Erster Auftritt.

[5] FAUST in seinem Studierzimmer vor einem Tisch mit aufgeschlagenen mächtigen Folianten.

So weit hab ichs nun mit Gelehrsamkeit gebracht,

Daß ich allerorten werd ausgelacht.

Alle Bücher durchstöbert von vorne bis hinten

Und kann doch den Stein der Weisen nicht finten.

Jurisprudenz, Medicin, Alles umsunst,

Kein Heil als in der negromantischen Kunst.

Was half mir das Studium der Theologie?

Meine durchwachten Nächte, wer bezahlt mir die?

Keinen heilen Rock hab ich mehr am Leibe

Und weiß vor Schulden nicht wo ich bleibe.

Ich muß mich mit der Hölle verbünden

Die verborgenen Tiefen der Natur zu ergründen.[5]

Aber um die Geister zu citieren

Muß ich mich in der Magie informieren.

STIMME ZUR LINKEN Baß.

Verlaß das Studium der Theologie

Und ergieb dich dem Studium der Magie,

Wenn du glücklich willst auf Erden

Und im Wißen vollkommen werden.

STIMME ZUR RECHTEN Discant.

Faust! Faust! laß dich nicht verblenden!

Ergieb dich nicht der Magie!

Bleibe bei der Theologie,

So wird noch alles glücklich enden.

FAUST aufspringend.

Stimme zur Linken, Stimme zur Rechten!

Wem soll ich glauben, wer räth mir zum rechten?

Ich muß doch näher fragen beede:

Stimme zur Rechten, wer bist du, rede!

STIMME ZUR RECHTEN.

Dein Schutzgeist![6]

FAUST.

Das kann Jeder sagen.

Stimme zur Linken, laß Du dich fragen:

Wer bist du?

STIMME ZUR LINKEN.

Ein Abgesandter

Aus Plutos Reich, hiehergekommen

Dich glücklich zu machen und vollkommen.

FAUST.

Vielleicht des Teufels Anverwandter.

Doch machst du mich glücklich und vollkommen,

Das ist mein Wunsch, das muß mir frommen.

Stimme zur Rechten, laß ab von mir;

Stimme zur Linken, ich folge dir:

Mache mich glücklich und ohne Fehle.

STIMME ZUR RECHTEN.

Weh deiner armen Seele!

MEHRERE STIMMEN ZUR LINKEN.

Hahahaha![7]

FAUST.

Sonderbar!

Mein Schutzgeist weint, die Andern lachen.

Doch jetzt genug von diesen Sachen,

Mein Famulus kommt.


Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 5-8.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon