An Friedrich Wilhelm den Zweiten

[177] (Bei seiner Thronbesteigung.)


Zittre nicht an deines Oheims Bilde

Mit den ehrnen Füßen, mit dem Wodansschilde,

Und dem wetterleuchtenden Gesicht,

Friedrich Wilhelm, zittre nicht!


Wenn dein Oheim an die Sterne streifte,

Wenn Er Thaten wie Gebirge häufte,

Wenn Er groß im Wetter der Gefahr,

Groß im Friedenssäuseln war;


Wenn Er Städte nahm wie Vogeleier,

Wenn Er wärmte sich am Schlachtenfeuer,

Und mit Adlerkrallen krumm und scharf

Legionen niederwarf;


Wenn der angestaunte Geistkolosse

Welten wog in seinem Königsschlosse,

Und des Neides und der Zwietracht Brut

Fesselte mit Löwenmuth;


Wenn der große königliche Weise

Herrschen stand in andrer Weisen Kreise;

Wenn vor seinem Genius entzückt

Schöpfergeister sich gebückt:


So betrachte ruhig den Giganten,

Schau dem Großen, schau dem Allbekannten

Unverwandt ins Sonnenangesicht,

Aber Wilhelm – zittre nicht!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 177-178.
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