, Jammerklage / Trostschriften / Klaglieder und derogleichen. Zu denen Reimarten welche in Lusthändelen bestehen gehören die Brautlieder / Hochzeitgedichte /Reisewůnsche / Geburtlieder / Trunklieder / Freudenspiele oder Comœdien, Triumpflieder und derogleichen. Zu den Mittelhändelen gehöreten etwa die Sinnbilder oder Emblemata, Mittelspiele oder Tragico-Comedien / Rätzele etc. Zu denselben / welche in Lob und Lasterhändelen bestehen / gehörten die Danklieder / Lobpsalmen / Lobgedichte / Freudengejauchtze /Spottverse / Lasterschriften etc. Diese nun und derogleichen erforderte eine weieleuftige Ausführung und völligen Tractat / wenn man im[265] Teutschen davon richtig handelen und gründliche anweisung thun wolte /Als zum Exempel / wie bey uns / und nach jetziger Art und Eigenschaft Teutscher Sprache die Comedien und Tragedien zuverfertigen und anzurichten / was recht zu der Sinnbildlehre gehöre / wie mit vergönstigung in Brautliederen etc. zuschertzen / und dergleichen / samt beygefügten nachfolgbaren Exempelen /daran es noch zur zeit in unserem Teutschen oft mangelen / und man dieselbe mit verlohrner Mühe suchen würde: Sonsten hat der hochberühmter Held Iulius Scaliger aufs aller subtileste / weitleuftigste und gründlichste Bericht gethan / wie in diesen erwehnten und allen anderen Stůkken der Poetischen Kunst /man sich recht verhalten und anweisen lassen künne: Woraus dan einer / der etwas uns Teutschen hiervon in der Muttersprache lehren wolte / die Nachrichtung in vielen entlehnen kan: Wiewol wir doch in einem und anderen / sonderlich in Freuden- und Traurspielen / nicht eben nach der Griechen und Lateiner Gesetzen / sonderen vielmehr nach unseren und itzigen Arten und Weisen solche Spiele zuverfertigen / uns einzurichten haben möchten: Davon vielleicht fernere Nachrichtung / weil eines und anderes Freudenspiel ins künftige möchte heraus gegeben werden / geschehen soll.

Also were dieses ortes Weitleuftiger auszuführen /der rechte Nahme eines Poeten / Seine Ankunft von Altersher / von seinem Zwekke und Ziele / wohin ein Sinnreicher Poet mit lust und nutz zukommen embsig sein soll / von seiner Rede / dero Eigenschaft und Anleitung dazu: Von seiner Erfindung / was recht einen Poeten mache / und derogleichen / welches[266] alles / wie erwehnt / zu Dichtkunst gehörend / einen weitleuftigen Bericht erfodert / von anderen zum theil auch schon in unserem Teutschen geschehen / und die Hofnung ůbrig ist / es dermaleins von einem munterem gelahrten Geiste ferner und völlig geschehen /und denen / so dieser Wissenschaft in Teutscher Sprache nachzugehen begierig / mit einem behülflichem Mittel gewilfahret werde. Ich wil alhie schliessen /mich mit dem wenigen / was hie / wiewol alles in der eile und auf der flucht verrichtet / růhig deswegen vergnůgen / weil mein Gewissen dieser süssen befriedigung mich versichert / daß alles / es sey auch so gering und kleinschätzig wie es wolle / was alhie / und sonsten / nach geringem Vermögen gethan / nur aus diesem redlichen Vorsatze geschehe / daß unsere so hochherrliche Teutsche Muttersprache / zu aufnahm der Teutschen Jugend / beliebung der Tugend / des guten und der Ehre Gottes / möchte je mehr recht gründlich bekant / wegen der unerschöpflichen Kunstquellen geehrt / dero Süssigkeit mit lust eingetröpflet / und wohin man die Gedanken und Beliebung wendet / nach Anweisung rechter Kunst und grundmessiger Gewißheit gefunden und angeschauet werden.


ENDE.[267]

Quelle:
Justus Georg Schottel: Teutsche Vers- oder Reimkunst. Lüneburg 1656, S. 264-268.
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