5.

[164] Unsel'ger Fluch der Endlichkeit: gespalten

Ist Form und Wesen, ewig abgetrennt!

Der stolzen Wohnung, die sich Schönheit nennt,

Ist stets der Fremdling Seele fern gehalten.


Das Nichts schläft in der Wunderblume Falten,

Die Lieb' und Lied verherrlicht und nicht kennt;

Suchst du der Tugend heilig Licht? es brennt

Verborgen vor der Welt, in Mißgestalten!


So sprach der Zweifel, und ein Wolkenschleier

Zog trüb sich über der Verklärung Bild,

Und eingeschüchtert floh der Mond von dannen.


Doch Sterne blieben, und mein Geist ward freier,

Denn die Erinnrung lächelte noch mild,

Und ließ sich nicht aus meinen Träumen bannen.

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 164.
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