In eine Messiade

[212] Willst du dich auf gen Himmel schwingen,

Und hören wie die Engel singen,

Und hören, was Jehovah spricht;

So lies dies himmlische Gedicht.


Willst du den Mittler hangen sehen,

Ach! auf des Schädelberges Höhen

Mit jammerbleichem Angesicht;

So lies dies christliche Gedicht.


Willst du in Gluth und Schwefelmeeren

Das Brüllen der Satane hören,

Gedrückt vom Fluch und vom Gericht;

So lies dies schreckliche Gedicht.


Willst du gesalbte Männer, Frauen,

Und Mädchen, gleich den Engeln, schauen,

Getreu der gottgeweihten Pflicht;

So lies dies heilige Gedicht.


Willst du, bei Harmonie der Sphären,

Die deutsche Sprache donnern hören

Mit felsensplitterndem Gewicht;

So lies dies Vaterlandsgedicht.[212]


Willst du in süßen Sympathien

Von Ahndung jenes Lebens glühen,

Und wünschen, daß dein Auge bricht;

So lies dies göttliche Gedicht!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 212-213.
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