9.

[166] Und wie mein Blick das Paar auf's neu' betrachtet,

Werd' ich gewahr, daß ihre ganze Kraft

Die Mutter deutungsschwer zusammenrafft,

Wenn sie dem Kind sich zu verständ'gen trachtet.


Des theuren Wesens Geist ist wohl umnachtet,

Und einer seiner Sinne liegt in Haft.

Ach, ihr Geberdenspiel wird Leidenschaft,

Indeß empor es halbverstehend schmachtet.


Und nun begreif' ich's: dieses Kind ist stumm!

Und nun wird's klar mir: dieses Kind ist taub,

Und liebende Verzweiflung seine Pflege!


Wie mit Gespensterfurcht seh' ich mich um,

Kalt bläs't ein Wind im Trauerweidenlaub;

Und, gleich gescheuchtem Wild, meid' ich die Wege.

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 166.
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