Ein Gespräch auf dem Schiffe

[383] Der Soldat.


Verzeihen Ihro Hochehrwürden,

Wenn ich es sagen darf,

Die letzte Predigt war zu scharf.

Sie laden viel zu schwere Bürden

Auf unsern Hals. Wo ist der Mann,

Der solche Bürden tragen kann?


Der Schiffsprediger.


Mag sein! Wenn doch vorüber wäre

Die Wasserfahrt! Mir schaurt die Haut![383]

Was denkt Ihr, Freund, daß ihr dem Meere

Das junge Leben anvertraut?


Der Soldat.


Das thu' ich gern, mein Fürst hat's ja befohlen,

Wir schwimmen nach Amerika.


Der Schiffsprediger.


Um dort vielleicht den Tod zu holen!

Man sagt, es gäb' so viele Wilde da,

Die mit der Axt der Feinde Schädel splittern.


Der Soldat.


Nur feige Kerls und alte Weiber zittern

Vor der Gefahr, ein Deutscher nicht!

Zu streiten ist Soldatenpflicht.

Viel besser, daß die Axt den Schädel mir zerspalte,

Als daß ich feig auf meinem Bett erkalte.

Und kurz und gut, mein Fürst hat es gewollt

Und dafür hab' ich meinen Sold.


Der Schiffsprediger.


Verzeiht, wie hoch mag der sich wohl belaufen?


Der Soldat.


Fünf Batzen sind genug,

So einem Kerl, wie ich, das Leben abzukaufen.


Der Schiffsprediger.


Ganz wohl, mein Freund, Ihr handelt klug.

Doch Weib und Kinder –


Der Soldat.


O der Armen

Wird Gott im Himmel sich erbarmen.

Gott weiß, wie hart ich sie verlor!

Jedoch der Dienst für meinen Herrn geht vor.


Der Schiffsprediger.


Und wie? ein Mann wie Ihr, er könnte sich beklagen,

Die letzte Predigt geh' zu weit?[384]

Könnt Ihr für wenig Sold so schwere Bürden tragen,

Und für den Dienst der Eitelkeit

Selbst Weib und Kind und Leib und Leben wagen?

Nur für das Reich der Ewigkeit

Wollt Ihr nicht einen kleinen Streit

Mit Eurem Fleisch und Blute wagen?

Wenn Ihr mit diesem Heldenmuth

Den halben Theil für Gottes Ehre thut;

So bin ich Euch für Eure Seele gut.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 383-385.
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