Im Namen eines Freundes, am Grabe seiner Gattin

[142] Mit zerrißnem, halb gebrochnem Herzen

Blick' ich, o Louise, auf Dein Grab,

Und der Wehmuth bange Thränen fließen

Von den bleichgehärmten Wangen ab.


Dieser frische hochgewölbte Hügel

Deckt die Freude meines Herzens zu!

Einsam wall' ich nun des Lebens Pfade

Ohne Freude, ohne Glück und Ruh'.


Wie die Rose sinkt am jungen Morgen,

Wenn ein Sturm den zarten Stengel beugt;

Also hast Du in des Lebens Blüthe

Der Vollendung frühes Ziel erreicht.


Nie, ach! werd' ich Deiner, o Louise,

Je vergessen; ewig lieb' ich Dich;[143]

In dem Abdruck Deiner holden Züge,

Ach, in unsern Kindern lieb' ich Dich!


Unsre Kinder, vormals mein Entzücken,

Jetzt erhöhen sie nur meinen Schmerz;

Trauervoll, mit wund geweinten Blicken,

Sinken sie an ihres Vaters Herz.


Jede Freude flieht aus ihrem Kreise,

Alles, was sie fröhlich sonst gemacht;

»Mutter!« jammern sie an Deinem Grabe,

»Mutter!« tönt's in öder Mitternacht.


Wenn die Zeit mir jene Thräne trocknet,

Die mir jezt die wunde Wange brennt,

O dann sei ein Altar Dir errichtet,

Wie ihn nur die treue Liebe kennt.


Schwebe leis' auf sanftem Rosenflügel,

Wie ein holder Schutzgeist um uns her,

Lisple dann: ich harre Euch entgegen,

Trennung schreckt uns ewig dort nicht mehr!

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 142-144.
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