Mein letztes Wort an Regina

[431] Siegerin! versenkt in tiefes Trauern,

Ohne Kraft, die Thränen auszuschauern,

Weih' ich dir dies bange Abschiedslied.

Abgespannt sind alle meine Saiten,

Sieh, wie mir die Händ' heruntergleiten,

Ach, vom lagen Ringen sind sie müd.[431]


Schwermuth, die auf meinem Herzen brütet,

Abschiedsqual, die feurig in mir wüthet,

Macht mein Lied zum hohen Sterbgesang.

In gebrochnen, seufzenden Akkorden,

Mit erstickten, halbgesagten Worten

Sing' ich dir des Herzens vollen Drang.


Alles ist um mich in Flor gekleidet,

In dem Schleier einer Wittwe schreitet

Vor mir her die seufzende Natur.

Alles, alles schwimmt um mich in Thränen!

Nirgends find' ich Widerstrahl des Schönen,

Gräber, furchtbargähnend seh' ich nur.


Denn du gehst – des Abschieds Todesstunde

Schlitzt mir, ach! die halbgeheilte Wunde

Mit der Hand von Eisen wieder auf.

Einsam, ohne dich, o Serafine!

Wein' ich mit vom Gram durchfurchter Miene

Aus dem Kerkerstaub zu Gott hinauf.


O du Schmuck vom weiblichen Geschlechte!

Komm, ergreif mir die gesunkne Rechte,

Daß ich dir die Hände drücken kann.

Ach nur einmal mit dem Aug' voll Liebe,

Mit dem Blick, von sanfter Wehmuth trübe,

Sieh mich einmal noch, Erwählte, an.


Eile dann hinunter von dem Walle,

Ach! – begleitet von dem dumpfen Schalle

Meiner Seufzer eile dann hinab.

Gottes Engel, der die Unschuld hütet

Und den Feinden um mich her gebietet,

Leite dich mit seinem goldnen Stab.


Wenn du wühlst im strahlenden Gewebe

Deiner Saiten, Zauberin, so schwebe

Geistig meine Angstgestalt um dich.

Denk: Dort droben leidet der Betrübte,

Der mit Feuerungestüm mich liebte,

Und nun klagt und jammert er um mich.[432]


Falte dann für mich die frommen Hände,

Daß Gott meinen langen Jammer ende,

Mit der Freiheit, oder mit dem Tod.

Ach, dein Mitleid wird dir Jova lohnen,

Der schon oft die schönste seiner Kronen

Einer Seele, wie die deine, bot.


Sterb' ich, so besuche meinen Hügel,

Wo mein Leib, bedeckt vom Mutterflügel

Unsrer lieben Erd', im Grabe ruht.

Denk' in deiner schönen Seel': Hier unten

Hat der Arme einmal Ruh' gefunden

Vor dem Welthaß und Tyrannenwuth.


Ach dann wird sein Schatten um dich schweben,

Und wenn Thränen dir herunterbeben,

Wird er kühlen dir dein Angesicht.

Der Geliebte, der dir, stumm zur Seite,

Gab zu meinem Grabe das Geleite,

Liebt dich stärker dann, und eifert nicht.


Danken will ich dir in Gottes Garten,

Wo die Edlen auf einander warten,

Für die Freundschaft, die du mir geweiht.

Jede Ruh, die du in mich gegossen,

Alle Thränen, die dem Mitleid floßen,

Lohnt dir dann die Lust der Ewigkeit.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 431-433.
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