6. Der Haß küsset ja nicht

[29] 1.

Die ernstliche Strenge steht endlich versüsset/

die qweelende Seele wird einsten gesund.

Ich habe gewonnen/ ich werde geküsset/

es schallet und knallet ihr zärtlicher Mund.

die Dornen entweichen/

die Lippen verbleichen/

indehm sie die ihre den meinen auffdrükkt.

Ich werd' auß der Erde zun Göttern verschikkt.


2.

Ihr klagende Plagen steht jetzo von fernen/

es fliehe der ächzende krächzende Neid!

Mein Gang ist gegründet auch über die Sternen

ich fühle der Seeligen spielende Freud'.

Es flammen die Lippen

Die rößlichte Klippen

die blühen und ziehen mich lieblich an sich.

Was acht' ich dich Honig! was Nektar-wein dich!


3.

Durch dieses erwieß es ihr süsses Gemühte/

sie wolle/ sie solle die Meinige sein.

Nu höhn' ich der Könige Zepter und Blüte/

mich nimmet der Vorraht Eufrates nicht ein.

Kan ich sie nur haben:

was acht' ich der Gaben

der siegenden Krieger im Kapitolin

die durch die bekränzeten Pforten einziehn!


4.

Ich habe die Schöne mit nichten gewonnen

mit Solde von Golde/ mit Perlenem Wehrt/[30]

und scheinenden Steinen in Bergen geronnen/

den Tyrischen Purpur hat sie nie begehrt.

Die Zeilen/ die süssen

aus Pegasus Flüssen

die haben ihr härtliches Hertze gerührt:

Nu stehet mein Lorber mit Myrten geziert.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 29-31.
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