59. Tippelsdorf.

[67] Mündlich aus Bendorf.


Zwischen Ahlsdorf und Anneroda liegt ein finstrer Wald, an dessen Stelle einst ein Dorf stand, welches Tippelsdorf hieß: auch kennt man in der Nähe noch die Tippelswiese und Tippelsbrücke. In dem Dorfe war ein Nonnenkloster, und noch jetzt sieht man bei Nacht oft Nonnen im Walde umher gehen. Am lichten Tage aber sind Leute, die im Walde Gras schneiden wollten, oft erschreckt worden, doch[67] stets zu ihrem Glücke. Manchmal nämlich haben sie plötzlich, wenn sie einen Busch Gras zu fassen meinten, die Hand voll Schlangen gehabt: wenn sie aber die Schlangen tödteten und mit nach Hause nahmen, wurden dieselben zu Gold. Andre fanden eine seltsame, in Sachsen sonst unbekannte Art Rüben unter dem Grase, die eiskalt waren, und auch diese verwandelten sich nachträglich in Gold. – Ein Schäfer von Ziegelrode that ein Gelübde, wenn er einen Schatz auf der wüsten Marke Tippelsdorf finde, wolle er in seinem Dorfe eine Kirche bauen, und ging in das Gehölz um zu suchen. Und bald fand er wirklich einen unermeßlichen Schatz, von dem er die noch heut stehende ziegelroder Kirche aufführte; und er behielt noch so viel übrig, daß er der reichste Mann der Umgegend war. Zum Andenken ist das Bild des Schäfers über der Kirchthür in Stein gehauen und noch zu sehen.

Quelle:
Emil Sommer: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1. Halle 1846, S. 67-68.
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