Lina an die Unschuld

[416] O Unschuld, du Engel vom Himmel gesandt,

Mit goldenem Gürtel und weißem Gewand:

Gespielin der Frommen, der Seligen Lust,

Komm, Göttin, in meine jungfräuliche Brust.


Wenn Wollust, die Schlange, so lieblich gefleckt

Sich unter die Blumen des Frühlings versteckt,

Und eh' sie sich rüstet zum tödtlichen Stich,

O himmlische Göttin, so warne du mich!


Und führe mir einstens den Jüngling, wie du

So freundlich, so edel, zum Bräutigam zu.

Und endlich so bring mich an rosiger Hand

Hinüber, o Göttin, ins wonnige Land.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 416.
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