Floridans Antwort

An die Edle Dorilis / Bey Ubersendung

Des Lorbeerkränzchens und Blumgenosschaft-Bandes.

A. 1668.

[11] Wem solte nicht die Poesy belieben /

jetzund da sie von Händen wird getrieben /

die zart und weiß wett-schönen mit dem Schnee?

Wann ich zurück in alte Zeiten geh:

Uns war genug / wann unser Reimen-wesen

von Hirtinnen / von Nymfen / ward gelesen;

der liebste Dank / vor alles / was man schrieb /

war / wann ein Vers war schönen Augen lieb.

Was wird man dann / die wir vorhin gern küssen /

der schönen Hand für Ehre anthun müssen /

die selber schreibt / was uns entzücken kan?

kein Wunder ist / wir beten sie gar an.

Zehlt unsre Zeit nicht manche Prinzessinnen /

viel Nymfen auch und kluge Schäferinnen /

Solt der Parnaß iezt nicht in Teutschland seyn?

die Musen ja sich häufig finden ein.

Wir dörfen nicht erdichten Berg' und Brunnen:

vom Noris-Fels ein Claros komt gerunnen.

Nicht Pegasus / Pegnesus giest ihn aus:

sein Rand ist ja der Pierinnen Haus.


Ihr / Dorilis! seit dieser Schönen eine /

die Dorus nun bald nennen wird die Seine /[11]

der wehrte Hirt. Ihr Preis von unsrer Zeit!

ich hab nicht Farb zu mahlen meine Freud /

ob eurer Zier. Ich denk zurück an Jahre /

(es ist sehr lang) als ich üm euch oft ware.

Ich / noch ein Knab / sah euch ein schönes Kind.

Im Denken wir auch noch die Nachbarn sind

am Tische dort: da euer süßes Lachen

uns alle Kost zu Zucker konte machen.

Ihr glaubet recht: noch ehr' ich diese Stund /

den dazumal-gemachten Freundschaft-Bund.

Ich werd ihn auch / und Euch / ô Wertste! ehren

in reiner Treu / so lang der Geist wird währen /

der mich beseelt. Und wer euch ehret nicht /

den hat gewiß der Titan zugericht

aus schlechtem Schlamm. Ist dan nicht euer Herze /

der Tugend Haus? tragt ihr / der Weisheit Kerze /

nicht im Verstand? ist Schönheit nicht der Wirt /

der seinen Gast / die schöne Seele / ziert?

Fürtrefflichs Kind! Ihr schreibet solche Sachen /

die schwerlich euch wird eine Hand nach-machen /

die männlich ist. Euch redet lang nit gleich

manch stolzer Mops / der an Einbildung reich /

doch arm an Geist / sich bey sich selber nennet

den Föbus selbst: den man doch anderst kennet /

daß er sonst nichts / als Marsyas nur / sey;

ihm legt kein Lob / als nur ein Midas / bey.

Der muß mir je ohn Seel ein Körper heisen /

der ein Gedicht / das ohne Geist / darf preisen.

Nur / jedem Ding / die Seel das Leben gibt.

So ist dann todt / wer todte Sachen liebt.

Ihr / was ihr schreibt / ja! das hat Geist und Leben.


Nemt / Dorilis nemt hin! ich muß Euch geben

das Ehren-Laub / das vor uralter Zeit[12]

hat die bekrönt / die im Olymper-Streit

den Sieg erlangt; das diesen krönen muste /

der künstlich schrieb / und obzusiegen wuste

im Dichter-Kampf. Auf euch fällt jezt die Wahl:

Komt / tretet mir in der Gekrönten Zahl /

seyt unsre Kron. Mit euch die Pegnitz pranget /

an der ihr nun so lang so trefflich sanget.

Komt dann zu uns in ihrer Hirten Schaar:

die denken euch zu ehren immerdar /

worzu sie sich mit diesem Band verbinden.

Reicht her die Hand / die schönste / so zu finden:

lasst diesen Schnee dem euren wohnen bey /

und eine Seide bey der andern sey.

Diß weisse Band / der Treu-Genosschaft Zeichen /

soll euch ein Bild von einer Seele reichen /

die euch hält wehrt / und liebt den / der euch liebt.

Seht hier die Blum / die euch der Orden gibt.

Vergiß mein nicht! will er dadurch euch sagen.

Ihr werdet fort in dem Gedächtnis tragen

des Ordens Zweck: Gott / Sprach und Poesy /

zu heben hoch / durch eure schöne Müh.

Die bässre Welt wird Euer nicht vergessen /

wann euch schon wird das kalte Marmor pressen.

Der Himmel auch vergeß nicht meiner Bitt:

mit schönem Glück euch / Schöne / überschütt!
[13]

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. XI11-XIV14.
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