[O Gott, wan ich all wolthat dein]

O Gott, wan ich all wolthat dein

Mit reiffem sinn betrachte,

Da spritzen mir beid augen mein,

Für wunder schier verschmachte.
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Mich rühret ein gar stille brunst,

Gekült in frewdenzähren,

Weil krönest vns mit gnad, vnd gunst,

Noch mehr dan wir begeren!


Gleich wie von süssem Sonnenschein

Gar sittiglich thut schmeltzen,

Der Schnee, wan er Crystallenrein

Fleust ab von stoltzen feltzen:


Also wan deine gnaden straal

Auf vns so lieblich scheinen,

Da rinnen mir die zähr ohn zahl,

Gar süßlich ich muß weinen.


Mir hertz vnd augen schmeltzen gar,

All adren sich erwarmen,

Vnd strecken mir die Feuchte dar,

An zähr mag nie verarmen.


Wan ich schon wölt auffhören ger,

Vnd meine brünnlein schließen;

Doch nie sie wöllen scheinen lähr,

Starck wöllen sie noch fliessen:


Im lauff noch immer wöllen sein

Die wasserbächlein kleine,

Vnd mir albeide wangen mein

Noch wäschen also reine.


Ey was soll ich nun widerumb,

Ey was dem Herren geben?

Allweil wir ob so großer Summ

In lauter wolthat schweben.


Vmbzinglet seind wir vberall,

Seind vmb, vnd vmb bezogen

Mit lauter gnad auff allen fall:

Gott, Gott ist vns gewogen.


Sein milte gnad, vnd gütigkeit

Walt vber vns mit hauffen

Ein Meer ist seine miltigkeit:

Da müßen wir ersauffen.


Quelle:
Friedrich Spee: Sämtliche Schriften, Band 2, München 1968, S. 43-44,46-47.
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