Siebzehnter Auftritt.

[70] Die Vorigen. Stößel. Sturmwald.


STÖßEL.

Ach, Claudia, laß dir entdecken,

Ich bin voll Furcht und voll Schrecken!

Ach, denke nur: Diebe sind hier!

STURMWALD zu Claudia.

Ja, Mütterchen! Diebe sind hier.

STÖßEL.

Diebe sind hier!

STURMWALD.

Diebe sind hier!

STÖßEL.

Diebe sind hier!

STÖßEL UND STURMWALD.

Diebe sind hier, sind hier! –[70]

CLAUDIA.

Nicht Diebe, ich weiß es wohl besser,

Vor Dieben verwahren uns Schlösser;

Da lies nur dies saubre Papier.


Sie giebt Stößel den Heiratskontrakt.


STÖßEL.

Laß sehen, was sagt dies Papier?

STURMWALD.

Ich hab' sie hereinsteigen sehen,

Was schiert uns Ihr dummes Papier!

STÖßEL zu Claudia.

Wie kamst du zu diesem Papier?

CLAUDIA.

Gelt, das ist ein saubres Papier!

STURMWALD.

Was schiert uns das dumme Papier!

LEONORE UND ROSALIE leise unter sich.

Verrät uns das Teufelspapier!

STURMWALD.

Das dumme Papier!

CLAUDIA.

Das saubre Papier!

LEONORE für sich.

Das Teufelspapier!

ROSALIE für sich.

Das saubre Papier!

STÖßEL zu Claudia.

Wie kamst du zu diesem, zu diesem Papier?

STURMWALD.

Was schiert uns Ihr dummes, Ihr dummes Papier!

CLAUDIA.

Ich hab' es Lenore genommen,

Sie hat es nur eben bekommen.

Ich wette, ich wette, ich wette, er ist noch im Haus!

LEONORE UND ROSALIE für sich.

Ich zittre vor Furcht und vor Schrecken,

Sie müssen sie endlich entdecken,

Wie können sie sicher da sein!

STÖßEL UND STURMWALD.

So muß er hier also wo stecken,

Wir wollen ihn sicher entdecken!


Sie gehen nach rechts auf Claudias Zimmer zu.


Nur hurtig, da wird er wohl sein,

Da wird er wohl sein!

CLAUDIA tritt vor ihre Thür.

Zurück! zurück! Hier darf kein Mensch hinein![71]

Auch kann er hier unmöglich sein,

Unmöglich kann er hier sein,

Dies ist, dies ist mein Schlafgemach!

Gotthold und Sichel schließen ihre Thür.


STÖßEL UND STURMWALD.

So wollen wir anderswo sehen,

Fort konnt' er unmöglich doch gehen!

Er wird also sicher hier sein.

LEONORE UND ROSALIE nach links blickend, für sich.

Nun ist es schon um sie geschehen.

Sie werden nun sicher dort sehen,

Und gehen gewißlich hinein,

Gewißlich hinein!

CLAUDIA nach links auf das Laboratorium zeigend.

Sie müssen nach jenseits sich drehen,

Fort konnt' er unmöglich doch gehen,

Er wird also sicher hier sein!

Sturmwald wankt nach links auf Stößels Laboratorium zu.


STÖßEL tritt vor seine Thür.

Zurück! Zurück von diesem Heiligtum!

Hier ist mein Lab'ratorium,

Da darf kein Mensch hinein,

Hier ist mein Lab'ratorium!

CLAUDIA UND STURMWALD.

Und darin wird er sicher sein, wird er sein!

LEONORE UND ROSALIE freudig für sich.

O gut, er läßt sie nicht hinein!

STÖßEL.

Nein, nein! hier bin ich Herr allein,

Kein Sterblicher kann sonst hinein!


Er zieht den Schlüssel aus seiner Tasche und zeigt ihn; für sich.


Mir schlägt mein Herz gleich einem Hammer,

Denn kämen sie in meine Kammer,

Sie stürzten meine Arbeit ein!

CLAUDIA UND STURMWALD für sich.

Mir schlägt mein Herz gleich einem Hammer,[72]

Gewiß sind sie in jener Kammer,

Und doch läßt er uns nicht hinein!

LEONORE UND ROSALIE für sich.

Mein Herz pocht wieder nun vor Freude,

Wir können doch vielleicht noch beide

Uns eines guten Ausgangs freun!

GOTTHOLD UND SICHEL öffnen ihre Thür ein wenig und sehen heraus.

Mein Herz pocht wieder nun vor Freude,

Wir können doch vielleicht noch beide

Uns eines guten Ausgangs freun!

CLAUDIA nach einer Pause zu Stößel.

Nun denn, Herr Meister Dummerjahn,

Was fängt Er denn nun jetzt wohl an?

STÖßEL.

Weil man ihn nirgends finden kann,

So legt, so legt, so legt man sich zu Bette dann.

CLAUDIA UND STURMWALD.

Und läßt den Kerl allhier im Haus?

STÖßEL.

Man legt sich –

CLAUDIA UND STURMWALD.

Nein, Mann / Herr, da wird gewiß nichts draus!

STÖßEL.

Zu Bette!

CLAUDIA UND STURMWALD.

Und läßt den Kerl allhier im Haus?

STÖßEL.

Zu Bette!

LEONORE UND ROSALIE für sich.

Vortrefflich, gingen sie nur schon!

CLAUDIA UND STURMWALD.

Nein, Mann / Herr, da wird gewiß nichts draus!

GOTTHOLD UND SICHEL für sich.

So kämen wir noch gut davon!


Sie schließen ihre Thür.


STÖßEL.

Man legt sich zu Bette!

Man legt sich, man legt sich zu Bette!

CLAUDIA zu Rosalie, die sie zur Thür rechts schiebt.

Fort du, fort du! du schläfst in meinem Zimmer!


[73] Zu Leonore.


Bei dir schlaf' ich!


Zu Rosalie.


Dich schließ' ich ein,

So kann man endlich ruhig sein.

STURMWALD.

Und ich, und ich, ich schlafe hier im Zimmer.


Er trägt einen Stuhl vor das Laboratorium links.


In diesem Stuhl, vor dieser Thür,

So überseh' ich das Revier.

LEONORE UND ROSALIE sehr niedergeschlagen, für sich.

So ist das Glück uns denn entgegen,

Die Hoffnung ist nun gänzlich aus,

Wie kommen sie nun aus dem Haus?

CLAUDIA.

Nun wollen wir uns niederlegen;

Sei er meintwegen noch im Haus,

Sein Plänchen führt er doch nicht aus.

STURMWALD.

Nun laßt den Herren sich nur regen,

Er kommt gewiß mir nicht hinaus

Und denkt zeitlebens an das Haus!

STÖßEL hängt den Schlüssel an den Thürpfosten der Mittelthür.

Recht gut, ich habe nichts dagegen;

Hier hängt der Schlüssel denn vom Haus,

Damit Sie können früh hinaus.

CLAUDIA nimmt Rosalie bei der Hand.

Gute Nacht! Gute Nacht!

Gute Nacht! Gute Nacht!

LEONORE UND ROSALIE sich betrübt umsehend.

Gute Nacht! Gute Nacht!

STÖßEL zu Sturmwald, indem er sich zum Abgang wendet.

Gute Nacht! Gute Nacht!

STURMWALD ruft hinterher.

Gute Nacht! Gute Nacht!

Claudia führt Rosalie ab nach rechts in ihr Zimmer, schließt zu und steckt den Schlüssel ein; dann geht sie mit Leonore ab durch die Mitte.

Stößel folgt Claudia durch die Mitte.
[74]


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Doktor und Apotheker. Dichtung von Stephanie dem Jüngeren, Leipzig [o. J.], S. 70-75.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Chamisso, Adelbert von

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon