2.

[229] Wir Blümlein keimen, dumpf und dicht,

Von Wald und Thal umgeben:

Doch eh der Kelch die Hülle bricht,

Schaut hoffnungsvoll zum goldnen Licht

Die Knosp' und grüßt das junge Leben;

Und fern dahin

Geht unser Sinn,

Wir möchten zum Himmel uns heben.


Die Bien' entsummt, das Vöglein flieht

Mit fröhlichem Gefieder:

Uns hält das irdische Gebiet,

Und wenn der frische Kelch entblüht,

So senkt er trauernd sich hernieder;

Der Duft verrinnt

Im Frühlingswind

Und kehret uns nimmer wieder.


Drum laß zu deinem Sonnenschein,

Du zartes Bild, uns fliehen;

Du bist so klar, so mild, so rein,

Du pflegst uns arme Kindelein

Gewiß mit freundlichem Bemühen;

An Liebesbrust

Lebt sich's mit Lust,

Da ist es so süß zu verblühen!

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 4, Leipzig 1819–1820, S. 229-230.
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