Aussicht

[75] Durch der Dämm'rung grauen Nebelschleier,

Steigt mein nassgeweinter Blick empor,

Phöbus hebt sich, vor des Tages Feier

Weicht der Schöpfung bleicher Trauerflor!

So verklärt sich nach dem Sturm des Lebens

Alles dort im schönern Vaterland,

Keine Thräne trank der Staub vergebens,

Sie ward aufgefasst von Gottes Hand!


Nebel schwinden; und der Tag schwebt freier

Ueber goldbesäumte Wolken her,

In der Morgenröthe Rosenschleier

Röthet sich die Schöpfung um mich her.

Also wird, nach diesen Labyrinthen,

Einst mein seliger entbundner Geist,

Gottes dunkeln weisen Rath ergründen,

Der mich rauhe Pfade wandeln heisst!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 75-76.
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