Harte Strafe und Besserung.

[213] Friederike war so wild und ungestüm wie der wildeste Knabe. Umsonst warnte die Mutter, umsonst mußte sie zuletzt strafen; Friederike ward, statt sich zu bessern, mit jedem Tage ungezogener; ihr Vater starb, und nun wurde es noch schlimmer, so, daß sie ihrer armen Mutter, welche schon ohnehin viel litt, den bittersten Kummer machte. Der Vormund gab sich alle Mühe, sie durch Vorstellungen und Strafen zu bessern,[213] allein es war vergebens. Kaum hatten sie ein neues Kleid bekommen, so war es schon voll Schmutz und Löcher. Die Schuhe, die Strümpfe waren immer schmutzig und zerrissen, und das Haar hing unordentlich um den Kopf her. Ja nicht einmal wusch sie sich ordentlich die Hände; dabei war sie auffahrend und trotzig. Da nun nichts bei ihr half, übernahm es der Vormund, da die Mutter aus Gram krank ward, Friederiken nachdrücklicher, als bisher es noch geschehen, die Folgen ihrer Unfolgsamkeit und ihrer großen Fehler, fühlen zu lassen, um sie so vielleicht noch zu bessern. Er brachte sie in eine entfernte Stadt zu einer Frau, bei der sie dienen mußte, denn sie hatte ihr dreizehntes Jahr zurückgelegt, und war groß und stark für dieses Alter. »Höre! redete sie ihre Frau (zu der sie ziemlich trotzig ins Zimmer trat) an: ich habe erfahren, daß du deines Ungehorsams und deiner übeln Aufführung wegen, aus dem Hause deiner Mutter, welche du so schwer kränktest, weggeschickt worden bist; ich leide weder Widerspruch noch Eigensinn, weder Schmutz noch Grobheit; richte dich darnach; jetzt richte dich in deinem Stübchen ein, du wirst eine Kommode und einen Schrank finden, in diese hebe deine Kleider und Sachen auf.« – Nach einigen Stunden kam die Frau ins Stübchen, aber da[214] lag noch alles unter einander. Sie befahl ihr, erst aufzuräumen, ehe sie zum Essen kam, und als sie um sieben Uhr sie zum Abendessen rufen wollte, und nun erst nach ihren Sachen aufs neue sah, fand sie wohl alles in Schrank und in der Kommode, aber wie sah es darin bunt aus! Nichts war an Ort und Stelle, sondern alles wie Kraut und Rüben durch einander; da mußte sie noch einmal anfangen und bekam kein Abendbrod. Der Hunger thut weh, aber Friederike räumte nun nicht mehr auf, sondern legte sich weinend vor Zorn und Ungeduld zu Bette. Früh, am andern Morgen, ward ihr bange um das Frühstück, und sie ordnete alles recht gut und ordentlich in Schrank und Kommode. Jetzt kam die Frau und fand die Sachen in Ordnung; aber Friederike hatte sich weder gewaschen noch gekämmt, und in dem einen Strumpfe war ein großes Loch. Da ward ihr denn bedeutet, daß sie so unmöglich bei dem Frühstücke erscheinen könne, und sie mußte bis zum Mittage fasten. Die Strafe war wohl hart, doch litt sie sie nicht unverdient, da es ja nur von ihr abhing, sie zu vermeiden. Nun wurden ihre Geschäfte ihr angewiesen, welche so ziemlich die einer Magd waren, nur die schwersten und niedrigsten Dienste ausgenommen, zu denen sie nicht Kräfte genug besaß, oder ihre Kleidung dabei verderben konnte;[215] und immer mußte sie sich dabei der größten Reinlichkeit befleißigen. Ihre Strafe bestand im Hungerleiden, denn ihre Frau sagte immer, wer nicht arbeiten will, und muthwillig seine Kleider verdirbt, und schmutzig und unreinlich einher geht, braucht auch nicht zu essen. Allmählich gewöhnte sie sich doch zum Fleiß, zur Ordnung und Reinlichkeit, und legte das rohe, ungesittete Betragen ab. Anfangs geschah es nur aus Furcht vor der Strafe, nachher aus Gewohnheit. In den Zwischenstunden bekam sie noch Unterricht im Schreiben, in Sprachen und weiblichen Arbeiten; da gab es denn noch Tage genug an denen ihr Magen ihr ernstliche Vorstellungen machte, und sie vor Zorn in ihrem Stübchen, stampfte und weinte und an Tisch und Wand kratzte; aber das half alles nichts. Die Frau blieb bei ihrem Worte und der Vormund, wenn sie bei ihm klagte, da er von Zeit zu Zeit hinkam, gab ihr immer dieselbe Antwort: »Wer nicht hören will, muß fühlen; und du besonders darfst nicht klagen, da bei dir keine Ermahnungen noch gelinde Strafen fruchten wollen; wie hast du deine Mutter so bitter gekränkt?« Drei Jahre lang mußte Friederike dort bleiben, und da sie in dieser Zeit selbst ihr Unrecht einsehen lernte, und sich besserte, kam sie, nach Verlauf dieser Zeit, wieder zu ihrer Mutter zurück.[216] Fiel sie bisweilen wieder in ihre alten Fehler zurück, so durfte der Vormund ihr nur drohen, sie wieder zu der Frau zu schicken, um die Hungerkur aufs neue zu beginnen; und das half. Sie gab sich alle Mühe sich immer mehr zu bessern, und so gelang es ihr auch; denn was man mit Ernst sich vornimmt, und mit Festigkeit auszuführen strebt, gelingt gewiß.

Quelle:
Karoline Stahl: Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder. Nürnberg 21821, S. 213-217.
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