Palermo, auf dem Paketboote

[442] Mein alter Wirt schickte mich zu einem neuen, seinem Freunde, weil sein Haus voll war. Ich war hier ebenso gut wie dort und noch etwas billiger und hatte überdies die Aussicht auf den Hafen. Nun habe ich wieder meinen Reisegefährten von Seehund, welcher den Maro mit einigen andern Kameraden hält. Die Zeit wird mir aber so wenig lang, daß ich nur selten die alten Knaster aus dem Felle nehme.

Vor einigen Tagen war hier Osterjahrmarkt am Hafen, auf welchen die Palermitaner etwas zu halten scheinen, wo aber außer einigen Quinquaillerien nicht viel zu haben ist. Man hat wenigstens dabei die Gelegenheit, fast die ganze galante Welt von Palermo spazierengehen und –fahren zu sehen. Man sieht hier mehr schöne Wagen als in Messina, ob dort gleich im allgemeinen mehr Wohlstand zu sein scheint. Es herrscht hier, wie fast an allen Höfen, Verschwendung und Armut. In Messina ist man in Gefahr, von den Wagen etwas gerädert zu werden; aber hier hat man für die Fußgänger am Strande einige Wege gemacht, die für schön gelten. Du magst darüber Herrn Hager lesen, ich kann Dir nicht alles erzählen. Noch einmal habe ich die Promenade auf den Monte Pellegrino[442] gemacht, als ob ich auch ein heiliger Pilger wäre. Mich lockte bloß die Aussicht, wiewohl auch die meisten andern Pilger bloß irgendeine Aussicht locken mag. Das Wetter war mir wieder nicht günstig; ich ließ mich indessen nicht abhalten und stieg bis ziemlich auf den höchsten Gipfel des Felsenbergs hinauf. Wo das Kloster steht, ist ein Absatz von etwas fruchtbarem Erdreich, das noch sehr gutes Getreide hält. Ich ging hinaus bis an die äußerste Spitze, wo eine Kapelle der heiligen Rosalia steht mit ihrem Bilde, das füglich etwas besser sein sollte. Die Fremden aller Länder hatten sich hier verewigt und mir wenig Platz gelassen. Alles war voll, und Stirne und Wange und Busen des heiligen Rosalienmädchens waren beschrieben; es blieb mir also nichts übrig, als ihr meinen Namen auf die Nasenspitze zu setzen. Vielleicht dachte jeder durch Aufsetzung seines Namens, das Gemälde zu verbessern; die Nasenspitze ist wenigstens durch den meinigen nicht verdorben worden; und dieses ist das einzige Mal, daß ich auf der ganzen Wandlung meinen Namen geschrieben habe, wenn mich nicht die Polizei dazu nötigte.

Zwischen diesem isolierten Felsen und der höheren Bergkette liegt ein herrliches kleines Tal, das sich von der Stadt immer enger bis an die See vorzieht. Es ist von der Natur reichlich gesegnet, und der Fleiß könnte noch mehr gewinnen. Hier muß nach der Topographie das Städtchen Hykkara gelegen haben, aus welchem Nicias die schöne Lais holte und nach Griechenland brachte. Weiter hinaus suchte ich mit meinen Hofmannischen Augen den Eryx bei den Trapani und knüpfte in vielen schnellen Übergängen Wieland, Aristipp und die eryzinische Göttin zusammen. Weiß der Himmel, wie ich in diesem Thema auf den Hudibras kam; die Ideenverbindung mag wohl etwas[443] schnell und gesetzlos gewesen sein, und ich halte es nicht für wichtig genug, sie wieder aufzusuchen. Ich guckte also hin nach Trapani und sang oder murmelte vielmehr nach einer beliebten Melodie aus Mozarts Zauberflöte die schönen harmonischen Verse von Butler, die ich immer für ein Meisterstück der Knittelrhythmik gehalten habe. Sie paßten vortrefflich zur Melodie des Vogelfängers. Also ich brummte:


So learned Taliacotius from

The brawny part of porters bum

Cut supplemental noses, which

Would last as long as parent breech,

And as the date of Knock was out,

Off dropt the sympathetic snout.


Ich hatte in meinem musikalischen Enthusiasmus nicht auf den Weg Achtung gegeben, und kaum hatte ich die letzte Zeile gesungen und wollte die erste wieder anfangen, so fiel ich auf die Nase, welches mir selbst auf den Ätna nicht begegnet war, wo doch die Landsleute Butlers in ihren Strümpfen alle sehr oft zu Falle kamen. Hatte vielleicht die Göttin von Amathunt und vom Eryx die Profanation rächen wollen? Die Nase blutete mir. Besser die Nase als das Herz, dachte ich. Auch dieses war mir wohl ehedem etwas enge gewesen, jetzt war ihm längst wieder leicht. Ich hatte aus Gewohnheit noch ein kleines, niedliches Madonnenbildchen an einer seidenen Schnur am Halse hangen, das mir oft das Prädikat der Katholizität erworben hatte. Das Original hatte mich königlich betrogen. Jetzt nahm ich es unwillkürlich von der linken Seite, nach welcher sich das Idolchen immer neigte, schloß unwillkürlich das Glas auf, nahm das elfenbeinerne Täfelchen heraus und erschrak, als ich es heftig unwillkürlich in zehn Stücke zersplittert zwischen[444] dem Daumen hielt. War das lauter Rache Rosaliens und der vom Eryx? Mögen sie sich an niemand bitterer rächen! Ich hielt die Trümmerchen in der Hand; Freund Schnorr mag verzeihen, er hatte mit Liebe an dem Bildchen gepinselt. Einige Minuten hielt mich Phantasus noch mit Wehmut am Original; ich saß auf einem Felsenstücke des Erkta und sah es im Geist an der Spree im goldenen Wagen rollen. Rolle zu! Und so flogen die Stücke mit der goldenen Einfassung den Abrund hinunter. Ehemals wäre ich dem Bildchen nachgesprungen –; noch jetzt dem Original. Aber ich stieg nun ruhiger den Schneckengang nach der Königsstadt hinab; die rötlichen Wölkchen vom Ätna her flockten lieblich mir vor den Augen. Ich vergaß das Gemälde, möge es dem Original wohlgehen!

Ich hatte mich bis tief in die Nacht verspätet und wurde zu Hause gräßlich bewillkommt. Aber da muß ich Dir noch mehreres erzählen, ehe Du dieses gehörig verstehst. Du erinnerst Dich des guten Steuerrevisors, der sich in Agrigent meiner so freundschaftlich annahm, daß er mir fast die Menschheit streitig machte. Kaum hatte ich in meinem Wirtshause die erste Nacht ausgeschlafen, als mein Steuerrevisor zu mir hereintrat. Das tat mir nun recht wohl, denn wer freut sich nicht, daß sich jemand um ihn bekümmert? Er erzählte mir, er sei meintwegen in großem Schrecken gewesen, als der Eseltreiber zurückgekommen, und habe geglaubt, ich werde nun sicher umkommen, da ich allein ohne Waffen in der Insel herumlaufe. Der Mauleseltreiberjunge, mein Begleiter, sagte er mir zum Trost, sei völlig von der Paste wieder genesen, und er habe die zwei Unzen, bis auf den Abzug einiger Kleinigkeiten, ihm wieder herausgeben müssen. Gut, dachte ich; also wieder zwei Unzen gerettet; ich kann sie brauchen. Sogleich nach seiner Ankunft in Palermo[445] habe er sich nach meinem Wirtshause erkundigt und es bald erfahren. Nun sei er seit acht Tagen täglich da gewesen, um nachzufragen. Heute früh habe er meine Ankunft erfahren und sei sogleich hierher zu mir geeilt. Nun lud er mich ein, zu ihm in sein Haus zu ziehen. Das war mir indessen nicht ganz recht, denn ich wäre lieber geblieben, wo ich war. Aber der Mann bat so freundlich, war so besorgt gewesen; ich packte also ein und ließ hintragen. Er wohnte vor dem Tore nach Montreale. Wir aßen, und seine Frau, eine heiße zelotische und nicht unfeine Sizilianerin, fing nun meine Bekehrung an. Das Examen ging über Tische und zum Dessert von Artikel zu Artikel, von dem Papste und den Mönchen bis auf die unbefleckte Empfängnis. Das Letzte war das Allerheiligste, von dem ich nichts wußte. Die gute Frau hätte, wie es schien, lieber ihre eigene Keuschheit in Gefahr gesetzt, als das geringste von der Jungfernschaft Mariens aufgegeben. Man sprach mit aller Wärme und Salbung, mich zu überzeugen; aber vergebens. Man fing nun an, mir Aussichten zu eröffnen: ja, lieber Gott, wenn ich ein anderer Kerl wäre, als ich bin, könnte ich im Vaterlande Aussichten haben, wo man sie doch am liebsten hat. Don Juan, fatevi cristiano, e statevi in Sicilia. – Ma lo sono. – Ma non siete cattolico. – Io sono bene cosi; non si puo megliò. Die Frau aß im Eifer Bonbons und trank Wein und war heftig; und da ich denn trocken halsstarrig fortblieb, rief sie in heiliger Wut aus, indem sie den Teller von sich stieß: »Ma voi altri voi siete tutti baroni f-t-ti.« Über diese Naivität erschrak ich und wäre jetzt für zwei Unzen gern zurück in meinem Wirtshause gewesen. Nach Tische ging ich zu Rosalien, wie ich Dir erzählte. Ich glaubte, das Haus meines neuen Wirtes recht gut gemerkt zu haben, und irrte mich doch: ich kam in ein unrechtes. Nun wollte[446] ich eben fragen, ob hier Don Filippo wohne, als ein Kerl Ladro, briccone, furfante herausschrie und wütend mit dem Messer auf mich zustürzte. Ich hob so schnell ich konnte die Eisenzwinge meines Knotenstocks, flüchtete ebenso schnell zum Hause hinaus und eilte die finstere Gasse hinunter. Die Nachbarschaft geriet in Lärm; eine schöne Nachbarschaft, dachte ich, und ging in mein altes Gasthaus. Dort war ich sehr willkommen. Ich hatte mich eben zu Bette gelegt, als der Herr Steuerrevisor kam und mich aufsuchte. Er hatte den Lärm gehört und war meinetwegen in Todesangst. Ich erzählte ihm mein Abenteuer und sagte, daß ich in einer solchen Nachbarschaft nicht wohnen möchte; er ließ aber nicht nach, bis ich ihm versprach, morgen wieder zu ihm zu kommen, denn diesen Abend war ich nicht wieder aus dem Bette zu bringen. Den andern Morgen war er wieder sehr früh da und holte mich ab. Nun lebten wir leidlich ordentlich einig Tage, das Vorgefallene wurde bedauert und meine Ketzerei weiter nicht mehr als nur im allgemeinen in Anspruch genommen. Aber wenn wir zuweilen zusammen ausgingen, welches der Herr sehr gut zu veranstalten wußte, hatte er immer etwas zu kaufen und kein Geld bei sich; ich war also ziemlich stark in Auslage und bezahlte jede Mahlzeit dadurch sehr teuer. Ich mußte Geld haben von dem Kaufmann, und er erbot sich sogar, meine Geschäfte bei ihm zu machen, da ich doch der Sprache nicht recht mächtig wäre. Aber dazu war ich bei aller meiner indolenten Gutherzigkeit denn doch schon zu sehr gewitzigt, dankte und verbat seine Mühewaltung und holte meine Barschaft nicht eher, als bis ich abreisen wollte. Er half mir zuletzt noch manches besorgen, und da er sich meinetwegen bei Nacht etwas enrhümiert hatte, mußte ich bei dem schlechten Wetter mit ihm doch wohl einen[447] Wagen nehmen. Hier erzählte mir der Mann sehr naiv etwas näher seine Amtsbeschäftigungen. Wir müssen, sagte er, in der Insel herumreisen, die rückständigen Steuern einzutreiben, und im Namen des Königs den Leuten Kleider, Betten und das übrige Hausgerät wegnehmen, wenn sie nicht bezahlen können. Es packte mich bei diesen trockenen Worten eine Kälte, daß ich im Wagen meine Reisejacke dichter anzog und unwillkürlich nach meinem Halstuche griff. Die zwei Unzen wurde vergessen, und ich erinnerte nicht, ob ich sie gleich nun lieber dem Mauleseltreiber gelassen hätte, der so großen unglücklichen Appetit an der Paste hatte. Überdies war ich mit vielem in Auslage, und es war mir sehr lieb, als der Kapitän an Bord rufen ließ. Er begleitete mich bis ans Wasser im Wagen mit seinen beiden kleinen Mädchen, die in der Tat allerliebst niedliche Geschöpfchen waren. Beim Abschied in meiner Kajüte bat er sich noch eine Unze zum Geschenk für diese aus; ich ungalanter Kerl zog mürrisch die Börse und gab ihm schweigend das Goldstück hin. Er hatte mir es sehr verübelt, daß ich mir auf dem Paketboote ein Zimmer für mich genommen und mich an die Tafel des Kapitäns verdungen hatte. Das war, nach seiner Meinung, Verschwendung, und ich hätte für das Viertel der Summe mich lieber unter die Takelage des Raums sollen werfen lassen. Ein erbaulicher Wirt, der Herr Steuerrevisor! Der Wind blieb widrig, wir fuhren nicht ab, und ich zog lieber wieder hinaus ins Wirtshaus; sogleich suchte er mich wieder auf und wollte mich wieder zu sich haben. Der Mensch ward endlich unerträglich zudringlich und weggeworfen unverschämt, und ich mußte noch bei einigen Partien für ihn bezahlen. Um mich aber endlich recht bestimmt, nach der schicklichsten Weise für ihn, zu benehmen, aß ich in einem Speisehause unbefangen[448] mit großem Appetit ein Gericht nach dem andern, ohne ihn einzuladen oder für ihn zu bestellen. Nun wünschte er mir endlich gute Reise, und ich sah ihn nicht wieder, den Herrn Steuerrevisor Don Filippo – seinen Geschlechtsnamen will ich vergessen. Sterzinger, mit dem ich nachher noch sprach, kannte ihn und lachte. Er hatte in der Welt mehrere gelehrte und merkantilische Metamorphosen gemacht, bis er zu seiner witzigen Würde gedieh. Der Himmel lasse ihn meine Unzen zur Besserung bekommen!

Das Gebäude des botanischen Gartens hinter der Flora am Hafen ist nun fertig. Der Franzose Julieu hat es gezeichnet, und ein Palermitaner es nach dem Riß aufgeführt. Die Sizilianer sind mit der Ausführung, aber nicht mit der Idee zufrieden. Wo man rechts und links, auf der Insel und dem festen Lande, noch so viele Monumente griechischer Kunst hat, ist man freilich etwas schwierig. Die Säulen sind nicht rein und oben und unten verziert. Der Saal ist nach der Anlage des Linneischen in Schweden und vielleicht einer der prächtigsten dieser Art. Rundumher stehen die Büsten der großen Männer des Fachs in Nischen, von Theophrast bis zu Büffon. Dem Zeichner des Gebäudes hat man die Ehre angetan, sein Gesicht unter einem andern alten Namen mit darunter zu setzen, eine eigene sonderbare Art von Belohnung!

Der alte Cassero oder Corso, in allen italienischen Städten von Bedeutung die Hauptstraße, hat jetzt seinen Namen verändert und heißt Toledo nach der Hauptstraße von Neapel, vermutlich dem anwesenden Hofe eine Schmeichelei zu machen. Übrigens muß der Hof eben nicht außerordentlich geliebt sein, denn ich habe oft gehört, daß man nie so schlechtes Wetter auf der Insel gehabt als die vier Jahre, solange der Hof hier sei.[449]

Die Polizei scheint hier nicht sehr genau zu sein oder berechnet Dinge nicht, die es doch wohl verdienten. Vor einigen Tagen führte man auf einer breiten Gasse öffentlich ein Banditendrama auf. Es war sogar Militärwache dabei, um Ordnung zu halten, und die ganze Gasse war gedrängt voll Zuschauer. Die Schauspieler arbeiteten gräßlich schön, und der Held hätte dem Handwerk Ehre gemacht. Freilich wird er mit poetischer Gerechtigkeit wohl im Stücke seine Strafe erhalten, aber dergleichen Szenen, wo noch so viel natürliche heroische Kraft und Deklamation ist, sind zu blendend, um in Unteritalien auf öffentlichen Plätzen unter dem größten Zulauf gegeben zu werden. Man zahlt nichts, jeder tritt hin und schaut und nimmt was und wie viel er will. Haben doch sogar Schillers Räuber einmal Unfug bei uns angerichtet. Auf diese Weise kommt man dem siedenden Blute nicht wenig entgegen. Auch ist das Messer noch ebensosehr im Gebrauch und vielleicht noch mehr als vor zwanzig Jahren. Ich hatte vor einigen Tagen ein Schauspiel davon. Ich ging den Morgen aus; ein Kerl schoß blutig an mir vorbei und anderer mit dem Dolche hinter ihm her. Es sammelte sich Volk, und in einigen Minuten war einer erstochen und der Mörder verwundet entlaufen. Die Wache, welche nicht weit davon stand, tat, als ob sie gar nichts zu tun hätte. »Sie haben einen erschlagen« klingt in Sizilien und Unteritalien nicht härter als bei uns, wenn man sagt »es ist einer berauscht in den Graben gefallen.« Nur gegen die Fremden scheinen sie aus einer alten religiösen Sitte noch einige Ehrfurcht zu haben. Sie erstechen sich untereinander bei der geringsten Veranlassung, hörte ich einen kundigen wahrhaften Mann urteilen; aber ein Fremder ist heilig. Ich möchte mich freilich nicht zu sehr auf meine fremde Heiligkeit verlassen, aber die Sache ist nicht[450] ohne Grund. Ich blieb, zum Beispiel, zwischen Messina und Palermo in einem einzelnen Hause, dessen zwei handfeste Besitzer ich gleich beim ersten Anblick klassifiziert hatte. Alles bestätigte meinen Argwohn und meine Besorgnis. Man speiste mich indessen leidlich und machte mir sodann ein Lager auf einer Art von Pritsche, so daß alle Schießgewehre und Dolche in einem Winkel zu meinem Kopfe lagen. Man machte mich auch darauf aufmerksam, daß ich allein bewaffnet wäre, und ich schlief nun ziemlich ruhig.

Nach Sankt Martin bin ich nicht gekommen, weil das Wetter beständig sehr unfreundlich war und ich mich die letzten Tage nicht entfernen durfte, da man mit dem ersten guten Winde abfahren wollte. Die Mönche dort oben sollen die prächtigste Mast in der ganzen Christenheit haben. Wenn das Christentum schuld an allem Unheil wäre, das man bei seinen Priestern und durch seine Priester sieht, so wäre der Stifter der hassenswürdigste der Menschen. Das astronomische Observatorium auf dem Schlosse konnte ich nicht füglich sehen, weil Piazzi nicht zugegen war. Übrigens bin ich auch ein Laie am Himmel. Vielleicht hat es eine wohltätige Wirkung auf die Insel, daß die Sizilianer nun ihre Göttin unter den Sternen finden; bisher haben sie das Heiligtum der Ceres und ihre Geschenke gewissenlos verachtet. Eine vaterländische Neuigkeit ist mir noch aufgestoßen. Der Kaiser Karl der Fünfte hat um Sizilien große Verdienste, und sein Andenken ist billig den Insulanern ehrwürdig. Überall findet man noch Arbeiten von ihm, die seinen tätigen Geist bezeichnen, und die jetzt vernachlässigt und vergessen werden. Die Wachtürme rundumher, die er nach seiner afrikanischen Unternehmung aufführen ließ, zeigen von seinem Mut und der damaligen Kraft der Insel. Auch der Molo des Hafens von Agrigent ist[451] von ihm. Seine Bildsäule steht also in Palermo fast mitten in der Stadt am Toledo auf einem freien Platze; aber mit einem Bombast, der nicht in der Natur des Mannes lag. Er hat in der Inschrift eine lange Reihe Beinamen und heißt unter andern, vermutlich wegen der Schlacht, auch der Sachse und Hesse. Könnte man nun unsern Kurfürsten Moritz, dessen Enkomiast ich übrigens nicht ganz unbedingt werden möchte, nicht wegen der Ehrenberger Klause den Östreicher und Spanier nennen? Sein Sieg war bedeutend genug und die Folge des Tages für die Protestanten auf immer wichtig.

Quelle:
Johann Gottfried Seume: Prosaschriften. Köln 1962, S. 442-452.
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