Vertrauen auf Gottes Schutz

[253] O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

So tief, so innig fühlt' ich's nie,

Verzeih, wenn Thränen niederthauen,

Denn deine Hand entlockte sie.

Da steh' ich wie ein Fels im Meere,

Bestürmt und doch versenkt in Ruh',

So voll Vertrauen, Gott! als wäre

Nichts auf der Welt, als ich und du.


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Ich fühl's, wenn mich das Elend würgt,

Wenn hinter schwarzer Wolken Grauen

Sich jeder Stern vor mir verbirgt;

Wenn Stürm' um meinen Kerker brüllen,

Wenn um mich zückt des Blitzes Pfeil;

Dann leg' ich mich in deinen Willen

Und überhör' das Sturmgeheul.


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Der mit dem Mondschild uns bedeckt,

Wenn Felsenwände uns verbauen,

Wenn Gitter, Schloß und Riegel schreckt;

Wenn Einsamkeit mit stummer Lippe

Und schwindelnd auf uns niederschaut,

Wenn vor dem scheußlichen Gerippe

Des Todes unsre Seele graut.[253]


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Was ist's, wenn Menschenhülf' uns flieht?

Und, wie von Fluch getroffnen Auen

Das Wild, bei uns vorüberzieht?

Was ist's, wenn Peiniger uns hassen,

Wenn um uns zischt die Schlange Spott?

Wenn Brüder selber uns verlassen?

Wir sind doch stark, wir haben Gott!


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Was that dein Sohn? Er traute dir,

Er ließ die Skorpionen hauen,

Und sprach: Der Vater ist bei mir!

Er trug die Schmach der Dornenkrone,

Der Geißel Zug, des Kreuzes Pein,

Und hüllte sich beim lauten Hohne

Der Höll' in sein Vertrauen ein.


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Wenn die Gewaltthat nach uns greift,

Uns hält in ihren Tigerklauen,

Und unser Blut tyrannisch säuft.

Sie würgt ja nur des Staubleibs Glieder,

Doch Christenseelen würgt sie nicht,

Auch diesen Leib erweckst du wieder

Und schreckst Tyrannen mit Gericht.


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Auf Fürsten, den erhöhten Staub,

Sollt' ich den Thurm der Hoffnung bauen?

Auf Fleisch, des Wurms gewissen Raub?

O nein, du Helfer aus den Nöthen,

In dich, in dich bau' ich hinein,

Für meinen Fürsten will ich beten,

Doch mein Vertrauen, Gott! ist dein.


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Der helfen kann, und helfen will;

Ich wandle fort auf meinem rauhen,

Bethränten Pfad und schweige still.[254]

Dein Sohn steht ja auf diesem Pfade,

Und spricht: Die Leiden dieser Zeit

Sind lauter Zeugen meiner Gnade,

Und enden sich mit Seligkeit.


O Gott! wie gut ist's, dir vertrauen!

Mich dünkt, ich seh' dich voller Huld

Auf meine Bande niederschauen,

Es rauscht um mich: Geduld! Geduld!

Dich decken meiner Liebe Flügel!

Vertrau nur Gott, und sei getreu.

Bald springen deines Kerkers Riegel,

Mein bist du dann, und ewig frei!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 253-255.
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