Zwanzigster Auftritt.

[108] Leonore, Rosalie zu ihrer Linken.


LEONORE. Ach, liebstes Salchen, wird es uns denn auch gut gehen?

ROSALIE. Warum denn nicht? Sind wir nicht so gut unsern Preis wert wie andere?

LEONORE. Ja, aber ohne den Willen der Eltern? Das ist denn doch viel gewagt!

ROSALIE. Ganz gut – aber denk' doch nur, was die Eltern[108] verlangen; daß man ihren Entwürfen alle Empfindungen opfern und blind sein soll. Haben sie da auch wohl recht? Sie geht an Leonore vorüber nach rechts. Und ich glaube, nur bei vernünftigen Forderungen ist es Pflicht, den genauesten Gehorsam zu leisten.

LEONORE. Man hat aber so viele Beispiele, daß dergleichen Heiraten, die wider Willen der Eltern vollzogen werden, selten gut ausschlagen.

ROSALIE. Sieh nur, Liebe, da forderst du zu viel von mir, daß ich dir jetzt alle Zweifel lösen soll. Ich glaube, wenn sich eine verworrene Sache so gut entwickelt: daß es so sein soll, und was sein soll, das ist einem beschert, und was einem beschert ist, dem kann man nicht entgehen. Ach, mach' dir weiter keine Grillen und hoffe das beste.

Nr. 22. Arie.


ROSALIE.

Jedem ist sein Los beschieden;

Selbst der Wunsch, den man genährt,

War uns ebenfalls beschert.

Stellt das Glück uns nur zufrieden,

Trifft ein Wunsch nach Absicht ein,

Darf man gänzlich ruhig sein;

Denn der Wunsch war unser Los,

Und wer kann seinem Los entgehn?

Was uns bestimmt ist, muß geschehn! –

Trifft ein Wunsch nach Absicht ein,

Darf man gänzlich ruhig sein;

Jedem ist sein Los beschieden,

Selbst der Wunsch war unser Los,

Und wer kann seinem Los entgehn?

Was uns bestimmt ist, muß geschehn,

Das muß geschehn!

Gotthold Krautmann kommt von links zurück.


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Doktor und Apotheker. Dichtung von Stephanie dem Jüngeren, Leipzig [o. J.], S. 108-109.
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