Der Graf von Zollern

[305] Der junge Hohenzoller Graf

Dem Württemberger dient' er brav,

Doch zu der Wittwe stolz er spricht:

»Fahrt wohl, dem Weibe dien' ich nicht!«


Sein Knappe flüstert: »Herr, wie schlimm!

Verwahret euch vor Frauengrimm!«

Er aber schrie ganz trotziglich:

»Es wird kein Weib verschlingen mich!«


Doch als er auf dem Zollern saß,

Traf ihn ein Brief am vollen Glas:

»Verschlingen alleweg will ich

Dein Gut, dein Schloß, dein Leben, dich!«


Und indem zog ein heller Hauf,

Die Städter, aus dem Thal herauf.

Es ist auf ihr beladnes Roß

Gefallen gar zu oft sein Troß.


Da zog der Graf die Brück' empor,

Verriegelt wohl sein neunfach Thor.

Er schmaus't und zecht ein ganzes Jahr,

Zum Abzug bläs't der Feinde Schar.
[305]

Da naht es schwarz, ein neues Heer,

Zweitausend sind es, oder mehr.

Der Knappe spricht: »Gnad' uns, o Christ,

Die wirtemberg'sche Fahn' es ist!«


Der kühne Graf kämpft noch ein Jahr,

Bis Scheune leer und Keller war.

Er beißt die Lippen sich vor Wut:

»Verschlungen hat sie doch mein Gut!«


Die Thore schließt er traurig auf,

Es zieht herein der Feinde Hauf,

Die Ulmer brechen Stein um Stein,

Die Wirtemberger lachen drein.


Gen Stuttgart führt man ihn zu Roß:

»Verschlungen habt Ihr, Frau, mein Schloß;

Ihr ließet mir kein Lösepfand,

Mein Leben steht in Eurer Hand.«


Die stolze Gräfin winket stumm,

Und lächelt arg und kehrt sich um,

In's ferne Land, in einen Thurm

Schickt sie den Feind zu Molch und Wurm.


Zehn Jahre wohnt der Graf im Graus,

Sein Haar wird grau, sein Blick lischt aus,

Da sinkt er traurig in das Knie:

»Verschlungen hat mein Leben sie.«


Jetzt thut sich auf das Kerkerthor,

Sein Knappe richtet ihn empor:

»Frei seid ihr, Herr, an Seel' und Leib,

Im Grabe liegt das grimme Weib.«


Er tritt hervor au's Himmelslicht

Und hebt sein bleiches Angesicht,

Und reckt empor zum Schwur die Hand:

»Fort, fort in das gelobte Land!


Mich hat sie mir gelassen, mich!«

Er schwingt, wie sonst, zu Rosse sich,

Er fliegt durch die besonnte Flur,

Und denkt an Gottes Fehde nur!
[306]

Er springt vom Pferd, er steigt in's Schiff,

Er schwimmt vorbei am Felsenriff,

Er ist der erste auf dem Strand,

Er fasset das gelobte Land. –


Da spürt sein Odem erst die Gruft,

Und seine Brust die Kerkerluft;

Die Kraft, im Innersten versehrt,

Ihr Letztes hat sie aufgezehrt.


Dem Knappen sinkt er in den Arm,

Der Morgenwind umhaucht ihn warm,

Sein sterbend Haupt, es neiget sich,

Er seufzt: »Verschlungen hat sie mich!«

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 305-307.
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