Epilog zu Jean Calas

[475] Nehmt, Theuerste, für jeden holden Blick,

Den Ihr auf unsre Bühne warft, für jedes Lächeln

Eurer Huld nehmt unsern heißen Dank! –


Wenn uns das Spiel gelang, wenn da und dort

Die Thräne der Empfindung perlte,

Wenn Schauer und Entsetzen euch ergriff

Beim Radstoß in des Schwärmergeistes Faust,

So sind wir, Theuerste, so sind wir schon belohnt.


O funkelt Euch die Wonne nicht im Blick –

Daß nicht der höllentflohne Schwärmergeist

Die Gauen unsers Vaterlands durchrast,

Die Fackel schwingt und sengt, im Blute watet

Und Leichenhügel thürmt, auf die Erwürgten tritt

Und frömmelnd seiner Greuelthat sich freut;

O funkelt Euch die Wonne nicht im Blick?


Vom Himmel kam der Töchter Gottes Eine,

Im Brautgeschmeide, lieblich lächelnd

Gleich einer Frühlingsflur; sie kam,

Mit Kraft vom Ewigen gerüstet,

Der hehren Tochter Gottes Nam' ist Duldung,

Vor ihr entfloh der Schwärmergeist zum Orkus.


Des Himmels Fried' und Segen über dem,

Der dich, du gottgesandte Duldung, ehrt!

Und Fluch – es donnre Fluch auf den,

Der mit Beschwörungen – dich, Schwärmergeist,

Aus deines Orkus Schwefelgrotte ruft!


Jedoch Thalia winkt – der Vorhang rollt,

Drum beug' ich mich, Ihr Freunde unsers Spiels,

Und fleh': Seid unsrer Bühne hold!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 475.
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