Otschakof

[188] (ein russisches Siegslied.)


Otschakof fiel! – Da liegt die gewaltige Feste!

Wir trotzten schon lange dem felsigten Neste;

Nun liegt es zertrümmert! – Singt, Russen, ins Spiel

Der Trommel und Pfeifen! – Otschakof fiel.[188]


Zwar haben die Feinde sich tapfer gehalten;

Denn Blitze zu schleudern und Speere zu spalten

Ist ihren gewaltigen Armen ein Spiel.

Doch sind sie Besiegte! – Denn Otschakof fiel.


Was kann auf der Erde uns Russen besiegen?

Wir stehen wie Berge in schrecklichen Kriegen.

Wir achten nicht Hitze, nicht Stürme, nicht Frost,

Thun männliche Thaten bei kärglicher Kost.


Wir hatten uns Höhlen ins Schneefeld gescharret,

Da dachten die Feinde: Sie liegen erstarret.

Wir aber durch zögernde Tapferkeit heiß

Verließen die Höhlen mit Haaren von Eis.


Wir packten die Feste mit rasendem Grimme,

Geführt von Potemkins gebietender Stimme.

Wir stiegen die Schanzen im Sturme hinan,

Und Anhalt, der Tapfere, machte die Bahn.


Da stürzten die Mauern und wüthig wie Bären

Bestiegen wir alle mit blanken Gewehren

Die Hügel von Schutte – bald füllte die Wuth

Die Straßen der Feste mit dampfendem Blut.


Da lagen die Türken gefallen vom Schwerte,

Verzweiflung noch zerrte die bleiche Geberde,

Sie fielen und starben mit röchelndem Weh

Und ballten im Kampfe den blutigen Schnee.


Zwar ist auch im Streite Wolkonski gefallen,

Ein tapferer Krieger, ein Vater uns allen,

Doch droben im Himmel empfängt er den Lohn,

Und Peter der Große umarmt ihn als Sohn.


Viktoria, Russen ihr Männer von Eisen!

Es lebe die mächtige Fürstin der Reußen!

Es lebe Potemkin, der Sieger und Held,

Daß Stambul, die Stolze, wie Otschakof fällt!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 188-189.
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