[97] 1.
Verzeih mir/ daß von Rosilis/
und Mel' ich/ Buschgen/ hier was schreibe:
so lang' ich Filidor verbleibe/
bleibt meine Treu auch dir gewiß.
Was hier von einer ist gedichtet/
hab' ich auff drey auß Schein gerichtet.
[97]
2.
Wenn dein verliebter Zukkermund
mir die besüßten Küsse schenkte/
und mich mit solchem Labsal tränkte/
der alle Krankheit macht gesund
so wars Melinde/ die ich schriebe
der süsse Honig meiner Liebe.
3.
Betrachtet ich den roten Schein
in welchem deine Wangen blühen/
wollt' ich es auff die Rosen ziehen/
denn mustestu Rosille sein.
doch wirstu wol mein Buschgen bleiben/
ich mag dich wie ich will beschreiben.
4.
Hätt' ich dich Buschgen stets genannt/
so möchte mancher auff dich sinnen/
der Leute spizziges Beginnen
ist mir mehr als zuviel bekannt.
Nu deinen Nahmen ich bescheinet/
weiß mancher nicht/ wen ich gemeinet.
5.
So laß mich nu die Rosilis
die Mele gleicher massen loben:
Du/ Buschgen/ wirst allein erhoben
ob ich dich schon Dorinde hieß'
ach! ach Dorinde! der zu Ehren
ich manches Lied auch lassen hören.
6.
Gedenkstu nicht/ wie du mich auch
bald Oridor/ bald Karpas nennest/
da du den Filidor nur kennest:[98]
Sich/ Schaz/ das ist auch mein Gebrauch/
den ich zu erst von dir gesehen
dem pfleg' ich künstlich nachzugehen.
7.
Ein Herze hab' ich nur allein/
so ist mir ein Leib nur gegeben.
Ein einger Geist bewegt mein Leben/
so sollstu/ Buschgen einig sein
die ich durch hundert tausend nennen
für meine Seele wil bekennen.
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