Vierte Szene

[515] Zimmer im Hause des Herrn Page.


Fenton und Jungfer Anne Page treten auf.


FENTON.

Nein, deines Vaters Gunst gewinn' ich nicht;

Drum nicht an ihn verweise mich, mein Annchen!

ANNE.

Doch ach! was dann?

FENTON.

Sei nur einmal du selbst![515]

Er wendet ein, ich sei zu hoch von Abkunft;

Und weil Verschwendung mir mein Gut beschädigt,

So woll' ich's nur durch sein Vermögen heilen:

Dann schiebt er andre Riegel mir entgegen:

Mein vorig Schwärmen, meine wilden Freunde;

Und sagt mir, ganz unmöglich dünk' es ihn,

Daß ich dich anders liebt', als um dein Geld.

ANNE.

Wer weiß, er hat wohl recht?

FENTON.

Nein, steh' mir so der Himmel künftig bei!

Zwar leugn' ich nicht, daß deines Vaters Reichtum

Der erste Anlaß meiner Werbung war:

Doch werbend fand ich dich von höherm Wert

Als Goldgepräg' und Beutel wohl versiegelt;

Und deines Innern echte Schätze sind's,

Wonach ich einzig trachte.

ANNE.

Oh, Herr Fenton,

Sucht doch des Vaters Gunst; o sucht sie, Lieber,

Und wenn demütig Flehn und günst'ge Zeit

Ihn nicht gewinnt, – nun dann, – hört, kommt hieher!


Fenton und Anne gehn auf die Seite.


Schaal, Schmächtig und Frau Hurtig kommen.


SCHAAL. Fallt ihnen in die Rede, Frau Hurtig; mein Vetter soll für sich selbst reden.

SCHMÄCHTIG. Ich werde mir einmal ein Herz anfassen; Blitz, es will nur gewagt sein.

SCHAAL. Laß dich nicht angst machen!

SCHMÄCHTIG. Nein, sie soll mich nicht angst machen; davor ist mir gar nicht bange; es ist nur, daß ich mich fürchte.

FRAU HURTIG. Hört einmal; Junker Schmächtig hätte Euch ein Wort zu sagen.

ANNE. Ich komme. –

Zu Fenton.

Dies ist meines Vaters Wahl.

Oh, welche Masse häßlich schnöder Fehle

Sieht schmuck aus bei dreihundert Pfund des Jahrs! –

FRAU HURTIG.

Nun, was macht denn der liebe Herr Fenton?

Ich bitt' Euch, auf ein Wort!

SCHAAL.

Da kommt sie; nun mach' dich an sie, Vetter; ach,

Junge, du hatt'st einen Vater, ...[516]

SCHMÄCHTIG. Ich hatt' einen Vater, Jungfer Anne, – mein Onkel kann Euch hübsche Späße von ihm erzählen: bitt' Euch, Onkel, erzählt Jungfer Anne 'mal den Spaß, wie mein Vater zwei Gänse aus einem Stalle gestohlen hat, lieber Onkel!

SCHAAL. Jungfer Anne, mein Vetter liebt Euch! –

SCHMÄCHTIG. Jawohl, so sehr als irgend eine Frauensperson in Glostershire.

SCHAAL. Er wird Euch halten wie eine Edelfrau.

SCHMÄCHTIG. Ja, wie sich's ein Mensch wünschen kann; aber unter dem Stande eines Squire.

SCHAAL. Ein Wittum von hundertundfunfzig Pfund wird er Euch aussetzen.

ANNE. Lieber Herr Schaal, laßt ihn für sich selbst werben!

SCHAAL. Ei wahrhaftig, ich danke Euch; ich danke Euch für den guten Trost. – Sie ruft Euch, Vetter; ich will Euch allein lassen.

ANNE. Nun, Herr Schmächtig?

SCHMÄCHTIG. Nun, liebe Jungfer Anne?

ANNE. Was ist Euer Wille?

SCHMÄCHTIG. Mein Wille? Mein letzter Wille? O Sappermentchen! Das ist ein hübscher Spaß, mein' Seel'! Meinen Willen habe ich noch nicht aufgesetzt, Gott sei Dank! Nein, so eine kränkliche Kreatur bin ich noch nicht, dem Himmel sei Dank!

ANNE. Ich meine, Herr Schmächtig, was Ihr von mir wollt?

SCHMÄCHTIG. Mein' Seel', ich für meine Person, ich will wenig oder nichts von Euch. Euer Vater und mein Onkel haben's in Gang gebracht: wenn's mir beschert ist, gut, wenn's mir nicht beschert ist, – nun, wer's Glück hat, führt die Braut heim. Die können Euch erzählen, wie's gekommen ist, besser als ich. Fragt einmal Euern Vater; hier kommt er.


Page tritt auf mit seiner Frau.


PAGE.

Nun, mein Herr Schmächtig? Lieb' ihn, Tochter Anne! –

Ei, was ist das? Was macht Herr Fenton hier?

Ihr kränkt mich, daß ich Euch so oft hier finde;

Ich sagt' Euch, Herr, mein Kind sei schon versprochen.

FENTON.

Nun, mein Herr Page, seid nicht ungeduldig![517]

FRAU PAGE.

Lieber Herr Fenton, laßt das Mädchen gehn!

PAGE.

Sie ist Euch nicht bestimmt.

FENTON.

Wollt Ihr mich hören?

PAGE.

Nein doch, Herr Fenton.

Kommt jetzt, Herr Schaal, komm mit, Sohn Schmächtig, komm!

Da Ihr Bescheidwißt, kränkt Ihr mich, Herr Fenton.


Page, Schaal und Schmächtig ab.


FRAU HURTIG.

Sprecht mit Frau Page!

FENTON.

Liebste Frau Page, weil ich für Eure Tochter

So lautre Absicht heg' und treu Gemüt,

Muß ich, unhöflich diesem Schelten trotzend,

Vorwärts die Fahne meiner Liebe tragen

Und nimmer weichen; gönnt mir Euern Beistand!

ANNE.

O Mutter, gebt mich nicht dem Narr'n zur Frau!

FRAU PAGE.

Ich will's auch nicht; ich weiß 'nen bessern Mann.

FRAU HURTIG.

Das ist mein Herr, der Herr Doktor. –

ANNE.

Ach, lieber grabt mich doch lebendig ein

Und werft mich tot mit Rüben!

FRAU PAGE.

Geh, mach' dir keine Sorge! Hört, Herr Fenton,

Ich will Euch Feindin nicht noch Freundin sein:

Das Mädchen frag' ich erst, wie sie Euch liebt,

Und wie ich's finde, lenk' ich meinen Sinn.

Bis dahin lebt mir wohl; – sie muß nun gehn,

Sonst schilt der Vater uns.


Frau Page und Anne gehn ab.


FENTON.

Lebt wohl denn, werte Frau! Leb wohl, mein Annchen!

FRAU HURTIG. Das hab' ich gemacht. – Nein, sagt' ich, wollt Ihr Euer Kind an so 'n Narr'n wegwerfen und an so 'n Doktor? Seht Euch einmal den Herrn Fenton an! Das hab' ich gemacht.

FENTON. Ich dank' dir; und ich bitt' dich, noch heut' abend Gib Annchen diesen Ring! – Nimm das für dich! Geht ab.

FRAU HURTIG. Nun, der Himmel schenke dir seinen Segen! Ein liebreiches Herz hat er, unser eins liefe ja gern durchs Feuer und Wasser für so ein liebreiches Herz. – Aber ich wollte doch, daß mein Herr Jungfer Anne bekäme, oder ich wollte,[518] daß Herr Schmächtig sie bekäme, – oder, mein' Seel', ich wollte, daß Herr Fenton sie bekäme. Ich will für alle drei tun, was ich kann: denn das hab' ich versprochen, und ich will auch ehrlich Wort halten; aber recht spezifisch dem Herrn Fenton. – Nun, jetzt muß ich ja noch mit einem andern Gewerbe von meinen beiden Frauen zu Sir John Falstaff; was für 'n Schaf bin ich, so was zu vertrödeln!


Sie geht ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 515-519.
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