Das Glaswappen von Frauenfeld

[373] Es steht in hellrem Glanze

Kein Wappen in der Welt

Als das von Frauenfeld.

Auf buntem Glas, im lichten Bilderkranze

Umschlingt es eine blühende Romanze.


Schaut! dort zu oberst reitet –

Die Hengste lauter Glut,

Das edelste Vollblut –

Der Graf, vom schönsten Töchterlein begleitet,

Zur Jagd, und Diener gnug, und Alles schreitet.


Nun links – die Jagd begonnen;

Ein grün und sonnig Bild:

Im Walde Hund und Wild;

Doch tief im Busch und aus dem Licht der Sonnen

Ein Ritter bei der Maid in Liebeswonnen.


Jetzt – vor dem Grafen stehet

Der Buhle, herzenswund;

Alles bekennt sein Mund.

Der Graf, vom gelben Mähnenhaar umwehet,

Kehrt ab das Haupt und hört nicht was er flehet.


Dann – vor der Klosterpforte

Am moosigen Gebäu

Ein Mägdlein, nicht in Reu',

Fußfällig vor dem Abt, dem einz'gen Horte,

Auf ihrer Lippe schweben Flehensworte.


Rechts aber – vor dem Grafen

Der Abt, im härnen Kleid;

Er klagt der Tochter Leid;

Sein Blick beschwöret, nicht zu hart zu strafen.

Im Vaterauge geht der Zorn schon schlafen.
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Und nun – der Graf in Handen

Hält dort ein Pergament,

Die farb'ge Letter brennt.

Das Töchterlein, schamrot, hat eingestanden,

Ein Lehn empfängt es an der Statt von Banden.


Zuletzt – die Burg erbauet;

Mit frischem Ziegelstein

Gedeckt, wie lädt sie ein!

Und durch das Thor ein lächelnd Paar, getrauet,

Zieht ein der Ritter mit der Braut, o schauet!

Und mitten – lichtdurchdrungen

In purpurnem Gewand

Ein Frauenbild, zur Hand

Den roten Löwen, von der Kett' umschlungen:

Die Lieb' ist's, die den Vatergrimm bezwungen.

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 373-374.
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