Liebe im Kerker

[57] H – ist der Ort, wo ich gefangen bin.

In Banden wein' ich hier mein Trauerleben hin,

Und immer dennoch bleibt dies unglückvolle Leben

Der Liebe Tyrannei zum Opfer hingegeben.[57]

Gezwungen tugendhaft, weil du nicht bei mir bist,

Fluch' ich der Unschuld oft, die mir beschwerlich ist.

Noch bis zur Wuth verliebt soll ich die Liebe zwingen!

Wie schwer, wie grausam ist's, bei meiner Pein zu ringen

Ach, eh' einmal die Ruh' dies arme Herz erquickt,

Eh' die Vernunft einmal die Glut in mir erstickt:

Wie oft, wie oft werd' ich noch lieben, noch bereuen,

Verlangen, hassen, flehn, verzweifeln, suchen, scheuen!

Mich mir entreißen – ja! – denn dies gebeut die Pflicht.

Und alles will ich thun, nur dich vergessen nicht.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 57-58.
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