Palinodie

[187] Wer ist der große

Herkulische Kolosse,

Der seinen Hügel Fleisch auf Knochensäulen hebt,

Den Boden stampft, der weit herum erbebt?

Es ist Danubius mit Furchen auf der Stirne,

Im tiefen Auge Flammenblick.

Schaum fließt von seinem Bart. Er brüllt herab: Ich zürne,

Verwegner, über dich! – Zurück!

Sonst stoß' ich dir die scharfgeschliffnen Zacken

Des mächtigen Tridentes in den Nacken! –

Wie angedonnert stand ich da

Und zitterte und sah

Voll ängstlicher Erwartung nieder. –

Der Furchtbare erhob sich wieder

Und sprach: Du wagst es, du allein,

Nicht in den Lobgesang des Friedens einzustimmen?

Verschweigst des Sultans Schmach? Ich würd' ergrimmen,

Jedoch du bist für meinen Grimm zu klein. –

Ja, Friede ist's! Es wälzen meine Fluthen

Nicht mehr der Türken Aeser fort.

Und keine Flotte schwimmt auf Meerschaum hin, um dort

Im Archipelagus zu donnern und zu bluten.

Ha, Katharina siegt! Die Göttin ist es werth!

Hörst du die Friedensjubel rasen?

Wohl dir, Tatar, nun kann dein Pferd

So frei, wie du, auf sichern Steppen grasen.

Auf schwarzen Meere seh ich schon

Der Moskowiten Flaggen wehen.

Der große Peter scheint vom nahen Wolkenthron,[187]

Als Genius, den Schwimmern zuzusehen.

Mit vorgepreßtem Auge sieht Sultan

Den blassen Mond in Machmuths Fahne an

Und hört auf ihren Bäuchen,

Die überwundne Schaar der Janitscharen keuchen.

Der Erdkreis schweigt: es stutzt der Ocean

Und alles weit umher staunt Katharinen an.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 187-188.
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