Friedrich der Große

[165] Ein Hymnus.


Als ich ein Knabe noch war

Und Friedrichs Thatenruf

Ueber den Erdkreis scholl;

Da weint' ich vor Freude über die Größe des Mannes,

Und die schimmernde Thräne galt für Gesang.


Als ich ein Jüngling ward

Und Friedrichs Thatenruf

Ueber den Erdkreis immer mächtiger scholl!

Da nahm ich ungestüm die goldne Harfe,

Dreinzustürmen Friedrichs Lob.


Doch herunter vom Sonnenberge

Hört ich seiner Barden Gesang.

Hörte Kleist, der für Friedrich

Mit der Harf' ins Blut stürzte;

Hörte Gleim, den Kühnen,

Der des Liedes Feuerpfeil

Wie die Grenade wirft.

Hörte Rammlern, der mit Flakkus Geist

Deutschen Biedersinn einigt.

Auch hört' ich Willamov, der Friedrichs Namen

Im Dithyrambensturme wirbelt.


Dich hört ich auch, o Karschin, deren Gesang

Wie Honig von den Lippen der Natur

Träuft. Da verstummt' ich,

Und mein Verstummen galt für Gesang.

Aber soll ich immer verstummen?

Soll der Bewundrung und der Liebe Wogendrang

Den Busen mir sprengen? Nein, ich wag's!

Ergreife die Harf' und singe Friedrichs Lob.


Von meines Berges Donnerhöhe

Ström' auf gesteinten Rücken hinunter

Du, meines Hymnus Feuerstrom![165]

Er stäub' und donnr' im Thale,

Meines Hymnus Feuerstrom,

Daß es hören die Völker umher!


Auf schwerer Prüfungen Nachtpfad

Führte die Vorsicht den Helden,

Eh' er drang in der Größe Heiligthum.

Sah er nicht träufen das Schwert

Von Catt, seines Freundes, Blute?

Sah er nicht blinken das Schwert

Auf seinen eignen Nacken?

Muthig und furchtlos blieb Er; denn Furcht

Kannt' er schon als Jüngling nicht.


In der Muse keuscher Umarmung

Uebt er sich zu tragen den goldenen Scepter.

Schon flammt' auf seinem Haupte das Königsdiadem.

Wie der wolkensammelnde Zeus

Saß er auf dem Thron und schüttelte Blitze.

Da floh die Dummheit und der Unsinn

Und Barbarei die Nachtgefährtin.

Er selbst war das Urbild der Weisen;

Riß dir, Machiavell, die Larve vom Antlitz,

Und predigte Fürsten die Herrscherkunst.

Die Geister seiner Ahnen stiegen aus der Gruft!

Mit des Meisters Pinsel zeichnet er sie.

Sang hohe Gesäng' in die Lyra,

Und spielte die Flöte Apolls.

Wie aus der Urnacht Tiefe,

Von Gott gerufen, Sonnen flockten;

So stiegen Weise und Künstler empor,

Und der Städte Fürstin ward Berlin.


Von Friedrichs Schwert berührt

Erstickt das Schlangenungeheuer die Schikane

Im ausgesprudelten Giftschaum;

Und des Bettlers und Prinzen Recht

Wurde von Friedrichs Hand

Auf gleicher Schale gewogen.

Hektor, Achill, und Cäsar und Julian,[166]

Der Vorwelt und der Afterwelt Helden,

Staunten, als sein Kriegerruf hinabdonnerte

In des Todes Schattengefild.

Furchtbar bildet' er sein Heer.

Erfand nicht Friedrich jenen Knäul,

Der plötzlich aufgerollt,

Größere Heer' in den Staub wirft?


Fünfmal donnerte Friedrich Wodan,

Und sein war Silesia, seiner Krone

Köstlichstes Gestein.


Seiner Größe Sonnenpunkt kam.

Habspurgs Adler schwebt schreckbar über ihm.

Er dürstete Friedrichs Blut.


Moskoviens Bär mit eisbehangnen Haaren

Dürstete Friedrichs Blut.

Gallia schwung die lichtweiße Lilie,

Sie zu tauchen in Friedrichs Blut.

Selbst Wasa's Enkel,

Und Germania's mächtigste Fürsten und Städte

Zuckten die Schwerter, ins Schlachtthal zu gießen

Friedrich Wodans Blut.


Er aber, der Einzige! warf

Die erzene Brust entgegen

Der todtschnaubenden Feindesschaar.

Achtete ihrer schreckbaren Menge,

Ihrer Rosse, wie Heuschreckenschwarm,

Ihrer zuckenden Lanzen,

Und ihrer metallnen Donnerschlünde nicht.

Sieben Jahre flog er

Wie der Rachestrahl Gottes im Wettergewölk

Unter seiner Feinde

Schwarzen Schaaren umher.

Blut und Hirn und Mark floß

Und spritzt' an seines Rosses Schenkel,

Leichen dampften und Grabhügel

Thürmten wie Berge sich.

In Riesengestalt trat einher der Würgegeist[167]

Von Wuthgebrüll und Sterbgewinsel begleitet.

Zwanzig schreckliche Schlachten wurden geschlagen:

Oft schien das Schicksal an Friedrichs Thron zu rütteln,

Und den Goldsitz zu werfen in Staub.

Der Rauch von Friedrichs festen Städten

Wirbelte mit dem Jammergeächz'

Der Säuglinge, der Greise,

Der Schwangern, der Kranken gen Himmel,

Daß Engel ihr Antlitz bargen und traurten.

Auch fielen der Helden Friedrichs viel.

Schwerin und Keith und Kleist und Winterfeld,

Und im Entfliehen aus ihren Leibern

Kümmerten sich noch die Geister der Tapfern

Um Friedrichs Heil.

Aber der Held stand mit der Rache gezücktem Schwert,

Stand im Geschützdonner, im Säbelgeklirr;

Achtete nicht des bäumenden Rosses Hufschlag;

Nicht des Hochverraths Drachenbild,

Nicht des zaudernden Bundesgenossen,

Nicht der Acht, die ihn

Des Fanatismus Höllenwuth Preis gab,

Ja, so stand er sieben Jahre im Feld des Todes,

Hehr und frei, und groß, wie ein Gott.

Es staunten die Völker. Der Helden Geister

Nickten ihm Beifall vom Wipfel der Eichen.

Ringsum wichen von ihm die Schaaren der Hasser,

Und so stand er in seiner Heldenhoheit

Allein da!

Auf Hubertusburgs Zinne

Trat der Gerichtsengel und sprach:

Es ist genug!

– Die Donner verstummten.

Friedrich zog in seine Königsburg

Und lenkt' dem Triumph aus.


Groß und glücklich zu machen sein Volk,

War Friedrichs erhabner Gedanke.

In des Landes Wunde träuft' er Balsam.

Palläste stiegen aus Brandstätten empor.[168]

Dem Landmann gab er weisen Unterricht;

Die Musen sonnten sich wieder in Friedrichs Strahl,

Er selbst war noch immer ihr Liebling.


»Liebt euer Vaterland!

Sprecht eure Heldensprache stark und rein!

Schlürft aus der Krystallquelle,

Draus Griechenland und Latium geschlürft!

Macht durchs Geäffe weicher Auslandssitte

Erzne Knochen nicht zu Marzipan!«

Sprach er zum Biedervolke seines Reichs.

Doch nie legt' er Europens Wagschal'

Aus der Rechte. Der Gauen des Helden

Wurden ohne Schwertschlag immer mehr.

Weit hinaus in jedes Labyrinth,

Von der schlausten Staatskunst geflochten,

Sah seines hohen Auges Wetterstrahl.

Merkbar war das Wehen seines Odems

In jeder großen That der Welt.

Er wog im Verborgnen die Rechte der Fürsten.

Auch hängt er furchtlos die Wagschal' ans Schwert.

Da drängten sich Teutoniens Fürsten

In Friedrichs Felsenburg, wo der Riese

Sinnt auf dem eisernen Lager.

Sie boten ihm die Hand und nannten ihn

Den Schützer ihrer grauen Rechte, sprachen:

»Sei unser Führer, Friedrich Herrmann

Er wollt's. Da ward der deutsche Bund.


Aber immer grauer wird deine Locke,

Einziger, nie ausgesungner Mann!

Dein Haupt nickt unter deiner Thaten Gebirglast.

Bald wirst du liegen in deiner Väter Gruft,

Und der Unsterblichkeit Ruh' wird über dir säuseln.

Voran sind schon deiner Helden viele gegangen:

Dessau, Schwerin und Winterfeld,

Und Keith, und Kleist, und Seidliz, und Ziethen,

Harren deiner im Tempel der Größe.


Stark kämpftest du den Kampf des Lebens;

Stark wirst du kämpfen den Kampf des Todes.[169]

Deinen Herrschergeist gab dir Gott,

Erhalten wird dir Gott

Diesen Herrschergeist.

Huldlächelnd wird Er deiner Seele sagen:

»Du schwurst im Drange der größten Gefahr,

Als König zu denken, zu leben, zu sterben!

Und Wort hast du gehalten.

Man bring' ihm die Krone,

Die leuchtender strahlt,

Als alle Kronen der Erde!

Denn Friedrich, meines Lieblings Geist,

Ist's werth, ewig Kronen zu tragen.«

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 165-170.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
S Mmtliche Gedichte, Volume 1
S Mmtliche Gedichte, Volume 3
Gedichte. Aus der

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon