Dreisilbige Charade

[272] Beglückt dich mein Erstes in höherem Sinn,

Dann wird dir der edelsten Freude Gewinn,

Die reinsten, die süssesten Wonnen sind dein:

Heil Allen, die dann deiner Freundschaft sich freun!


Ward ich, im gemeineren Sinne, dein Loos,

Wie schwellt dich der Dünkel, wie glaubst du dich gross!

Da decket der Zufall der Blössen so viel,

Das Edelste wird dann dem Wahne zum Spiel.


So hebt auch mein Zweites des Redlichen Brust

Mit süssem Bewusstseyn, mit himmlischer Lust;

Ihn reizt nicht der falsche, der flimmernde Glanz,

Ihm reichet die Tugend den stralenden Kranz.


Hier lebt es beglückend, dort macht es gemein,

Da macht es selbst Kluge verächtlich und klein;

Wie wandelt hochtrabend dies Laster einher,

Wie macht es die seichtesten Köpfe so schwer!


So lächerlich, als ich vereinigt auch bin,

So folgenschwer wirkt oft mein kindischer Sinn.

Der Maasstab, mit dem ich ihn messe, den Werth

Der Menschen, ist eben so dumm, als verkehrt.

Ich scheuche Vertrauen und Frohsinn und Scherz,

Mir öffnet sich nimmer ein redliches Herz.

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 272-273.
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