Letzter Auftritt.

[64] Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin voll Freuden und Gefolge.


SELIM. Nun Sklave! elender Sklave! zitterst du? erwartest du dein Urtheil?

BELMONTE. Ja Bassa mit so vieler Kaltblütigkeit, als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angethan; – – ich erwarte alles, und tadle dich nicht.

SELIM. Es muß also wohl deinem Geschlechte ganz eigen seyn Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als daß ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freyheit, nimm Konstanzen, seegle in dein Vaterland, sage deinem Vater, daß du in meiner Gewalt warst, daß ich dich frey gelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit grösser Vergnügen eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohlthaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.

Belmonte. Herr! ... du setzest mich in Erstaunen ...

SELIM ihn verächtlich ansehend. Das glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher, als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.[64]

KONSTANZE. Herr! vergieb! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich ...

SELIM. Still! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, daß Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben. Im Begriff abzugehen.

PEDRILLO tritt ihm in Weg und fällt ihm zu Füßen. Herr! dürfen wir beyde Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn ...

OSMIN. Herr! beym Alla! laß dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.

SELIM. Er mag ihn also in seinem Vaterlande suchen. Zur Wache. Man begleite alle viere an das Schif. Giebt Belmonte ein Papier. Hier ist euer Paßport.

OSMIN. Wie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?

SELIM scherzhaft. Alter! sind dir deine Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich als du denkst.

OSMIN. Gift und Dolch! Ich möchte bersten!

SELIM. Beruhige dich. Wen man durch Wohlthun nicht für sich gewinnen kann, den muß man sich vom Halse schaffen.

BELMONTE.

Nie werd' ich deine Huld verkennen,

Mein Dank bleibt ewig dir geweiht![65]

An jedem Ort, zu jeder Zeit

Werd' ich dich groß und edel nennen.

Wer so viel Huld vergessen kann,

Den seh' man mit Verachtung an.

ALLE.

Wer so viel Huld etc.

KONSTANZE.

Nie werd' ich im Genuß der Liebe

Vergessen, was der Dank gebeut,

Mein Herz, der Liebe nun geweiht,

Hegt auch dem Dank geweihte Triebe.

Wer so viel Huld etc.

PEDRILLO.

Wenn ich es je vergessen könnte,

Wie nah' ich am Erdrosseln war,

Und all der anderen Gefahr:

Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.

Wer so viel Huld etc.

BLONDE.

Herr Bassa, ich sag' recht mit Freuden

Viel Dank für Kost und Lagerstroh,

Doch bin ich recht von Herzen froh,

Daß er mich läßt von dannen scheiden.


Auf Osmin zeigend.


Denn seh' er nur das Thier dort an,

Ob man so was ertragen kann.

OSMIN.

Verbrennen sollte man die Hunde,

Die uns so schändlich hintergehn;

Es ist nicht länger anzusehn,[66]

Mir starrt die Zunge fast im Munde,

Um ihren Lohn zu ordnen an:

Erst geköpft,

Dann gehangen,

Dann gespießt

Auf heiße Stangen;

Dann verbrannt,

Dann gebunden

Und getaucht,

Zuletzt geschunden.


Läuft voll Wuth ab.


ALLE.

Nichts ist so häßlich, als die Rache;

Hingegen menschlich, gütig seyn;

Und ohne Eigennutz verzeihn,

Ist nur der großen Seelen Sache.

Wer dieses nicht erkennen kann,

Den seh' man mit Verachtung an.

DIE WACHE.

Bassa Selim lebe lange,

Ehre sey sein Eigenthum,

Seine holde Scheitel prange

Voll von Jubel, voll von Ruhm.

Ende des Singspiels.


Quelle:
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Entführung aus dem Serail. Wien 1782, S. 64-67.
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