Nachtlied

[250] Nun denn, in Gottes Namen

Legt sich mein Leib zur Ruh',

Herr Jesu! Amen! Amen!

Drück mir die Augen zu!

Wen deine Flügel decken,

Dem ist kein Bett zu hart,

Und für der Nächte Schrecken

Schützt deine Gegenwart.


Send' einen Engel nieder,

Der mir zur Seiten steht,

Und meine müden Glieder

Mit Himmelsluft beweht.

Erscheine mir im Schlafe,

Erlöser, als der Hirt,

Der seine lieben Schafe

Auf grüne Auen führt.


Vertreib mit deinem Lichte

Der bösen Träume Schaar,

Und stelle dem Gesichte

Nur fromme Bilder dar;

O gib, daß meine Seele,

Vom Höllengeist geäfft,

Nie sündige und fehle,

Auch wenn der Körper schläft.


Wenn neben mir ein armer

Gefangner Freund noch wacht;

So stärk ihn doch, Erbarmer!

Mit einer guten Nacht.[250]

Gib allen sorgenschweren

Beklemmten Herzen Rast;

Wisch ab des Elends Zähren,

Und nimm des Müden Last.


Sollt' ich im Schlafe sterben,

So sei mein schneller Tod

Nicht Hinsturz ins Verderben,

Er sei ein Flug zu Gott!

Und nun, in Gottes Namen

Legt sich mein Leib zur Ruh',

Herr Jesu! Amen! Amen!

Mein letztes Wort bist du.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 250-251.
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