[417] Auf die Nachricht von Minettens Tod.
Klage, tiefgestimmte Saite,
Aus dem weinenden Klavier!
Keinen Silberton der Freude,
Todeston entlock' ich dir!
Ach, Minetten, die dich spielte,
Die dir Geisterodem gab,
Wenn sie Lieb' und Mitleid fühlte,
Ach, Minetten deckt das Grab!
Noch seh' ich die Holde stehen,
Wie sie sanft auf mich geblickt,
Wenn ich alle meine Wehen
Mit den Saiten ausgedrückt.
Sang ich: »Ach, ich bin gefangen!«
O, wie fühlte sie mein Loos!
Bleicher wurden ihre Wangen
Und die Mitleidszähre floß.
Wenn ich Jesum Christum nannte,
Las ich es im hellern Blick,
Wie ihr Herz vor Liebe brannte,
Wie sie fühlte Christenglück!
O dann schwammen Himmelstöne
Uni mein Ohr: Die Blume fällt!
Schau sie an in ihrer Schöne,
Sie ist reif für jene Welt!
O, verherrlichte Minette!
Engel, warum stand ich nicht
Auch vor deinem Sterbebette?
Sah, wie Jesus Christus Licht
Dir die Todeswange hellte!
Wie ein Blick ins Paradies
Dir die Lust der Welt vergällte
Und dir deine Krone wies![418]
Mutter, Bruder drüben, drüben,
Dachtest du, in Christus Reich,
Wo sich Fromme ewig lieben!
Seh' ich euch, umarm' ich euch!
So entlastet von den Bürden
Dieser Zeit, gingst du zur Ruh'.
Ach, wenn Engel sterben würden,
Stürben sie so schön wie du.
Fromme Mutter, weine milder;
Bruder, klage nicht zu sehr!
Himmlisch schweben ja die Bilder
Ihrer Wonne um euch her.
Seht, im Paradiese schreitet
Sie mit ihrem Ahnherrn Veit,
Himmlisch schön und schon gekleidet
Ins Gewand der Herrlichkeit.
Sanfter werde meine Klage
Aus dem weinenden Klavier,
Dank, und Lieb', und Wehmuth sage:
Dies ist ein Geschenk von ihr!
Ach, so lang ich noch die Saite
Bebend rühre, tön' ihr Klang
Bald, Minette, deine Freude,
Bald der Freundschaft Klaggesang.
Dort seh' ich dich wieder, dorten,
Wo du Lebenswasser trinkst,
Wenn du mir an goldnen Pforten
Mit dem Rosenfinger winkst.
»Frei bist du« – O Freundin, sage
Dies zu meinem Geist einmal!
Doch Minettens Todtenklage
Schmilzt im feirlichen Choral.
Heil dir, du Gottgewählte,
Du junge Himmelsbraut!
Des Lammes Neuvermählte,
Ihm ewig nun vertraut![419]
Laß deine Blicke fallen
Herab auf unsre Noth.
Minette, wünsch' uns allen
Den schönen Christentod!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.
98 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro