An die Freiheit

[218] O Freiheit, Freiheit! Gottes Schooß entstiegen,

Du aller Wesen seligstes Vergnügen,

An tausendfachen Wonnen reich,

Machst du die Menschen Göttern gleich.


Wo find' ich dich, wo hast du deine Halle?

Damit auch ich anbetend niederfalle,

Dann ewig glücklich, ewig frei

Ein Priester deines Tempels sei.


Einst walltest du so gern in Deutschlands Hainen,

Und ließest dich vom Mondenlicht bescheinen,

Und unter Wodanseichen war

Dein unentweihtester Altar.


Es sonnte Hermann sich in deinem Glanze,

An deiner Eiche lehnt' er seine Lanze,

Und ach, mit mütterlicher Lust

Nahmst du den Deutschen an die Brust.


Bald aber scheuchten Fürsten deinen Frieden,

Und Pfaffen, die so gerne Fesseln schmieden;

Da wandtest du dein Angesicht:

Wo Fesseln rasseln, bist du nicht.


Dann flogst du zu den Schweizern, zu den Briten;

Warst seltner in Palästen, als in Hütten;

Auch bautest du ein leichtes Zelt

Dir in Kolumbus neuer Welt.[218]


Und endlich, allen Völkern zum Erstaunen,

Als hätt' auch eine Göttin ihre Launen,

Hast du dein Angesicht verklärt

Zu leichten Galliern gekehrt.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 218-219.
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